Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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Oktober 2005
Hinter vorgehaltener Hand
von Dagmar Hospes

Traurig sah ich Martin an. Nun war es geschehen. Er hatte es nie gewollt, dass Vater es erfuhr.
Vater würde kein Verständnis dafür haben. Er würde im Erdboden versinken, genauso wie Martin in diesem Moment, da waren sie sich doch sehr ähnlich.
Etliche Kollegen hatten auf der Betriebsfeier in der Firma unseres Vaters, dumme Bemerkungen gemacht. Zu später Stunde hatte man bereits zu viel getrunken.

Ich bin Martins große Schwester Julia und natürlich seine engste Vertraute, dass war schon immer so. Damals war ich diejenige, die zuerst erfuhr, dass Martin schwul war. Er war gerade sechzehn, als er seinen ersten Freund hatte. Viel zu schnell zog er von zu hause aus. Er sah keine andere Möglichkeit. Wenn er unsere Eltern nicht todunglücklich machen wollte, musste er gehen. Immer wieder fragten mich die Eltern nach einer Freundin.
Mutter ließ einfach nicht locker, bis ich sie schließlich einweihte.
Martin war stinksauer, aber auch ich konnte nicht immer nur für ihn lügen. Ich musste sein Geheimnis mit Mutter teilen, wenn er schon nicht wollte, dass Vater es erfuhr.
Vater hatte sich wie auf jeder Betriebsfeier in sein Büro zurückgezogen. Dort legte er dann die Beine auf den alten Eichenschreibtisch und griff nach seiner Zigarre.
Helga, seine Sekretärin brachte ihn seinen Cognac. Den Rest der Firma ließ er feiern.
Ausgerechnet heute verließ er im falschen Augenblick sein Büro, um sich doch einmal unter seine Angestellten zu mischen.
Martin war bei den Kollegen beliebt, aber leider wurden Betriebsfeiern immer schnell dazu benutzt, um auf Kosten andere Späße zu machen. Zu später Stunde ging es lauter und wesentlich aufgelockerte zu. Auf meinen Vater hatte niemand geachtet.
Warum auch, er war ja sonst auch nur hinter seiner Glasscheibe zu sehen.
Als er nun den Saal betrat, fingen einige Kollegen hinter vorgehaltener Hand an zu tuscheln. Trotzdem hatte er mitbekommen, dass es dabei um Martin ging und er konnte sich auch denken, worum es sich dabei handelte. Er war schon seit längerem über Martin aufgeklärt, da hatte man schon für gesorgt.
Vater sah ihn mit großen traurigen Augen an. Schweigend ging er zurück in sein Büro.
Martin wollte ihm folgen, aber ich hielt ihn am Hemdärmel fest.
„Lass ihn!“, schrie ich, weil die Musik laut wurde. Warum war sie eigentlich leise geworden, dachte ich wütend. Schließlich hätte Vater dann nichts mitbekommen. Am liebsten hätte ich alle Kollegen nach hause gejagt.
Schon hatte sich Martin von mir losgemacht.
Laut hörte ich die Bürotür ins Schloss fallen. Mir war einfach elend zumute. Nun standen sie sich gegenüber, Vater und Sohn. Martin war bereits fünfunddreißig, wie würde Vater jetzt reagieren? Ich überlegte, ob ich nicht zu ihnen gehen sollte, aber da mussten sie wohl durch und zwar ohne mich.
Durch die Glasscheibe konnte ich sehen, wie Martin Vater traurig ansah. Am liebsten wäre er im Erdboden versunken, das wusste ich. Warum hatte er nicht eher den Mut bessern und mit unserem Vater gesprochen? Er hatte ein Anrecht darauf zu wissen, was sein Sohn für ein Mensch war, wie er lebte was er fühlte. Vater ging schweigend im Büro auf und ab, bis er dann ganz plötzlich das Schweigen brach. Gespannt beobachtete ich die Beiden.

„Glaubst du etwa, ich habe das nicht schon längst gewusst?“, donnerte er los, sodass es alle mitbekamen.
„Schade nur, dass ich es erst nach so vielen Jahren auf diese Weise in der Firma zuhören bekomme. Es wäre schön gewesen, wenn du einfach ein bisschen mehr Mumm gehabt hättest und schon eher zu mir gekommen wärst.“

Martin starte ihn mit offenem Mund an. Auch ich hatte nicht gewusst das er es bereits wusste. Sollte Mutter ihm etwa?
„Aber Vater, ich wollte, dass du hier in der Firma nie bloß gestellt wirst“, hörte ich Martin sagen. „Als ich noch ein Junge war, konnte ich mit niemandem außer mit Julia darüber reden. Bitte verzeih mir.“
„Ich glaube kaum, dass ich dir das jemals verzeihen kann, Martin. Ein bisschen mehr Vertrauen zu deinem Vater hättest du schon haben können.“
Was sollte Martin nun machen? Er wusste das sein Vater heute zu keinem Gespräch mehr bereit war. Es war ja schließlich auch alles gesagt.
„Vater ich werde noch heute meinen Schreibtisch räumen!“
Dann verließ er Vaters Büro. Ich ging auf ihn zu und legte beruhigend eine Hand auf seinen Arm. Ich wusste, dass es nicht gut gelaufen war. Vaters laute Stimme war ja nicht zu überhören.
„Ich werde meinen Schreibtisch räumen“, sagte Martin. „Bitte lass mich Julia. Du hast immer zu mir gestanden. Danke große Schwester.“

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