'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
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Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespürt.
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September 2005
Nix und aber nix
von Marlene Geselle

„Was darf ich Ihnen bringen?“
„Ich nehme ein helles Hefe“, bestellte Stefan.
„Für mich ein Pils, bitte“, Lothar lehnte sich zurück. „Also, was hältst du davon ...“
Der Angesprochene ließ seine Blicke über den Rathausplatz schweifen, wandte seine Aufmerksamkeit dem ‚Stadt-Magazin’ zu, das aufgeschlagen auf dem Caféhaustisch lag. Mit der Rechten tippte er auf den kleinen, an den rechten unteren Rand der Seite verbannten Artikel.
„Weißt doch, was ich von solchen Geschichten halte, nix, nix und nochmal nix. Glaubt der Bürgermeister allen Ernstes, er kommt damit durch?“
„Du kennst meine Meinung“, antwortete Lothar. „Hier geht es doch nicht nur um die paar Nachhilfestunden für die Kids aus der Hochberg-Siedlung, die im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße hocken, weil sie auf der Straße hocken. Die Leute verlangen von Jahr zu Jahr mehr von der Stadt; aber keiner will für die Kosten aufkommen. Bleibt die Stadt als logische Folge davon auf den Grundstücken im Industriegebiet sitzen, weil es keine brauchbaren jungen Leute gibt – wer hat dann die Schuld?“
Die Kellnerin stellte die Gläser auf den Tisch, beugte sich dabei tief runter. Die Männer genossen den Anblick, besonders als die junge Frau mit gut einstudiertem Hüftschwung zurück ins Café schlenderte.
„Und wer soll deiner Meinung nach die Arbeit tun? Welcher arbeitslose Junglehrer ist denn so blöd, für nen lumpigen Euro die Stunde exakt die Arbeit zu tun, für die seine Kollegen ein schönes fettes Beamtengehalt kassieren. Der Ärger ist doch jetzt schon vorprogrammiert.“
„In anderen Gemeinden hat man bereits gute Erfahrungen mit den freiwilligen Helferinnen gemacht. Und seitens des Oberschulamts gibt es auch keine Einwände. Ich sehe wirklich nicht ein, uns da unnötige Kosten aufzuhalsen. Gedankt wird es einem eh nicht.“
„Und an wen habt Ihr Damen und Herren vom Stadtrat da gedacht? Doch nicht etwa an die Trullen von der Kirchengemeinde? – Bruderherz! Sag, dass das nicht stimmt.“
Lothars Gesicht sagte mehr als tausend Worte.
„Die armen Kinder!“
„Wem’s nicht passt, der kann ja gucken, wo er mit seinen Sprösslingen bleibt“, antwortete Lothar unwirsch. „Haben Stella und ich auch gemusst. Uns hat keiner die Kids zum Nulltarif gesittet. Wir mussten jede einzelne Nachhilfestunde mit barem Geld bezahlen.“ Ihm waren schon die ewigen Debatten in den Ratssitzungen zuwider, privat mochte er mit der Sache so wenig wie möglich zu tun haben.
„Das kann leicht einer sagen, dessen Jüngster im nächsten Jahr Abi macht. Meine Kurzen müssen noch ein paar Jährchen“, maulte Stefan. „Und wo soll das Trauerspiel eigentlich stattfinden?“
„Rate mal, Kleiner“, grinste der Ältere.
„Im alten Jugendheim?“
„Stimmt.“
„Und du hast so rein gar nichts damit zu tun? Und dein Spezi kriegt auch keinen Auftrag für Abriss und Neubau?“
„Die Auftragsvergabe wird völlig korrekt erfolgen, das weißt du ganz genau. Ist schließlich im Interesse aller, wenn wir auch was von den Fördermitteln des Landes abkriegen. So bleibt das Geld wenigstens in der Stadt.“ Lothar zerpflückte den Bierdeckel. Sein Bruder deutete das Zeichen richtig. Alles wie gehabt. Weitere Fragen zwecklos, mochte den Bruder nicht weiter nerven.
„Einen Vorteil hat das Ganze“, sinnierte der Jüngere grinsend. „Wenn ich meinem Erstgeborenen verklickere, dass er zur ollen Meyerjahn muss, wenn er weiterhin so nen Mist in der Schule verzapft, dann lernt der Bengel glatt freiwillig.“
Schallendes Lachen war die Antwort: „Der arme Junge! Du erspresst die Kinder, aber ich bin der Familienbuhmann!“
Von der Rathausuhr schlug es sechs. Zeit, den Nachwuchs vom Feuerwehrnachmittag abzuholen. Lothar schaute sich nach der Serviererin um, gab der Frau ein Zeichen.
„Können wir bitte zahlen?“
Auch sein Bruder hatte es eilig; dicke Wolken zogen auf. Vor dem Regen wollten alle daheim sein.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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