Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » Anne Zeisig IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
November 2005
Schwarze Höhle und Voyeur-Pool
von Anne Zeisig

Uwe legte sein Buch auf das Nachttischchen, wandte sich im Ehebett seiner Frau Liesa zu und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange: „Ich freue mich auf morgen Abend. Wird bestimmt aufregend für uns.“
Liesa nickte und streichelte seine Wange.
Er drehte sich zurück in seine Betthälfte, löschte das Licht und kicherte: „Das war eine guter Tipp mit dieser Erotik-Maskerade. Bringt bestimmt Schwung in unsere zwanzigjährige Ehe.“

***

Liesa besah sich im Spiegel und war zufrieden mit ihrem Kostüm, welches einen tiefen Einblick auf ihren drallen Busen gestattete. Sie hatte gerade die gelockte und gepuderte Perücke aufgesetzt, zur Handtasche und dem Autoschlüssel gegriffen, als das Telefon klingelte.
Es war Uwe. „Schatz! Die Besprechung dauert etwas länger. Ich werde später kommen. Fahr bitte vor und warte an der Bar auf mich.“
Sie schluckte. „Du meinst, ich soll alleine ...?“
Er unterbrach sie. „Du wirst nicht lange auf deinen Verführer warten müssen.“
„Und welches Kostüm wird mein Verehrer tragen?“
Uwe lachte: „Das ist ein großes Geheimnis! Du hast keine Ahnung, ob dich ein Bettler, ein König oder ein Gardesoldat verführen wird.“
Liesa spürte, wie sich ihr Herzschlag für einen kurzen Augenblick in ihrer Kehle fest setzte. Sie rang nach Luft. „Aber mich wirst du an einer Rose im Haar erkennen. Das ist unfair.“
„Das ist nicht unfair, sondern reizvoll, meine Schöne.“

***

`Die Rose muss noch ins Perückenhaar!´ Fast hätte sie ´s vergessen.
Liesa schüttelte den Kopf. Auf was hatte sie sich da einlassen! Aber Uwe war sofort begeistert gewesen, als sie beide kürzlich einen Fernsehbericht über dieses neue Etablissement gesehen hatten: „Wir sollten es wenigstens einmal ausprobieren. Das wird eine Bereicherung für uns sein.“
So viele Ehen wurden geschieden. Zerbrochen an der Eintönigkeit der Jahre. Sie war einverstanden. „Aber nur, wenn wir unter uns, ähem, ich meine, wenn wir zwei alleine sind. In so einem Separeé“. Uwe hatte sie vor Freude durchs Wohnzimmer gewirbelt.

Liesa überzeugte sich im Autospiegel vom korrekten Sitz ihrer venezianischen Maske. Sie ging langsam auf das graue, unscheinbare Gebäude zu. „MASKERADE“ stand in schwarzer Schrift auf einem kleinen Blechschild über der Eingangstür. Liesa trat ein. Wegen ihrer seidenen Handschuhe hatte sie Mühe, das Eintrittsgeld aus ihrer Börse zu nehmen. Die Münzen entglitten ihren Fingerspitzen.
„Nun beeilen Sie Sich doch!“, hörte Liesa eine Frauenstimme und drehte sich herum. Diese Frau trug das gleiche Kleid wie sie und auch eine ähnliche Maske.
„Darf ich vorgehen?“ Sie sah an Liesa hinab und lachte, „auch aus dem Kostümverleih des hiesigen Heimat-Theaters?“
Liesa nickte und sah, wie das braune Haar glänzend über die Schultern der offenbar jungen Frau fiel. Seitlich hatte sie eine zarte schwarze Rose eingeflochten.
Die Frau drehte sich nach dem Bezahlen kurz zu Liesa herum und zuckte mit den Schultern: „Mich stört ´s nicht, dass wir das gleiche Kostüm tragen. Hauptsache, es wird ein geiler Abend für mich.“
`Geil´. Liesa musste schmunzeln. Wie unbefangen doch die Jugend war.
Endlich konnte sie eintreten, und setzte sich an die Bar.

Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Sie nippte an ihrem Glas und bewunderte einige Gäste, die sich mit ihrer Kostümierung große Mühe gegeben hatten. Ein Gardeoffizier, bereits der fünfte, den sie in so einer Uniform sah, setzte sich neben sie: „Man erkennt an den Kostümen, wer aus dieser Kleinstadt ist“, begann er die Konversation und zündete sich eine Zigarette an.
„Ja“, antwortete Liesa, und sah an sich hinab.
„Sind Sie alleine hier?“, fragte er.
`Je taime, oh mon amour´, klang es dezent im Hintergrund aus den Lautsprechern. Dieser Song aus den Siebzigern, wo wenig Text, aber viel Stöhnen zu hören war. Damals ein Skandal.
„Sie sind das erste Mal hier?“
Seine zweite Frage riss sie aus ihren Gedanken: „Entschuldigung, die Musik, ich ... “
Er nahm ihre Hand und deutete zart einen Handkuss an: „Ich könnte Sie in die `Schwarze Höhle´ entführen. Dort wären wir zwei alleine“. Er zeigte nach rechts, wo ein schmaler Pfad, laternengesäumt, dorthin zu führen schien. „Oder liebt Madame Zuschauer und begleitet mich in den Voyeur-Pool?“ Er machte eine ausladende Armbewegung in die andere Richtung.
Liesa begann unter ihrer Maske zu schwitzen. Sie sah sich suchend um.
„Ich erwarte meinen Mann“, presste sie hervor und trank ihr Glas leer.
Ihr Gegenüber drückte hastig seine Zigarette im Ascher aus. Seine Maske bedeckte das gesamte Gesicht und ließ kaum einen Blick auf seine Augen frei. Er erhob sich: „Wie langweilig! Sie wartet auf ihren Mann!“
Liesa war froh, als er eilig aufstand und die Bar verließ.

Der Barkeeper hatte ihr unaufgefordert ein zweites Glas Champagner hingestellt. Sie schob den Schaft ihres Handschuhs hinunter und sah auf die Armbanduhr. `Jetzt wird es aber Zeit, dass Uwe kommt.´
Sie schnellte überrascht herum, weil jemand die Rose aus ihrer Perücke entfernt hatte und sie nun neben das Champagnerglas legte.
„Endlich!“, rief Liesa erfreut, stand auf und umarmte Uwe. Sie blickte an ihm hinunter. Auch er trug eine Uniform. „“Bevor mir noch mehr Gardesoldaten oder Möchte-Gern-Napoleons forsch den Hof machen, so nehme ich lieber sofort dich!“ Sie hielt ihn auf Armeslänge von sich und schüttelte ihren Kopf: „Offenbar haben heute Abend viele Männer ein Faible für Uniformen.“ Liesa schaute um sich und flüsterte: „Na ja, nur die Jungen und Knackigen können es sich erlauben, hier als Tarzan aufzukreuzen.“ Ihr Lachen klang schrill. Sie war nicht an Alkohol gewöhnt.
Uwe, der Major. Oder Oberst? War er womöglich ein Marineoffizier? Egal. Eine Uniform sah aus wie die andere und sogar die dazugehörenden Masken ähnelten einander. Er verbeugte sich wortlos und bot ihr seinen Arm zum Unterhaken an. Sie gingen in die `Schwarze Höhle´.
„Wie aufregend“, flüsterte sie ihm ins Ohr, als er ihren Busen liebkoste und sie auf die weichen Polster niederdrückte, „der Verführer schweigt und genießt. Worte zerstören den Zauber und ... “
`Je taime, oh mon amour.´

***

Uwe hatte ihr die Sinne geraubt und Dinge getan, die er sonst nicht ...
Wann war sie selig in seinen Armen eingenickt? „Uwe?“ Liesa rappelte sich hoch, tastete in der Dunkelheit nach ihrem Kleid und zog es sich über. „Uwe?“
Sie stolperte hinaus und kontrollierte in einem Spiegel den Sitz von Maske und Perücke. Dann ging sie in die Bar. Da saß Uwe bereits.
„Na du bist mir ja einer!“, rief sie, „mich alleine zu lassen!“ Und setzte sich neben ihn.
„Ich hatte angenommen, dass du auf die Toilette gegangen bist“, antwortete Uwe und nahm einen Schluck aus seinem Bierglas. „Warum hast du denn jetzt so eine mittelalterliche Perücke auf?“ Er strich mit seinen Händen darüber. „Die andere fühlte sich seidiger an.“
„Seidiger?“, fragte Liesa. Uwes Atem roch nach Bier.
Er schob sein leeres Glas von sich und schnippte mit den Fingern nach dem Barkeeper, der sofort ein volles hinstellte.
`Möchte nicht wissen, wie viel er getrunken hat´, dachte Liesa und fand es schade, aus ihrer Seligkeit gerissen zu werden.
Er schob ihr Kleid hoch, legte seine Hand auf ihren Oberschenkel und flüsterte, „ich fand ´s aufregend, wie du mich schweigend an die Hand genommen hast, um mich in diesen Voyeur-Pool zu lotsen.“ Uwe hob die Maske etwas an und wischte sich darunter den Schweiß von der Oberlippe. „Ich hatte ja keine Ahnung, wie sehr es dich aufgeilt, wenn Leute zugucken.“ Er gab ihr einen Klaps auf den Po: „Wir sollten deine Phantasien öfter ausleben.“
Liesa sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Aber das konnte Uwe nicht sehen. Wegen der venezianischen Maske.
Sie drängte ihn zum Aufbruch.
Auf dem Parkplatz warf ihr ein Uniformierter zwei Kusshände zu.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
Dieser Text enthält 7953 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.