Ganz schön bissig ...
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September 2005
Mögen Sie Fisch?
von Linde Felber

Elke hatte den Fisch vergessen. Und Lukas wünschte sich an seinem Geburtstag ‚Goldbrasse nach Bäckerinnenart’.
’Mein Gott, gleich siebzehn Uhr.’ Sie erschrak. War sie doch nur um einige, wenn auch geniale Pinselstriche bei ihrem Bild weiter gekommen! Es war eine Sucht. Wann immer sich die Gelegenheit bot, zog sie sich in die Ecke des Wohnzimmers, die sie liebevoll Atelier nannte, zurück. Und stand sie vor der Staffelei und begann zu malen, versank sie in einer Welt der Farben und Sinne. Träume gaukelten durch ihren Kopf, jegliches Zeitgefühl kam ihr abhanden.
Kurz überlegte Elke etwas anderes zu kochen, eben so schnell verwarf sie diesen Gedanken. Sie hatte in letzter Zeit öfters Lukas Wünsche vergessen und gerade heute durfte ihr das nicht passieren. Sie musste in die Stadt fahren.

Die Straße führte in Serpentinen bergab. Vorbei an der kleinen Kapelle, den mächtigen Kastanienbäumen, den Maisfeldern. Und über allem das warme Licht der Abendsonne. ‚Was für ein Bild!’ Elke schloss für den Bruchteil von Sekunden die Augen. Dadurch hatte sie den Blick in den Verkehrsspiegel verpasst. Als der große Bus sein Vorderteil um die Kurve schob, war es zu spät. Elke bremste und riss das Lenkrad nach rechts um nicht gerammt zu werden. Der Wagen rumpelte gegen den hohen Randstein, ein schleifendes Geräusch übertönte das Radio.
„Nicht das auch noch!“, rief sie und brachte das Auto zum Stehen. Ihre Knie zitterten, als sie ausstieg, um sich den Schaden anzuschauen. Die Alufelge war von Kratzern und Schleifspuren durchzogen, im Reifen klaffte ein Dreieck. Der Bus war über alle Berge. Elke erinnerte sich weder an Farbe oder Aufschrift, geschweige denn an das Kennzeichen. Sie trat gegen den Reifen und heulte beinahe vor Wut.

„Den können Sie vergessen“, diagnostizierte der Mechaniker der nächsten Autowerkstätte. „Ein Glück, dass Sie es bis zu uns geschafft haben!“ Als der neue Reifen montiert war, hatten alle Geschäfte geschlossen.
’Der Fisch ist im Eimer’, stellte sie resigniert fest ‚und ein Geschenk habe ich auch nicht. Als Ersatz könnte ich Lukas die Rechnung der Autowerkstätte präsentieren. Schön verpackt und mit Schleife!’

Lukas hatte einen verkorksten Tag hinter sich. Gleich am Morgen war er vom Chef wegen einer Lappalie zurechtgewiesen worden, dann der Ärger mit einem Kollegen. Ein Tag, den er so schnell wie möglich vergessen wollte.
Endlich saß er in seinem Volvo. Leise surrte die Klimaanlage. Aus dem Radio tönte: ‚I bruise easily’. In einer Stunde würde er daheim beim Abendessen sitzen. Er lockerte die Krawatte, freute sich auf die Goldbrasse nach Bäckerinnenart.

