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Juni 2005
Neue Chancen durch die Ich-AG
von Stefan Preck

Irgendwo ist ja in unserem Land eigentlich immer gerade Wahlkampf. Wenn du da ´n bisschen flexibel bist, kannst du von einem Wahlkampf in den nächsten umziehen. Als Arbeitsloser zum Beispiel musst du ohnehin mobil sein, wenn du noch was kriegen willst. Da kannst du dich auch gleich über die nationalen Wahltermine informieren und deinen Wohnsitz turnusgemäß ummelden, um überall mitwählen zu können. Machst du einfach ´ne Ich-AG auf und wirst Berufswähler.

Damit der Job was bringt, musst du natürlich Verträge mit einer Partei schließen. So was ist ja heute nicht mehr anrüchig. Wer es geschickt anstellt, kann das auch mit mehreren Parteien machen. Musst du ja nicht erzählen. Im Laufe der Zeit kannst du dann den totalen Durchblick bekommen über die Wahlkampfprogramme und wie das alles läuft. In und auswendig. Du kennst deren leere Versprechen und leere Gesichter. Und eines Morgens kuckst du in den Spiegel und entdeckst dieses verbindliche Lächeln auch auf deinem Gesicht – genau wie auf den Plakaten. Dann weißt du, dass du es geschafft hast. Der Sprung in irgendein Abgeordnetenhaus ist nur noch eine Frage der Zeit.

Irgendwelche Vorbildung brauchst du dafür ja nicht, dass ist ja das Gute daran. Politiker kann wirklich jeder werden, selbst ohne Schulabschluss. Keine Einstellungsgespräche, keine Tests, keine Prüfungen, keine Zeugnisse. Nur ´ne Krawatte musst du dir kaufen. Und als Abgeordneter wird das ja nicht anders. Du musst dir ´nen Aktenvernichter für das ganze vertrauliche Papier zulegen und deine Spesenabrechnung sachlich richtig ausfüllen können. Aber das war´s.

Achte doch im Fernsehen mal auf die ganzen leeren Reihen hinten. Welcher Job bietet dir sonst einen Arbeitsplatz so völlig ohne Anwesenheitspflicht? Die paar anwesenden Typen in den letzten Reihen kennt sowieso kein Mensch. Und die brauchen während ihrer ganzen Legislaturperiode nicht ein einziges Mal den Mund aufzumachen, außer zum Gähnen. Und wenn du dich im Parlament da mal aus optischen Gründen hinsetzt, kannst du da hinten in aller Ruhe deine Spesenabrechnung machen.

Wenn du Glück hast, springt vielleicht irgendwann noch ´n kleiner Managerposten in der Industrie als Nebenjob raus, du kannst dann selbst Arbeiter entlassen und dir ein kleines Zubrot verdienen. Das musst du zwar versteuern, aber das ist auch alles immer ein bisschen eine Frage der Gestaltung. Wer in unserem Land wirklich was erreichen will, schafft das auch. Insofern kann so eine Ich-AG wirklich für Langzeitarbeitlose zu einer zweiten Chance werden.

Natürlich musst du von Anfang an auch an deine Zukunft denken. Wenn du dich unauffällig auf den hinteren Bänken bewegst – oder besser nicht bewegst - kann eigentlich so viel nicht geschehen. Es soll ja schon mal passiert sein, dass so ein Abgeordneter für seine aufopferungsvolle physische Präsenz während einer total langweiligen Debatte geehrt werden sollte, und dabei haben die festgestellt, dass er schon seit zwei Wochen tot war und deshalb nicht mehr nach Haus konnte. Da siehst du mal, wie gut der sich im Griff hatte. Selbst als Leiche hat er ´nen interessierten Eindruck gemacht und ist nicht wankelmütig geworden oder umgekippt. Solche unbestechlichen Volksvertreter mit Rückgrat brauchen wir.

Fängst du aber an, dich zu exponieren und Ämter zu übernehmen, reduzierst du damit ganz schnell dein Verfalldatum. Denn dann gerät man ganz schnell in die Lage, den Leuten auf den Geist zu gehen. Nicht nur dem Wähler, sondern auch den Freunden in der eigenen Partei. Eh du dich versiehst, musst du für irgendwas die volle Verantwortung übernehmen und bei großzügiger Abfindung zurücktreten. Für diesen Fall musst du rechtzeitig vorsorgen, denn sonst stehst du unerwartet mit dem Haufen Kohle da und hast ein Anlageproblem und den Zinsverlust. Da ärgerst du dich schon drüber. Aber das muss nicht sein.

Anbieten tun sich für den Zeitraum nach Ende der politischen Karriere sinnvolle Feizeitbeschäftigungen wie Aufsichtsratposten, Beraterverträge und Gutachtertätigkeit. Du glaubst ja nicht, was in der Wirtschaft für Mangelware an guten politischen Beratern besteht. Dabei ist es völlig wurscht, was du in deiner Zeit als Abgeordneter für´n Mist gemacht hast. Hauptsache so ´n Konzern hat jemanden aus der Politik im eigenen Stall und damit ´n bisschen Gewicht in der Interessensvertretung.

Die hätten selbst den Toten noch genommen, wenn das Finanzamt nicht dann doch misstrauisch geworden wäre. Seine Frau jedenfalls hätte nichts dagegen gehabt.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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