Ganz schön bissig ...
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März 2005
Marathon mit Hindernissen
von Anke Michels

1. Februar 2005

Gerade hatte ich es mir am Schreibtisch bequem gemacht, um an meinem Marathon-Roman weiterzuschreiben, da klingelte es an der Tür. Ich ärgerte mich über die Störung, aber die Neugierde siegte und ich öffnete trotzdem.
Vor der Tür stand der Postbote und hielt mir ein grosses Paket entgegen. Es war ziemlich schwer. Verwundert stellte ich fest, dass es an mich adressiert war. Seltsam. Bis zu meinem Geburtstag waren es noch ein paar Monate und einen anderen Anlass gab es eigentlich auch nicht.
Ich stellte den schweren Karton neben der Tür ab und betrachtete ihn. Abgeschickt in Italien? Kenne ich überhaupt jemanden in Italien?
Ein Blick auf den Absender brachte Klarheit: A. Nikolaus. Warum schickte Annemarie mir ein Paket?
Neugierig löste ich die Klebestreifen und hob den Deckel an. Darin war eine dunkle Holztruhe deren Deckel mit einem gewaltigen Vorhängeschloss gesichert war. Obenauf lag ein Brief.
Ungeduldig öffnete ich den Umschlag. Heraus fiel eine linierte Seite, die wohl aus einem Spiralblock herausgerissen worden war, darauf eine hastig hingekritzelte Nachricht.

Hallo Anke!

Bitte bewahre dies für mich auf. Ich melde mich in ein paar Wochen und sage dir, was weiter damit geschehen soll.
Wichtig: Öffne es auf keinen Fall!!!

Geheimnisvolle Grüße,
Annemarie


Jetzt war ich nicht schlauer als vorher. Ich schrieb Annemarie also eine E-Mail, um genaueres zu erfahren.
Nach zwei Stunden landete in meinem Postfach eine automatische Rückantwort: „Ich bin im Moment mit dem NoWriMo (Novel Writing Month) beschäftigt und habe deshalb keine Gelegenheit, meine e-mails abzufragen. Ab dem 28. Februar bin ich wieder erreichbar.“
Das brachte mich auch kein bisschen weiter. Ich würde meine Neugier wohl im Zaum halten und warten müssen, bis Annemarie mich in einem Monat über den Inhalt aufklärte.
Ich stellte die Kiste in eine Ecke des Büros und setzte mich wieder an den Computer. Schließlich musste ich noch mein Tagessoll für den NoWriMo zu Papier bringen.
Leider wollte mein jugendlicher Protagonist Richard heute so gar nicht voran kommen in seiner Lebensgeschichte. Ich musste ihn dringend vor dem herannahenden Zug bewahren, aber meine Gedanken schweiften immer wieder zu dem geheimnisvollen Paket. Nach lausigen zweihundertvierunddreißig Wörtern gab ich auf. Ich schob die Box in meinen Besenschrank und ging ins Bett.

2. Februar 2005

In der Nacht schlief ich nicht besonders gut. Am nächsten Morgen saß ich wie gerädert am Computer.
Ich kam noch schlechter voran als am Vortag. Außerdem hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass ich eigentlich über Elfen schreiben sollte. Aber Elfen passten absolut nicht zu Richard. Lag die Lösung darin, seine Geschichte für ein paar Tage ruhen zu lassen und zwischendurch eine Elfenwelt zu erschaffen? Dagegen sprach, dass ich vorher nie Ambitionen verspürt hatte, einen Fantasyroman zu schreiben, ich also bei null anfangen müsste. Irgendwie überzeugte ich mich selbst davon, dass es ein gute Idee sei und legte los.
Mein Elan hielt allerdings nur für eine halbe Seite an. Dann stand ich plötzlich total im Dunkeln und wusste nicht im Entferntesten, wie es weitergehen sollte.
An diesem Abend fiel ich todmüde und frustriert ins Bett. Ich hatte noch nicht einmal zweihundert Wörter geschafft, obwohl ich den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen und nach Worten gerungen hatte.

3. Februar bis 7. Februar 2005

Mehrere Tage lang ging es mir so, dass ich nachts von wilden Träumen geplagt wurde: eine Tante, die im hohen Alter Häuser besetzt, ein Jungunternehmer, dessen Autotelefon den ganzen Kofferraum füllt, die Elfenwelt...
Tagsüber hatte ich das zwanghafte Verlangen, meinen Text nach Rechtschreib- und Kommasetzungsfehlern zu durchsuchen.
Um auf andere Gedanken zu kommen, beschloss ich, die Wohnung zu putzen.
Als ich den Staubsauger aus dem Besenschrank holen wollte, fiel mein Blick auf Annemaries Karton. Erneut grübelte ich, was wohl darin sein könnte.

