Honigfalter
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August 2005
Unter der Erde ist Nacht
von Heike Gellert-DiekmÀnnken

Wir schreiben das Jahr 3064.
Ich erzĂ€hle Euch von uns ErdmĂ€nnchen. Wir gehören zu der Gattung Mensch und sind Leute wie „du und ich“, damals im 20. Jahrhundert. Wir leben tief unten in der Erde. Unser Wohn- und Arbeitsort ist ein Bergwerk und wir leben unter der Erde, weil oben.....

Schon im Jahre 1996 wurde ĂŒber das „Dorf der Zwerge“ berichtet. In der chinesischen Provinz Sichuan - sie grenzt unmittelbar an das Baian-Kara-Ula-Gebirge wurden laut damaliger Zeitungsmeldung hundertzwanzig menschliche Wesen gefunden. Gefunden ist lĂ€cherlich. Sie sind bestimmt damals schon aus den Metropolen geflĂŒchtet. Der Kleinste soll 63,5 Zentimenter groß gewesen sein. Die Wissenschaftler waren sich nicht einig, ob der Zwergenwuchs durch ein Umweltgift, das hieß Quecksilber, entstanden war. Es wurde deshalb einfach ausgeschlossen, die Sache schien erledigt. Ein gewisser Hartwig H. hat im Jahre 1999 ein Buch veröffentlich, das die Menschheit wieder an den Vorfall erinnerte. Aber getan hat sich nichts. Wie immer. Ich vermute, die Zwerge waren die Schneiderinnen und Schneider, die 14 Stunden am Tage fĂŒr ganz Europa genĂ€ht haben und nur noch zum Schlafen nach Hause gegangen sind.
Das Buch heißt ĂŒbrigens „Das Jahrhundert der RĂ€tsel und PhĂ€nomene, Knaur.

Das Sonnenlicht haben wir seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen. Der GrĂ¶ĂŸte unter uns ist Pherairo, er misst 51 cm! Der Kleinste und Älteste bin ich mit ganzen 43 cm. Das liegt aber auch an meinem Alter. Ich wurde im Jahre 2042 geboren. Mitten im technischen Fortschritt. Damals haben wir noch Stein- und Braunkohle, Erze, Salze, Basalt, Bauxit, Feld- und Flussspat, Gips, Graphit, Kalkstein, Kieselerde, Sand, Quarzit, Schiefer, Schwerspat, Ton und Kaolin abgebaut. Die verschiedensten Bergwerke wurden jahrzehnt um jahrzehnt geschlossen. Zum GlĂŒck war mein, unser, also dieses Bergwerk bewohnbar.

Jetzt bin ich alt. Nun schrumpfe ich alter Mann so langsam zusammen. Das liegt wiederum am fehlenden Sonnenlicht. Die Sonne ist nicht, wie Ihr alle denkt, dem Weltall aus dem Ruder gelaufen. Sie ist schlichtweg verglĂŒht. Fast unheimlich langsam und unbemerkt.

Meine X-Ur-Großmutter Marie, das war damals in der Namensgebung der „Renner“, war ein begeisterter KrĂ€uterfan. Von ihr habe ich viel gelernt. Die hatte viele Freunde, die ich nicht mehr zĂ€hlen konnte, von denen sie wiederum viel gelernt hat. Die hießen Daniela, Petra, Frank, Michelle, Lena, Lea, Marvin, Timo, Mark, Ina, Gerda, Tim, Lea, Ann-Christin, Josefine, Johannes, Ann-Kathrin, Michaela, Joachim. Ich kriege die Namen alle gar nicht mehr auf die Reihe. Lacht nicht. Die hießen damals wirklich so. Und alle beschĂ€ftigten sich mit KrĂ€utern.
Eine Geschichte wollt Ihr hören? Ich will sie erzÀhlen:

