Das alte Buch Mamsell
Das alte Buch Mamsell
Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
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August 2005
Das verflixte siebte Jahr
von Sabine Brandl

Das verflixte siebte Jahr bringt Unglück ... Das hatte Egon immer gesagt. Scheinbar hatte er nicht recht behalten. Mehr als 10 Jahre war er mit Hilde verheiratet gewesen. Ihre Zweisamkeit war stets harmonisch und friedlich verlaufen. Auch das siebte Ehejahr war ohne Dramen an ihnen vorübergezogen. Nun war Egon Baumann tot. Heute war sein Todestag. Es war genau sieben Jahre her, dass er verstarb ...

Hilde Baumann fühlte sich den ganzen Tag unwohl und nervös. Da sie nicht abergläubisch war, schob sie es auf ihre Wechseljahre und die Hitze. Schließlich war sie 49 Jahre alt und es war mitten im Hochsommer. Gegen halb 10 wurde es langsam dunkel und die Schwüle ließ nach. Endlich nahte die Nacht. Hilde war die Dunkelheit meist lieber als der grelle Tag. Sie aß in der Küche zu Abend. Es gab zwei lieblos belegte Scheiben Wurstbrot und ein Glas Milch. Für sich allein wollte sie kaum mehr kochen. Nach der Brotzeit spülte sie ab und setzte sich im Wohnzimmer auf die Couch. Sie legte ihre müden Beine hoch und machte den Fernseher an. Träge blickte sie auf die bunten Bilder und zappte von einem Programm ins andere.
Auf dem TV-Gerät stand ein Bild von ihrem Mann. Lebensfroh strahlend, mit seiner karierten Mütze schräg auf dem Kopf. Seine blauen Augen blickten heiter und warm. Ihr kam es vor, als wäre es erst gestern gewesen. Sie sah Egon noch immer neben ihr sitzen, sie liebevoll ansehen, ihr das Knie tätscheln und mit ihr reden. Waren das wirklich sieben Jahre???!! Kaum zu glauben. Oh Gott, sie war schon wieder so allein!!!!
Hilde war mit ihren Gedanken ganz bei Egon, als irgendein Krimi vor ihr vorbeizog. Danach kam ein Horrorfilm. Es war kurz vor Mitternacht. Hilde saß noch immer statisch da und ihre Gedanken schwebten meist in der Vergangenheit. Gegen halb 1 wurde sie müde. An sich war es jetzt Zeit fürs Bett. Doch der Film begann allmählich, interessant zu werden ... Er war ungewohnt unheimlich und fesselnd. Es ging darin um eine Frau, die allein in ihrem Haus gefangen war, in dem ein Untoter herumspukte. Die Kameraführung war exzellent. Hilde begann sich immer stärker zu gruseln. Kurz nach 1 schaltete sie den Fernseher ab. Der Film war allzu schaurig und ihr Körper verlangte nach Schlaf. Außerdem war es kein guter Tag gewesen und sie wollte ihn endlich beenden.
So ging Hilde ins Bad, um sich bettfertig zu machen. Die Müdigkeit und die Nachwirkungen des Films machten sie etwas schreckhaft. Sie musterte den Duschvorhang, als befürchtete sie, die Falten könnten sich bewegen. Jeder Schatten erschien ihr unheimlich. Noch schlimmer war es, als sie am Waschbecken stand und sich die Zähne putzte ... Würde im Spiegelbild plötzlich eine Gestalt hinter ihr auftauchen?
„Jesus Maria!", murmelte Hilde und zwang sich zur Vernunft. Sie war doch kein schreckhafter Teenager mehr! Sonst brachten sie derlei Filme nie aus dem Konzept! Das war doch lächerlich! Dennoch konnte Hilde ihr Herz nicht zur Ruhe zwingen. Sie spürte, wie ihre Schläfen aufgeregt pulsierten. Vorsichtshalber nahm Hilde eine Schlaftablette, bevor sie sich ins Bett legte ... Alles, was sie jetzt brauchte, war ein schneller, tiefer Schlaf!
Hilde lag da und ihre Gedanken kreisten. Heute vor genau sieben Jahren war Egon im Bett gestorben. Er war einfach eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Herzinfarkt. Hilde hatte nichts bemerkt. Erst am nächsten Morgen, als sie die Augen aufgetan und in das starre, angstverzerrte Gesicht ihres Mannes geblickt hatte, war es ihr klar geworden. Noch heute sah sie oft dieses Bild vor sich:
Egons Hände auf der linken Brust verschränkt ... seine Augen geweitet und die Lippen bläulich verfärbt. Oh Gott, was hatte Hilde damals für einen Schock bekommen!!
Aber das war ja nun doch schon Jahre her. Sieben, um genau zu sein. Mist! Was machte sie nur für ein Getue aus diesem verflixten siebten Jahr??! Als Egon noch lebte, hatte sie immer darüber gelacht.
„So ein Quatsch!“, hatte sie gesagt. „Du glaubst doch sonst nicht an Märchen! Was kann ich dafür, dass sich deine Eltern nach 7 Jahren Ehe scheiden haben lassen! Und was soll´s, dass deine Mutter 7 Jahre später verstorben ist? Purer Zufall ist das, sonst nichts!“
Doch Egon, der ansonsten ein überzeugter Realist gewesen war, hatte weiter seine Bedenken vor diesem verflixten siebten Jahr verteidigt.
„Du wirst schon sehen", hatte er oft gesagt. „Das war kein Zufall. Ich habe viel darüber gelesen. Es gibt das verflixte siebte Jahr. Wenn nicht in der Ehe, dann oft nach dem Tod. Meine Familie ist dafür sehr anfällig. Glaub mir Hilde! Du weißt doch, dass ich kein Spinner bin!"
Doch Hilde war sich diesbezüglich nie ganz so sicher gewesen. Immer wieder hatte sie Egons Thesen ins Lächerliche gezogen.