Kurz vor der Autobahnausfahrt bemerkte Lukas am Pannenstreifen ein Fahrzeug. Aus der Motorhaube quoll Rauch. Eine weibliche Person winkte heftig. Lukas schaltete die Warnblinkanlage ein, parkte sein Auto und lief zur Frau. Die war in Tränen aufgelöst. „Meine Papiere, wichtige Verträge, im Handschuhfach, in der Handtasche … „
Er riss die Autotür auf, durchsuchte die Fächer und holte blitzschnell alles was ihm wichtig vorkam heraus. Dann langte er noch in den Kofferraum nach dem Gepäck. Etwas außer Atem stellte er als letztes ihre Kühltasche neben seinem Auto ab.
„Wir müssen die Polizei verständigen.“
„Habe ich schon gemacht, hoffentlich kommen sie bald“, jammerte die Fremde, als eine Stichflamme aus dem Motorraum schoss und das ganze Auto erfasste. Lukas riss die Frau zur Seite.
Unmittelbar darauf ertönten die Sirenen der Polizei und Feuerwehr.
Nach Austausch der Formalitäten wäre die Angelegenheit für Lukas erledigt gewesen. Er wollte schon in seinen Wagen steigen, als ihm die Frau Leid tat. Ihr Auto war ausgebrannt und ihr Mann konnte sie erst am nächsten Tag abholen. Sie stammten aus der Toskana. Das hatte Lukas ihrem in Italienisch geführten Telefongespräch entnommen.
„Kommen Sie mit nach Hause. Meine Frau hat bestimmt nichts dagegen.“
Die Fremde zögerte zuerst, dann nickte sie und nahm dankend an.
Lukas musterte sie von der Seite.
„Wie kommt es, dass Sie so gut Deutsch sprechen?“
„Oh, ich stamme aus Deutschland. Mein Mann ist Italiener.“
Lukas Magen knurrte.
„Mögen Sie Fisch?“
„Bitte?“, Sie schaute ihn an, als ob er von allen guten Geistern verlassen wäre.
„Bei uns daheim gibt es heute Fisch.“
„Ja, ja, natürlich. Ich liebe Fisch.“ Übrigens, Sie können Chiara zu mir sagen.“
Lukas fuhr in die Garage. „Nanu, Elke ist noch nicht da?“ Als er auf ihrem Handy anrief, sagte sie: „Bin schon unterwegs.“
„Ja, aber das Essen“, warf Lukas ein.
„Alles vorbereitet, im Kühlschrank. Bis später.“
Lukas wollte noch etwas einwenden, doch Elke hatte bereits aufgelegt.

„Ärger?“, fragte Chiara?“
„Wie man’s nimmt. Ja, ich habe gehofft, wir könnten gleich essen, nun liegt der Fisch im Kühlschrank und Elke ist noch nicht da. Wer weiß wann sie kommt.“
“Wenn Sie erlauben, könnte ich die Zeit nützen und den Fisch zubereiten. Ich koche ausgezeichnet. Sie können mir glauben.“
„Meinetwegen“, brummte Lukas. „Dann mache ich mich frisch. Ich bin im ersten Stock. Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie.“

Chiara fand im Kühlschrank keinen Fisch. Sie überlegte, dann fiel ihr die Kühltasche mit den Goldbrassen ein. Der Mann ihrer Freundin, die sie in Deutschland besucht hatte, war Angler und drängte sie ihr auf. Eigentlich wollte sie die Fische gar nicht mitnehmen, doch die Überredungskunst der beiden hatte gesiegt. Nun war sie froh darüber. Die Zubereitung des Essens würde auch für einige Zeit ihre trüben Gedanken vertreiben.

Als Elke und Lukas fast zum selben Zeitpunkt in die Küche traten, stieg ihnen der Duft eines köstlichen Fischgerichtes in die Nase.
„Was ist hier los?“, Elke schaute fragend zu Lukas und musterte dann Chiara.
Lukas erzählte vom Unfall.
“Sie kann doch bei uns im Gästezimmer übernachten, meinst du nicht auch?“
„Klar“, sagte Elke.
„Ich hab mich inzwischen nützlich gemacht und die Goldbrassen zubereitet. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen?“ Chiara suchte Blickkontakt mit Elke.
„Die Goldbrassen?“, stotterte Elke und wusste plötzlich was sie die ganze Zeit so irritiert hatte.
„Ich habe Chiara erlaubt, dass sie den Fisch aus dem Kühlschrank nimmt.“, sagte Lukas. „Du bist doch nicht böse, oder?“
Chiara erfasste blitzschnell die Situation. Sie hatte die Staffelei gesehen und die noch nicht getrockneten Farben. Sie zwinkerte Elke zu und die nahm dankbar an.
„Mein lieber Lukas, wie könnte ich dir böse sein, noch dazu an deinem Geburtstag.“

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