Also; neulich, so vor 25 Jahren, bekamen wir einen Neuen in unserem Bergwerk. Wo er herkam, wird uns nicht erzĂ€hlt. Sozialgeheimnis. Ich vermute, vom Mond oder Mars war er. Dieser Neue wurde nicht akzeptiert. Der tat mir schon richtig leid. Niemand konnte ihn leiden. Der war aber auch arrogant hoch drei. Eines Tages, es war ein Mittwoch, ging er uns mal wieder fĂŒrchterlich auf den Keks. Er wusste alles besser. Er wollte uns vorschreiben, was wir essen, wie wir schlafen, welche BĂŒcher wir lesen und wie viel Kinder wir kriegen sollten. Alle waren knatschig auf ihn. Keiner redete noch ein Wort mit ihm.
Plötzlich wurde er krank. Wir riefen einen Arzt, aber der war noch viel, viel zu jung. So 300 Jahre alt schĂ€tze ich. Er konnte ihm nicht helfen. Ich ĂŒberwandt meinen inneren Schweinehund und bot meine Hilfe an.
„Wie willst Du alter Mann mir denn helfen?“ Sogar krank war er noch arrogant.
„Wenn Du meine Hilfe nicht willst“. Ich wandte mich um zum Gehen. Dem Thafalim sind zuerst die Nerven durchgegangen.
„Du eingebildete Pute“ schrie er den Neuen an. „Du lebst hier mit uns unter der Erde, weit weg vom Sonnenlicht, fern von gutem Obst und GemĂŒse. Und Du, Du....mir fehlen die Worte“!
Wir gingen weg.
„Halt, kommt zurĂŒck! Bitte helft mir. Mir geht es wirklich nicht gut.“
Die SanitĂ€ter trugen ihn in meine Höhle. ZunĂ€chst steckte ich eine Kerze an und stellte ein GefĂ€ĂŸ, gefĂŒllt mit Wasser, darauf.
„Meine X-Ur-Oma Marie hat mir von der Therapie erzĂ€hlt“ sagte ich dem Neuen. Dann gab` ich ein paar Tropfen Ă€therische Öle hinein. Ein Duft durchströmte meine Höhle.
„Was soll der Quatsch“, rief der Neue. Hast Du kein anstĂ€ndiges medizinisches GerĂ€t oder Medikamente?“
„Warte doch erst einmal ab“, knurrte Tim. „Du musst Geduld haben“.
Ich holte unterdessen meine SchĂŒppe und Hacke. Damit ging ich in Richtung Bergwerk, bog aber an einer nur bekannte Stelle rechts ab. FĂŒr das, was ich suchte, brauchte ich keine Schrammmaschinen oder Kohlehobel. Ich musste nur ein wenig Geröll beiseite schieben, denn ich hatte meine SchĂ€tze versteckt.
Irgendwie hatte ich an der falschen Stelle gegraben, jedenfalls fand ich meine Stelle nicht sofort wieder. Ah, da war sie – oder doch nicht? Was war das? Jetzt musste ich tief in meinem GedĂ€chtnis graben. War das etwa Kaolin? Das entsteht doch sonst nur im feuchtwarmen Klimabereich. Sicherlich hatten wir in den letzten Jahrzehnten mehr Regen als sonst, aber...Ich sah mir das feinerdige Tongestein nĂ€her an. TatsĂ€chlich. Es war reiner Kaolin. Das gab es ĂŒberwiegend in China. Es wurde zur Porzellanherstellung verwandt. Und dort? War das etwa Basalt? Das Wort kam aus dem griechischen und heißt soviel wie „Probierstein“, gehört zur Gruppe dunkler Ergussgesteine tertitĂ€ren oder quartĂ€ren Alters. Hauptbestandteile sind im allgemeinen Plagioklas, Augit und Olivin. Neben der ĂŒberwiegend dichten Form kommen auch schlackige, blasige und Mandelsteinausbildungen vor. Basalt bildet Lavadecken und –ströme, Juppen, GĂ€nge, Tuffe und Aschen.

Mannomann, was konnten wir damit alles anfangen. Ich fing an zu buddeln. Aus dem Kaolin werden wir feinstes Porzellan herstellen und Geschirr fĂŒr sonntags haben. In diesem Moment hörte ich ein GerĂ€usch, ein Knarren. Hier stimmte etwas nicht, Na, so wichtig war das Gestein jetzt auch nicht mehr, nicht wichtig genug. Wichtiger erschien mir plötzlich, meinen Schatz zu retten. Ich ging etwas zurĂŒck und sah meine Stelle und fand, was suchte.
Als ich auf dem Weg nach draußen war, hörte ich ein lautes Grollen. Ich ging noch einmal zurĂŒck. An der Stelle, wo mein jĂŒngster Fund lag, befand sich nunmehr nur noch Geröll, bestehend aus Schiefer und Steinkohle.

Nach einer Stunde war ich zurĂŒck. In der Hand hielt ich ein großes, braunes Glas mit Deckel.
„Was soll das denn?“ Der Neue war immer noch ungehalten. Ich antwortete nicht, sondern öffnete das Glas, entnahm` diesem ein duftendes Kraut. Dann nahm` ich von der Feuerstelle den Kessel mit heißen Wasser. Nach 10 Minuten bat ich den Neuen, die ganze Tasse auszutrinken.
„Du spinnst wohl“, schrie dieser. „Willst Du mich vergiften?“
Das war zuviel. Ich nahm ein paar KrĂ€uter, gab sie dem Neuen, der ĂŒbrigens Bernd hieß, und schickte ihn in seine Höhle zurĂŒck.
„Wasser kannst Du Dir ja wohl heißmachen. BrĂŒh` Dir den Tee auf und trinke 4 Tassen am Tag“. Dann ließen wir ihn einfach stehen.

Ihr werdet es nicht glauben. Eine Woche spĂ€ter kam unser Neuer wie frisch geboren zu mir und bat mich um Verzeihung. Er habe voreilig geurteilt und sei nun glĂŒcklich ĂŒber seine Genesung.
Ich nahm die Entschuldigung an. Dann erzĂ€hlte ich ihm, was er getrunken hat. Die KrĂ€uter hatte nĂ€mlich meine X-Ur-Oma aufbewahrt. Sie hat Tee- und KĂŒchenrezepte aufgeschrieben und mir hinterlassen.
Außerdem zeigte ich Bernd schöne, alte Bilder... von meiner X-Ur-Oma Marie und ihren Freunden. Sie stehen lachend in einem KrĂ€utergarten. Sie haben damals den Garten als Paten betreut und die Nachwelt zerrt noch heute von diesem Engagement.
Ja, ja. Das mĂŒssen schöne Zeiten gewesen sein...

Wie die KrĂ€uter hießen? Das ist mein Geheimnis.

Anmerkung: Die Geschichte um die Zwergmenschen aus China ist nicht frei erfunden.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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