8. Februar 2005

Da ich am nächsten Morgen immer noch völlig feststeckte, widmete ich mich den E-Mails der anderen fleißigen Marathon-Schreiber und erfreute mich an ihren Text-Schnipseln. Bei Annemaries Monster ging es wieder so richtig rund: Ungewollte Schwangerschaften, jugendliche Ehemänner, Tante Herta, die Kuchen backt, ...
Woran erinnerte mich das bloß? Plötzlich traf mich die Erkenntnis: Ich hatte die ganze Zeit von Annemaries Ideen geträumt. Dafür konnte es nur eine Erklärung geben. Sie hatte doch wohl nicht ...
Ich lief in den Keller und holte den Werkezeugkasten. Das Vorhängeschloss würde ich damit nicht aufbekommen. Aber mit Hilfe des Akkuschraubers ließen sich die Scharniere in Windeseile entfernen.
Ich atmete tief durch, hob den Deckel vorsichtig an und blickte hinein Aus weit aufgerissenen Augen starrte mich ein kleines Männchen an. Es war gefesselt und geknebelt.
Als ich den Knebel aus seinem Mund entfernte, versuchte es, mich in den Finger zu beißen. Die restlichen Fesseln ließ ich deshalb sicherheitshalber unberührt..
„Wer bist denn du?“, fragte ich.
„Ich bin Zenzi, Annemaries innerer Zensor. Aber du bist nicht Annemarie! Wo ist sie? Und wer bist du? Und wo bin ich überhaupt?“
„Du bist in Kalifornien und sie ist zu Hause, in Italien“, klärte ich den seltsamen Zwerg auf.
„Soll das heißen, dass ich mich in den letzten Tagen vergeblich darum bemüht habe, ihr zu helfen?“
„Na, vergeblich würde ich nicht sagen. Und von helfen kann auch nicht wirklich die Rede sein. Durch dich habe ich kaum ein Wort zu Papier bekommen.“
Zenzi polterte los: „Aber das ist doch nicht mein Problem. Für dein Schreiben bin ich nicht zuständig. Meine Aufgabe ist es, Annemarie beim Schreiben zu unterstützen. Dafür zu sorgen, dass sie ihre guten Ideen nicht vergißt und dass ihre Texte grammatikalisch und ausdrucksmäßig korrekt sind. In der Zwischenzeit hat sie bestimmt ihren Monsterroman fertig – und hat ihn wahrscheinlich einfach so auf die Schnelle dahingeschludert. Und ich konnte nicht eingreifen. So eine Unverschämtheit. Wie kann sie es wagen, mir so etwas anzutun! Wenn ich ...“
Ich hatte genug gehört. Während Zenzi sich weiter seinem Wutausbruch hingab, schloss ich den Deckel wieder. Sein Zetern war jetzt nur noch gedämpft zu hören.
Über die internationale Telefonvermittlung besorgte ich mir Annemaries Telefonnummer. Es war zwar erst drei Uhr morgens in Italien, aber ich konnte nicht länger warten. Außerdem würde sie in einer Stunde sowieso aufstehen.
„Hallo?“, meldete sich eine verschlafene Stimme.
„Hallo. Hier spricht Anke, aus Kalifornien. Tut mir leid, dich zu wecken, aber wir haben da ein kleines Problem.“
„Hast du etwa die Box aufgemacht?“
„Erst, nachdem ich seit mehreren Tagen nur noch deine Geschichten und Ideen im Kopf habe und ich nachts von deinem Roman träume. Und jetzt ist Zenzi am Ausrasten, weil er erkannt hat, dass er nicht dich sondern mich tyrannisiert, oder, wie er es nennt, unterstützt.“
„Mensch, Anke, das tut mir wirklich leid. Er hat mich so gequält, dass ich kein Wort mehr schreiben konnte. Da kam ich auf die Idee, ihn einfach so weit wie möglich weg zu schicken. Ich dachte allerdings, dass er nur mir etwas anhaben kann.“
„Wenn du magst, kann ich die kleine Nervensäge gerne für dich ertränken. Wir haben hier einen See quasi direkt vor der Haustür.“
„Nein, wenn das eine Möglichkeit wäre, dann hätte ich es längst selbst gemacht. So nervig Zenzi während des Schreibens ist, fürs Überarbeiten brauche ich ihn. Schick ihn mir am besten einfach wieder zurück. Aber per Schiff anstatt per Luftpost. Bis er wieder hier ist, müsste ich mit der ersten Fassung fertig sein und kann mich dann mit ihm zusammen ans Überarbeiten machen.“
„Okay, ich bringe ihn gleich zur Post. Gut, dass die gerade verlängerte Schalterstunden eingeführt haben.“
„Vielen Dank! Ich hoffe, er hat dich nicht zu sehr gequält. Das tut mir alles furchtbar leid.“
„Kein Problem. Aber wenn du mir das nächste Mal ein Paket schickst, dann wundere dich nicht, wenn ich die Annahme verweigere.“

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