Der Cousin im Souterrain
Der Cousin im Souterrain
Der nach "Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten" zweite Streich der Dortmunder Autorinnengruppe "Undpunkt".
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September 2005
Auf der Straße
von Marcus Watolla

Die Nacht war kühl und verregnet. Blitze zuckten durch die Nacht. Henry fuhr mit seinem BMW trotz der anhaltenden schlechten Wetterbedingungen schnell und rasant. Er liebte es schnell zu fahren.
Im Radio lief nichts Brauchbares. Leise murrend drehte er es ab. Das Leben als Handelsvertreter auf der Straße konnte schon langweilig sein. Er fühlte sich einsam. Sehnte sich nach Hause. Zu seiner Frau. Seinen Kindern.
Auf der Autobahn herrschte verhältnismäßig wenig Verkehr um diese Zeit. So konnte er einen schnellen Reifen riskieren.
Da. Vor ihm. Einer bremste. Abrupt. Unerwartet. Henry trat hart in die Bremsen. Das Auto schleuderte leicht. Das Heck schlingerte. Dicht an seinem Vordermann zog der schwere BMW vorbei.
Knapp. Ganz knapp.
„Blödes Arschloch!“ Henry zitterte erschrocken.
Das war wirklich knapp gewesen. Nicht auszudenken, wenn er es nicht mehr geschafft hätte auszuweichen. Bei der Geschwindigkeit...
Er kramte in seinen Taschen. „Mist. Keine Zigaretten mehr.“
An einer Raststätte hielt er an, lief durch den strömenden Regen zu dem bunt beleuchteten Restaurant. Doch er fand die Türen verschlossen vor. Ein Blick auf die Uhr verriet Henry, dass es schon Mitternacht war.
Als er zurückkehrte zu seinem Auto, nahm er die Gestalt wahr. Sie stand neben dem BMW. Schien zu warten. Auf ihn?
Argwöhnisch schloss er die Wagentür auf. Da sprach sie ihn an.
„Entschuldigung. Aber mein Wagen ist liegengeblieben. Können Sie mich ein Stück mitnehmen?“ Eine Frau. Eine junge Frau. Sehr attraktiv. Völlig durchnässt vom Regen.
Etwas rührte sich in Henry. Sie tat ihm leid. Er konnte sie ja hier nicht so stehen lassen. Mitten im Regen. Mitten in der Nacht.
„Ja“, sagte er leichthin, „o.k. Steigen Sie doch ein.“
„Melissa“, stellte sie sich ihm vor.
„Henry.“
Er fuhr los.
„Wo wollten Sie um diese Uhrzeit denn noch hin?“ fragte er.
„Zu meinem Vater. Ich wollte ihn oben besuchen.“
Er jagte auf die Überholspur, gab Gas.
„Haben Sie es eilig?“
„Nein“, antwortete Henry. „Wieso?“
„Wenn ich das so sagen darf, Sie haben einen ganz schön rasanten Fahrstil.“
„Wenn man ein solches Auto fährt, muß man es ein wenig treten. Starke Motoren lieben kein seichtes Schleichen.“
„Das kann aber ganz schön gefährlich werden.“ Sie sah ihn aus sanften Augen an. „Bei diesem Wetter...“
„Der Wagen hat ABS und einige Spielereien mehr.“ Stolz schwang in seiner Stimme mit.
„Auch wenn Sie ein guter Fahrer sind“, sie sprach mit ruhiger Stimme. Ohne Vorwurf. „Wie können Sie das von den anderen Fahrern wissen?“
„Wie meinen Sie das?“
„Ein unachtsamer Verkehrsteilnehmer kann selbst für einen erfahrenen Autofahrer zu einer Gefahr werden.“
„Machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe den Wagen voll im Griff.“
„So wie vorhin?“
Verwundert sah er sie an.
„Wie... vorhin?“
„Bevor sie auf die Raststätte gefahren sind. Als sie fast den Unfall gehabt hätten. Das meine ich.“
Erstaunt pendelte sein Blick zwischen Fahrbahn und ihr hin und her. Woher konnte sie das wissen? Sie saß doch gar nicht im Wagen?
„Woher...“, ächzt er.
„Ich würde an Ihrer Stelle jetzt etwas langsamer fahren“, antwortete sie stattdessen.
Er sah durch die regennasse Vorderscheibe. Der Scheibenwischer kämpfte einen unfairen Kampf gegen die tausend Regentropfen, die gegen das Glas prasselten. Die Scheinwerfer rissen die Autobahn aus der Umklammerung der Nacht. Die Straße vor ihnen war leer. Kein anderes Fahrzeug weit und breit.
„Woher wissen Sie das?“ setzte er fassungslos nach.
„Bitte!“ Es klang jetzt flehender. Eindringlicher. „Fahren Sie doch langsamer. Hören Sie auf mich.“
Verwirrt blickte er sie wieder an.
„Bitte!“ sagte sie wieder. In ihren Augen stand ein Flehen. Sorge. Angst.
Er bremste den Wagen langsam ab. Fuhr in eine langgestrecke Kurve. Da sah er den Schatten voraus. Stand quer über der Fahrbahn. Ein Auto. Ohne Lichter.
Hart trat er in die Bremsen.
Die Reifen quietschten. Der schwere BMW geriet ins Schleudern. Nur mit Mühe hielt ihn Henry in der Gewalt. Wurde in die Sicherheitsgurte gepresst. Er drehte sich einmal. Alles wischte vor seinen Augen umher. Leitplanke. Fahrbahn.
Quer zur Straße kam der BMW endlich zum Stehen. Erschrocken sah Henry zu dem anderen Fahrzeug. Es stand vielleicht drei Meter von ihm entfernt.
So knapp...
„Ich wäre voll `reingerauscht“, hauchte er. „Wenn Sie nicht...“
Er beendete den Satz nicht.
Melissa saß nicht mehr auf dem Platz neben ihm.
Der Regen klopfte einen leisen Takt auf die Scheiben.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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