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Mai 2005
Licht und Schatten
von Marcus Watolla

In der Ferne sah ich das Licht. Es war wundervoll, lockte mich mit unwiderstehlicher Versuchung an. Einer Versuchung, die stärker war, als jede andere Lockung, die ich je gekannt habe.
Die Schatten der Nacht umgaben mich.
Sie schlossen mich ein und nahmen mich auf.
Ich war zu Hause in dieser Nacht, doch wollte ich das ferne Licht so gerne kosten, in ihm eintauchen. Es mich überfluten, mich durchfluten lassen, dieses herrliche ferne Licht.
Die Nacht umgab mich mit tausend wispernden und flüsternden Stimmen. Ich hörte jede einzelne von ihnen so laut, so deutlich und klar. Ich lebte in der Nacht. Ich atmete sie, ließ sie um mich gewähren, denn ich vertraute ihr. Die Schatten umwebten mich, streichelten mich sanft und hauchten mir zu mich zu eilen.
Mich zu sputen.
Dorthin zu kommen.
In das Licht.
Ich durchflog die Nacht, ließ die tausend Schatten und Phantome an mir vorbeigleiten, angezogen von dieser herrlichen Pracht des fernen Leuchtens.
Ja, ich war zu Hause in der Dunkelheit. Lebte mein ganzes Leben in ihr, liebte sie wie einen unheimlichen Bruder, den ich doch so gut kannte. Ich kannte diesen Bruder, vermochte ihn zu spüren, ihn zu empfinden wie ein Streicheln.
Dunkelheit war ein Teil von mir, ein Teil meiner kleinen Seele, ein Element meines Seins, wurde nur überboten von dieser fernen Verführung.
Das ferne Licht.
Die Schatten blieben hinter mir zurück.
Oh, wundervolles Licht.
Deine Wärme.
Dein erhabenes Glitzern.
Wie hypnotisch flog ich darauf zu, trank schon aus der Ferne von ihm, wollte noch mehr von ihm fühlen. Goldener Lichterreigen, der Du mich hervorlockst aus meiner Nacht. Heller Schein, der du mich offenbaren läßt die Deckung und den Schutz meiner heimatlichen Schatten.
Du wundervolles Licht.
Näher und näher komme ich dir, süchtig nach dir, unersättlich in dem Wunsch, dir nahe zu sein und dich aufzunehmen in mich. Ich kann dich gar nicht nahe genug haben, will mich an dir laben, mich in dir ergehen. Du versprichst mir Wärme und Nähe, Trost und Nahrung.
Meine Fühler empfangen dich.
Ich flattere auf zu dir.
Bin dir schon ganz nahe.
Strecke meine acht Glieder zu dir aus.
Mein schwarzer Flaum glänzt in deinem Leuchten.
Ich bin ein Schmetterling der Nacht.
Du herrliches Licht. Du bist das letzte was ich sehe. Das letzte was mich fasziniert. Du bist meine letzte Lockung.
So warm.
So heiß.
Du lockende Kerzenflamme.
Ich verbrenne in dir.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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