Sexlibris
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Wo ist die Grenze zwischen Pornografie und Erotik? Die 30 scharfen Geschichten in diesem Buch wandeln auf dem schmalen Grat.
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Oktober 2005
Ein Freund zum Reden
von Linde Felber

Blut tropfte von Lenas Knien und färbte das dürre Gras. Sie war von der Schaukel gefallen, presste die Hände vor den Mund. Sie wollte nicht schreien. Niemals so schrill wie Mutter. Niemals so laut wie Vater. Ständig schrieen sie sich an. Dabei wurde Geschirr zerbrochen und Türen zugeschlagen. Das Schweigen, das solchen Auftritten folgte, steigerte Lenas Angst ins Unerträgliche. Deshalb war sie in den dunklen Garten geflüchtet; nur mit dem Nachthemd bekleidet.

‚Wenn Leute sich scheiden lassen, pflanzen sie keine Balkonblumen.’ Dieser Spruch hatte sie den ganzen Sommer über verfolgt. Rundum hingen die schönsten Blumen, nur bei ihrem Elternhaus herrschte gähnende Leere. Welche Erleichterung war es für sie, als auch die Anderen kurz vor Allerheiligen ihre Blumen entfernten.

Lena kauerte auf der Wiese und spürte, wie die Kälte durch ihren Körper kroch. ‚Wenn ich nur mit jemandem reden könnte’, dachte sie.
Warmer Atem streifte ihren Nacken. Sie drehte sich um. Ein Schäferhund stand vor ihr. Im Schein der Laterne leuchtete sein goldbraunes, dichtes Fell und seine schwarze Schnauze glänzte. „Hallo“, sagte sie. Der Hund neigte den Kopf zu ihr hinunter und leckte mit seiner rauen Zunge über ihre Wange. „Nicht doch!“ Lena lachte, schlang die Arme um seinen Hals und presste ihre Nase in sein Fell. Er roch ein bisschen nach Vanille, ein bisschen nach Zimt und nach viel Wärme.
“Bist du etwa Rex vom Fernsehen? Du schaust genau so aus.“ Lena stellte sich neben den Hund. „ Wie oft habe ich mir gewünscht, du wärst bei mir. Dann hätte ich einen Freund, dem ich alles sagen könnte. Nun bist du wirklich gekommen, du lieber Hund! Wenn ich dich bloß behalten dürfte!“
Lena seufzte. „Meine Eltern erlauben es nicht. Sie mögen keine Hunde, besonders Mama, sie sagt wegen der vielen Haare, der Bazillen und so .... „
Abrupt wurde die TerrassentĂĽr aufgerissen.
„Lena, bist du da draußen?“
Lena erschrak und deutete auf den Hund:
„Schau mal, Mama!“
Mutters Blick fiel auf Lenas Knie:
“Du blutest ja. Bist du von der Schaukel gefallen?“ Die Mutter tupfte das Blut mit einem Taschentuch ab und drängte sie ins Haus.
„Pass auf, Mama!“ Lena bekam Angst, Mama könnte den Hund in der Tür einklemmen.
“Ich pass ja auf, Lena, tut es sehr weh?“, fragte ihre Mutter besorgt und rief nach dem Vater, der im Keller an seiner Eisenbahn bastelte. Und weil er nicht sofort antwortete, bekam ihre Stimme wieder den schrillen Ton.
Laut und ärgerlich ertönte es von unten:
„Was ist denn schon wieder? Hat man denn nie seine Ruhe!“
Mutter trommelte mit den Fingernägeln auf der Anrichte.
„Frag nicht so viel und komm! Lena blutet!“
„Ist doch nicht so schlimm, Mama.“
Dann standen sie einander gegenüber: Frau ‚Schrill’ und Herr ‚Laut und Ärgerlich’. Sie blitzten sich zornig an und ihre Gesichter konnten es nicht verbergen: sie waren einander so überdrüssig.
Schulter zuckend wandte sich Lena dem Hund zu. Seine bernsteinfarbenen Augen folgten aufmerksam ihren Bewegungen. Er gab ihr die Pfote, als wollte er sie auffordern zu erzählen, und sie vertraute ihm ihre Sorgen an: „Weißt du, meine Eltern streiten jeden Tag. Papa kann Mama nichts recht machen. Alles, was er tut, macht man anders, sagt sie. Und dann ist Papa beleidigt und sagt, dass sie wie Oma wird. Das mag Mama gar nicht hören. Sie streiten und schreien und am Schluss reden sie nicht mehr miteinander. In der Nacht wache ich auf, weil ich Angst habe, dass einer weggeht und nicht mehr zurückkommt. Weißt du“, Lena streichelte den Hund, „ich wünsche mir, dass sie sich wieder lieb haben wie früher.“ Ihre Augen glänzten feucht. Sie schniefte. „Willst du mein Freund sein?“

Die Eltern standen betreten daneben. Sie wirkten wie große, hölzerne Puppen mit starren Gesichtern. Erst als Lena fragte, ob sie Rex behalten dürfe, kam wieder Leben in sie.
„Welchen Rex und was soll das überhaupt?“, stieß ihre Mutter hervor.“
Vater bückte sich zu Lena hinunter und fragte: „Wo ist denn nun dein Rex?“
“Hier.“ Lena zeigte auf den Hund.
„Darf ich ihn streicheln?“, fragte Vater und Mutter zischte: „Mach dich nicht lächerlich! In unserem Haus gibt es keine Hunde, schon gar keine unsichtbaren.“
Lena schaute ihre Mutter mit weit aufgerissenen Augen an, dann stieĂź sie einen Freudenschrei aus.
Die Eltern verstummten, in ihren Blicken spiegelte sich Hilflosigkeit. Sie befĂĽhlten Lenas heiĂźe Stirn und strichen ihre widerspenstigen Locken aus dem Gesicht. Dann telefonierten sie nach einem Arzt, der das Kind untersuchen sollte.
Sie brachten Lena ins Bett und setzten sich zu ihr. Sie hielten ihre Hände, und es fiel kein böses Wort, auch nicht als Vater ein Kissen auf den Boden legte und verschämt sagte: „Für Rex!“

Und der Hund saĂź neben dem Bett und zwinkerte Lena zu.

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