Nun lag Hilde im Bett und versuchte, an etwas Schönes zu denken. Doch es gelang ihr nicht. Sie steigerte sich zunehmends in ihre Nervosität hinein.Irgendwann glaubte sie sogar, leise Atemzüge neben sich zu hören ... Als würde neben ihr jemand schlafen. Doch da war natürlich niemand. Die andere Hälfte des Doppelbettes war leer. Alles nur Einbildung. Dummer Aberglaube!! Hilde sah auf die Uhr. Es war halb drei. Da beschloss sie, eine zweite Schlaftablette zu nehmen. Vielleicht auch ein Glas Schnaps dazu. Sie wollte diese verhexte Nacht endlich hinter sich bringen! So lieb ihr auch sonst die Dunkelheit war, so sehr sehnte sie sich jetzt die Helligkeit herbei!
Schon stand sie in der Küche, mit einer Pille in der Hand und einem Obstler in der anderen. Sie schluckte das Medikament mit Alkohol hinunter und genehmigte sich sogleich ein zweites Gläschen als Zugabe. Und in Ruhe noch ein Drittes, um auf Nummer sicher zu gehen. So, nun musste der Sandmann aber kommen!! Bevor sich Hilde hinlegte, sah sie nochmals auf den Wecker. Es war 2 Minuten nach halb drei. Komisch ... Als sie vorhin aufgestanden war, war es genau halb drei gewesen. Hatte sie innerhalb 2 Minuten eine Schlaftablette aus dem Schrank geholt, sich in die Küche gesetzt und drei Gläschen Obstler getrunken? Merkwürdig war das schon. Sie hatte vermutet, dass es nun 3 Uhr war oder wenige Minuten danach. Aber egal. Nicht mehr zu viel denken. Nun galt es zu schlafen!!
Hilde wälzte sich weiterhin im Bett hin und her. Immer wieder bildete sie sich ein, leise Atemzüge neben sich zu hören. Doch da war ja niemand! Sie sah es genau! Irgendwann stand Hilde auf und machte das Licht an. Na klar! Das Bett war leer. Nur komisch ... War da nicht der Abdruck eines Körpers auf der Decke neben ihr??
Hilde erschrak.
Da brannte plötzlich die Glühbirne durch und es war dunkel. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Ängstlich rutschte Hilde an der Tür herab und setzte sich auf den Boden. Dann sah sie erneut zum Wecker. Es war 2 Uhr 33 ...
Sollte diese Nacht ewig dauern?? Stand die Zeit bald still??
Hilde wurde zunehmends panischer. Ihr Herz trommelte unregelmäßig. Sie begann zu schwitzen. Plötzlich verspürte ein verräterisches Stechen im Brustkorb. Oh nein, nicht auch sie!! Nicht das Herz!
Hatte Egon damals recht gehabt? Um wie viel Uhr war er wohl verstorben? Wie spät mochte es gewesen sein? ... Hilfe!! Gott!!
Da erklang Egons Stimme. Direkt neben ihr.
„Es war 2 Uhr 34“, sagte er.

Da blieb Hildes Herz plötzlich stehen.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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