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August 2005
Lieber Engel
von Michaela Röder

Lieber Engel,
auch heute schreibe ich einen Brief an dich, wie in fast jeder Nacht, seit jener Nacht.
In dieser Nacht fühlte ich mich so einsam und verlassen, so kraftlos und leer, so verängstigt und hilflos wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich weiß noch, das ich mich weinend auf mein Bett setzte und aus dem Fenster, auf den Vollmond sah. Ich wollte sprechen aber ich fand keine Worte mehr, meinen Schmerz zu beschreiben. Ich war nicht in der Lage, Schönheit und Kraft meines geliebten Vollmondes wahrzunehmen. Dieser Vollmond der mir sonst immer ein guter Helfer war, meine Gedanken und Gefühle zu sortieren, erreichte mich in dieser Nacht nicht. Ich war leer, vom Schmerz zerfressen und ich spürte, das dieser Schmerz eine lange Zeit mein treuer Begleiter sein würde. Ich erinnere mich, das ich Hunger hatte aber nicht imstande war zu essen. Ich glaube ich hatte Angst den Schmerz zu füttern, damit er nicht noch größer würde und mich zu vernichten drohte.
Später legte ich mich mit weit aufgerissenen Augen auf mein Bett und starrte an die dunkle Decke. Nichts würde mehr so sein, wie es einmal war. Gestern noch konnte ich mich beruhigt in meine Decke kuscheln und selig und zufrieden einschlafen. Heute ging das nicht mehr.
Ein Gebet sprechen, wollte ich, das weiß ich noch, um Hilfe flehen und betteln irgendjemand möge kommen, mir diese Leere zu nehmen, sie zu füllen mit Wärme und Geborgenheit.
Mir war kalt, ich fror innerlich und immer wenn ich meine Augen schließen wollte begann der Schmerz die Oberhand zu gewinnen. Er breitete sich aus wie ein eiskalter Schauer. Erinnerung der letzten Stunden kamen wie Gedankenblitze durch meinen Kopf geschossen. Das Telefonklingeln kam mir in den Sinn. Die Stimme meiner Mutter, flehend und schrill in meinem Ohr. An ihre Worte konnte ich mich nicht erinnern. Der nächste Gedankenblitz zeigte mir meinen toten Großvater auf seinem Bett. Ein Bild, das ich nie mehr vergessen würde. Ich saß erschlagen neben diesem Bett konfrontiert mit dieser gemeinen Endgültigkeit, mit dieser Unwiederbringlichkeit, konfrontiert sein mit dem Tod. Ich wollte vieles sagen aber meine Kehle war zugeschnürt. Auf einmal fielen mir Fragen ein, die ich hatte stellen wollen. Irgendwann muss der Arzt gekommen sein, der den Tod bescheinigen wollte und ich erinnere mich daran, wie sehr er mich störte in meiner Trauer. Die Bürokratie machte mich wütend, so wütend, das ich ihm, mit letzter Kraft, die Meinung sagte. Als das Martyrum endlich vorbei war, fuhr man ihn heraus. Zum letzten Mal sah ich den Mann an der mir so viel bedeutet hatte, der mich so viel lehrte, der gütig und weise war. Das war unser unwiederbringliches Good Bye.
Dieses Bild hielt mich weitere zwei Stunden fest und quälte mich. Warum nur hatte ich keinen Partner an meiner Seite, der mir Trost spendete und mich festhielt? Nein, ich war alleine, mit meinen Kindern, seit drei Jahren und noch nie hatte mir jemand an meiner Seite so gefehlt wie in dieser Nacht. Ehe mich die Erschöpfung in den Schlaf riss, bat ich nochmals um Gottes Hilfe. Ich bat darum, das jemand mir zu Seite stehen möge, der mich stützt.
In dieser Nacht kamst Du mein lieber Engel, in meinen Traum. Zuerst bemerkte ich nur deine wohltuende Wärme, dann sah ich dich in deiner gewaltigen hellen Gestalt. Eine Hand schob sich aus dem goldenen Licht, welches dich umgab, heraus und streckte sich mir entgegen.
Ich zögerte einen Moment aber dann ergriff ich deine Hand und war erstaunt, dass sie so kräftig war, obwohl sie so zart wirkte. Du führtest mich durch einen gleißenden Lichttunnel in einen Raum, dessen Wände aus goldgelben Licht zu sein schienen. In diesem Lichtraum war es warm und ich fühlte mich geborgen und willkommen. Voller Ehrfurcht trat ich einen Schritt weiter in diesen Raum und erblickte nun einen kleinen Tisch mit einer roten Samtdecke, die ungewöhnlich strahlte und glitzerte, und darauf lag ein Brief. Du nicktest mir zu und deutetest mir an, diesen Brief zu nehmen. Ungläubig sah ich dich fragend an und du nicktest noch einmal. Ich trat näher an den Tisch und ich sah um ihn herum wunderschöne Seifenblasen. Als ich noch einen Schritt näher trat, erkannte ich, das in diesen Seifenblasen etwas zu sehen war. Fasziniert von diesen Blasen vergaß ich für einen Moment ganz den Brief, denn ich wollte unbedingt wissen was in den Blasen zu sehen war. Ich strengte meine Augen an aber so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte einfach nichts erkennen. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte mich weiter anzustrengen aber es ging einfach nicht. Es war nichts zu sehen.
Ich schaute dich an und du lächeltest gütig und deutetest wieder auf den Brief. Er war ungewöhnlich groß, etwa ein Din A 4 Format, und er fühlte sich samtig weich und warm an. Der Umschlag ließ sich leicht öffnen und ein scheuer Blick auf dich, wollte fragen ob ich ihn lesen soll. Wieder nicktest du mir geduldig zu. Also nahm ich den Brief und begann zu lesen:
Dies ist ein Brief Deiner Engel an Dich. Auch wenn Du glaubst verlassen und allein zu sein, so ist dies eine Illusion deiner inneren Angst. Wir waren und sind für dich da, wann immer du uns bittest dir zu helfen. Wann immer du eine Frage hast, wende dich an uns. Wir werden da sein und dich führen.
Das Lesen strengte mich sehr an, die Schrift war sehr schwach und die Worte schienen aus Lichtstrahlen geschrieben zu sein. Ich fragte laut: „ Ich kann sehr schlecht eure Worte entziffern, woran liegt das?“ Dann las ich weiter:
Man sieht nur mit dem Herzen gut – das wesentliche ist für das Auge unsichtbar. Vertraue und dein Herz öffnet sich sogleich.
Ein Schauder lief mir über den Rücken. War das schon die Antwort auf meine Frage? Ich war so angetan, das ich wohl sofort Vertrauen gefasst haben musste, denn die Schrift verdeutlichte sich sofort. Nun wurde ich neugierig und hoffte auf weitere Antworten, jedoch ohne eine Frage zu stellen.
Dieser Brief kann der Anfang einer langen Freundschaft sein, wenn du es möchtest. Dieses für Dich schmerzliche Ereignis wird dich auf den Weg der Freude bringen. Vertraue darauf. Höre auf dein Herz und spüre uns wann immer du uns brauchst. Wir werden dir ein Zeichen zukommen lassen. Sei offen für diese Botschaften. Dein Weg wird sich ändern. Gebe uns ein Zeichen, wenn du bereit bist, diesen Weg zu beschreiten.
Du kannst deinem persönlichen Engel eine Botschaft schreiben an jedem Tag wenn dir danach beliebt. Schreibe was dich bedrückt oder beglückt. Frage deine Fragen und du wirst Antworten erhalten. Lege deinen Engelbrief an dein Bett und im Traum bringe ihn an diesen Ort. Dort wirst du deine Antwort erhalten.
Auch in der nächsten Zeit werden wir dich begleiten. Dein persönlicher Engel wird sich wandeln. Er ist immer der Engel, der dir gerade am besten helfen kann. Immer an deiner Seite sind sieben deiner persönlichen Engel. Sie werden sich dir Vorstellen wenn du danach fragst. Heute Nacht haben wir dir eine ganze Engelschar gesandt, sie wird dich begleiten bis du verstehst warum dein Engel in Menschgestalt nun wieder seine Reise angetreten hat und seine Form verändern möchte. Die Zeit in eurem Körper ist begrenzt. Diesen Körper zu verlassen bedeutet nicht, fern zu sein. Die Seele kann nicht sterben, sie überdauert Zeit und Raum in alle Ewigkeit. Erinnerungen verschwinden nicht. Sie sind leuchtende Sterne am Himmelszelt. Liebe vergeht nicht, sie ist unendlich und groß. Die Liebe trägt man bei sich für alle Zeit. Die Liebe nimmt man mit.
Damit du das in den schweren Erdenstunden der nächsten Tage nicht vergessen kannst nimm diese Worte mit:
Die Hoffnung soll mich leiten, durch die Tage ohne Dich – die Liebe soll mich tragen, wenn der Schmerz die Hoffnung bricht.


