Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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April 2005
Der Schalter
von Andreas Hagemann

Die Kraft der allmorgendlichen Müdigkeit versucht erneut meine Augenlider zu schließen. Beinahe in einen Kampf hineinschlitternd, gewinne ich die kurze Auseinandersetzung. Hier im Raum brennen nur vereinzelt Licht spendende Quellen, was dem Versuch des Wach Werdens nicht sonderlich förderlich ist. Meine Hände führen die gewohnten, immer wieder kehrenden Bewegungen aus, ohne das ich mein zur Langsamkeit verdammtes Hirn sonderlich beanspruchen muss. Diverse Stempel, Formulare und Stifte finden den Weg an die Schreibtischoberfläche. Ich werfe noch einen sortierenden Blick auf die Utensilien und beschließe mit der Arbeit zu beginnen.
Hinter dem noch geschlossenen Gitter kann ich vereinzelte Stimmen vernehmen. Noch einmal tief Luft geholt und dann wenn auch nicht von Elan beseelt, aber nicht ganz kraftlos, ziehe ich an der Strippe, um die schützende Wand vor der Meute zu entfernen. Die Wartenden drehen sich mir zu und kaum das der erste Sichtkontakt aufgebaut ist, erscheint der erste Kunde. Eine ältere Dame, gekleidet in einer aschgrauen Faltenrock-Jacken-Kombination, ihr Kopf eingehüllt in einen Rot hervorstechenden, überdimensionalen Hut.
Trotz der unmenschlichen Uhrzeit, scheint sie schon seid Stunden munter und voller Begeisterung. Sie lächelt mich an und hält mir ihr altes, völlig abgenutztes Exemplar von Lebengefährten vor die Nase.
"Guten Morgen.", hauche ich ihr die gleiche Begeisterung vortäuschend, entgegen. "Ich nehme an sie möchten ihn eintauschen?" Ein kurzes Aufleuchten in ihren Augen untermalt ihr zartes Kopfnicken. Ich greife zu meinem Formular, um nacheinander alle wichtigen Punkte abarbeiten zu können.
"Wie alt ist denn das gute Stück?" Sie überlegt.
"Ich würde sagen bald an die siebzig Jahre." Eine alte im Ansatz raue Stimme formt die Worte langsam, aber deutlich.
"Haben sie noch die Serienbezeichnung oder eine Produktbeschreibung dabei?" Mit einem leisen ‚Plock’ lehnt sie ihn an die Wand neben der Schalteröffnung und kramt in ihrer Tasche. Eine durch die Luft zusammengehaltene, völlig vergilbte Blattsammlung kommt zum Vorschein. Mein Blick fällt auf die großen schwarzen Letter ‚EM 435’. Das ist mit Abstand das älteste Modell, dass ich bisher gesehen habe, noch eines der ersten Baureihen. Ich fülle die Felder aus und komme zum Bereich der Neubestellung.
"Möchten sie das Modell nur zurückgeben oder ein neues beantragen?"
"Oh, ich möchte bitte ein völlig neues.", haucht sie nun fast Honig süß. Und da war es wieder dieses Funkeln in ihren Augen.
"Na, dann wollen wir mal." Ich hole kurz Luft um genug Reserve für die anstehenden Fragen zu haben. "Vielleicht geben sie mir kurz eine Beschreibung, dann kann ich im System nachschauen, ob wir noch welche da haben." Die Dame wühlt ein zweites Mal in ihrer Tasche und entfaltet einen Zettel, auf dem nur für sie leserlich ein paar Punkte notiert sind.
"Ein Meter achtzig groß, braunes, schulterlanges Haar, kräftig und sportlich gebaut, ausdauernd, tüchtig und wenn es geht ein bezauberndes Lächeln." Mein Stift hält die letzten Buchstaben auf meinem Blatt fest.
"Lassen sie mich einen Blick ins System werfen. Mal schauen ob wir da für sie noch einen finden." Das Tackern der Tastatur erfüllt die kurze Stille, etwas nervös tritt mein Gegenüber von einen Fuß auf den Anderen. Da erscheint es plötzlich, ein grünes Fenster mit der Bestätigung.
"Sie haben Glück es sind tatsächlich noch zwei auf Lager. Wenn sie mir die Rückgabe hier unterschreiben und den alten dort drüben abgeben, dann können sie ihn morgen schon abholen." Die ältere Dame kann sich ein freudiges Hüpfen, mit begeistertem Händeklatschen nicht verkneifen. Leuchtende Augen blicken mich an, als sie das Formular unterschrieben zurück unter der Scheibe durchschiebt.
"Dann wünsche ich ihnen viel Spaß mit dem neuen Modell."
"Danke schön.", weht es ein letztes Mal herüber, bevor sie aus meinem Blickfeld verschwindet.
Bevor der nächste Kunde auch nur die Wartelinie überschreiten kann, werden alle Figuren um mich herum verschwommen, die Konturen verlieren sich in schwarzer Dunkelheit.
Ein schrilles Klingeln läst mich aufschrecken. Vom Schlafsand noch völlig eingenommen öffne ich die Augen und blinzele in einen dunklen Raum. Ich schiebe die warme Decke beiseite und setze mich zum Kräfte sammeln auf die Bettkante. Mit den Händen streiche ich mir zwei Mal durch Gesicht, um meiner Umgebung Schärfe zu verleihen. Das Laken raschelt, als ich mich auf die rechte Pobacke drehe, um einen Blick auf meinen schlafenden Mann zu werfen.
Er hat den Kopf in den Nacken gelegt, den Mund wie ein sterbender Fisch geöffnet, die Augen fest verschlossen. Ein sachtes Schmunzeln übermannt mich und ein Gedanke durchkreist meinen Kopf ‚Als ich dich zusammengestellt habe, hab ich ganz vergessen ein Kreuz bei ‚gleich bleibende Form’ zu machen’. Ich stehe auf und betrete mich einem Lächeln das Bad.

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