Ich flüsterte ein „Danke“ und legte den Brief wieder auf den Tisch. Ich sah dich an und seufzte wie ein kleines Mädchen was stundenlang geweint hatte. Eine Last fiel von mir, in diesem verzauberten Moment. Leicht wie eine Feder, schien ich zu sein, ich drehte mich um, um zum Ausgang zu gelangen und sah mich nach dir um, ob du mitkommst, mich nach Hause zu geleiten. Doch du bliebst an selber Stelle und ich wartete ab, du bedeutetest mir mit deiner Hand zurück zu kommen. Noch ein Brief?
Ich ging zurück, du zeigtest in Richtung des Tisches. Ich sah genauer hin und erblickte wieder die hübschen Seifenblasen. Doch diesmal erkannte ich Bilder und Personen. In einer Seifenblase war ein buntes Treiben zu sehen. Ich ging näher heran und sah mich als kleines Mädchen mit blonden Zöpfen auf einer Schaukel sitzend und singend und lachend zugleich. Ein Mann schaukelte mich an und freute sich über meine Freude. Es war mein Opa. Plötzlich spürte ich ihn. Ich sah ihn nicht, ich nahm ihn wahr, irgendwie. Er war da, so wie er immer war, stark, schützend, tröstend und liebevoll.
Dann wurde das Bild wieder undeutlich, in der Blase. Das Gefühl verschwand und du brachtest mich nach Hause in mein Bett.
Am nächsten Morgen war der Schmerz wieder da, doch ich erinnerte mich an meinen Traum und sagte mir die Worte aus meinem Engelbrief vor:
Die Hoffnung soll mich leiten, durch die Tage ohne dich – die Liebe soll mich tragen, wenn der Schmerz die Hoffnung bricht.

Meine Überlegung ob dieser realistische Traum, nun ein Traum war oder ob es wirklich Engel gibt, wurde Unterbrochen durch einen zarten Windhauch, der eine kleine weiße Feder durch das Fenster trug und mir genau vor die Füße wehte.
Erst später erfuhr ich das, es ein Zeichen der Engel ist, wenn man eine weiße Feder findet.
Die nächsten Tage erlebte ich voller Schmerz und Trauer aber war dennoch getröstet, wann immer ich meine Engelworte sprach.
Und eins glaube ich ganz fest: Die Liebe nimmt man mit.
Danke dafür mein lieber Engel.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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