'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
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Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespürt.
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November 2005
Spacerider - Im Bann des Nebelmondes
von Ivonne Schönherr

Die Kätzin Shiva`Ri saß mit baumelnden Beinen auf einem Felsen über dem Wasserfall, dessen rauschende Wassermassen in die Tiefe stürzten und im Mondlicht wie flüssiges Silber glitzerten. Sie kam oft hierher, wenn der Nebelmond zu sehen war und nicht nur wegen der bezaubernden Aussicht. Die Gefühle, die das Erscheinen des Trabanten ihrer Heimatwelt Helios in ihr auslösten, mochte sie nicht besonders - diese wilde, ungestüme Leidenschaft, die dann in ihr brannte, die sie dazu brachte, jedem Kater hinterzujagen und sich vor ihm hingebungsvoll auf den Boden zu wälzen, in sehnsuchtsvoller Erwartung seiner stürmischen Umarmung. So ungezügelt die Beherrschung zu verlieren und auf ihre Urinstinkte reduziert zu werden, war ihr zuwider. Ihrem Partner Mar`Dok ging es ebenso. Wie sie suchte er in solchen Nächten einen einsamen Ort auf, wo er mit Sicherheit keinem anderen Feliden begegnete und dem Bann des Nebelmondes erliegen würde. Ein zufriedenes Schnurren entwich ihrer Kehle, erzeugte Vibrationen - ja, sie hatte gut gewählt, als sie sich für ihn entschieden hatte. Die Gedanken an ihn lösten ein Prickeln in ihr aus. Kein Wunder, mit seinem cremefarbenen Fell war er eine Seltenheit unter all den gestreiften oder gefleckten Artgenossen und nicht nur Kätzinnen drehten sich nach ihm um, wenn er vorbei stolzierte. Oh ja, er sah verdammt gut aus und er wusste es.

Wie magisch angezogen, glitt ihr Blick nach oben, fixierte den Mond, der heute außergewöhnlich nahe stand, ein besonderes astronomisches Ereignis, wie es in den Medien hieß. Shiva`Ri spürte seine übersinnliche Ausstrahlung wirken und fauchte vor Verlangen. So heftig wie heute war es noch nie gewesen und wuchs mit jeder Minute weiter. Geschmeidig stand sie auf, ihr langer, gefleckter Schwanz peitschte umher und schmiegte sich dann eng an ihren Rücken. `Mar`Dok´, sein Name geisterte immer beharrlicher durch ihren glühenden Verstand, sie rannte los, die langen Halme des Shallograses ignorierend, deren scharfe Blattkanten ihr tiefe Schnitte zufügen konnten. Nur Mar`Dok würde die Begierde und die Glut in ihr zum Schweigen bringen können und sie wusste, er verbrachte Stunden wie diese am Bergsee. Dort hatte sie ihn kennen gelernt, dort zog es ihn auch heute noch hin. Die letzten Schritte schlich sie vorwärts, wollte ihn überraschen und erstarrte als sie um den Felsen bog, der ihr bisher die Sicht auf den See genommen hatte. Er war da, aber nicht allein. Bei ihm war eine hinreißend schöne Cremefarbene und wälzte sich mit ihm im zarten grünen Rizagras. Kleine Steinlichter beleuchteten den Platz, zeigten die Überreste eines gemeinsamen Mahles – es war keine bloße Zufallsbegegnung, das war Shiva`Ri sofort klar. Dieser Mistkater betrog sie an dem Ort, der für sie beide etwas ganz Besonderes war. Wie hatte sie so vertrauensvoll sein können.

Mit einem tiefen, kehligen Knurren jagte sie vorwärts, stürzte mit angelegten Ohren, zitternden Schnurrhaaren und ausgefahrenen Krallen in den Liebesreigen des Pärchens. Mar`Dok sah erschrocken auf und packte mit stählernem Griff nach Shiva`Ris Armen. Die schöne Unbekannte zog einen Schmollmund und strich sich betont lässig ihr Fell glatt, das im fahlen Licht des Mondes ganz besonders zu strahlen schien.
„Wie konntest Du unsere Liebe so verraten Mar`Dok?“, fauchte Shiva`Ri ihren Partner an.
Ein arrogantes Lächeln glitt über sein Gesicht und seine tiefblauen Augen wurden eisig. „Liebe?“, er hauchte es fast. „Glaubst Du wirklich, jemand wie ich könnte eine vom Standardtyp lieben?“
Die Cremefarbene kicherte gehässig. „Merkst Du denn gar nichts, kleines Dummchen? Wir wollten nur das Geld Deiner ach so reichen Familie und wir haben gut von dem gelebt, was Mar`Dok davon abgezweigt hat.“

Erbarmungslos schlug die Wahrheit über Shiva`Ri wie eine Flutwelle zusammen, löschte ihr Zugehörigkeitsgefühl zu ihm aus und mit einer Wildheit, die sie selbst überraschte, riss sie sich von ihm los, hieb der Konkurrentin ihre Krallen in die Augen, die kreischend zu Boden ging und nahm dann die traditionelle Kampfhaltung ihres Volkes an. Mit leicht nach vorne geneigtem Oberkörper, versetzt ausgestreckten Armen, tänzelte sie unruhig hin und her - sprungbereit. Ihre Augen waren zu Schlitzen geworden, beobachteten den Gegner. Wütend sprang Mar`Dok vorwärts, versuchte sie niederzureißen, als Shiva`Ri geschickt zur Seite auswich und ihm mit ihren Krallen blutige Striemen in den Pelz schnitt. Er schrie auf, fuhr herum und stürzte erneut auf sie zu, nur um sich einen Tritt in den Unterleib einzufangen. Keuchend krümmte er sich zusammen, als sie nachsetzte, ihn zuerst mit der Linken erwischte, dann mit der rechten Klaue und ihm damit die Kehle aufriss. Entsetzt starrte er sie an, presste seine Handflächen auf die Wunde in dem Versuch den dunkelroten Schwall zu stoppen, der seinen Körper pulsierend verließ. Vergeblich. Mit brechenden Augen kippte er um, lag besiegt vor ihr. Mit seinem Blutopfer war ihre Partnerschaft auf traditionelle Weise gelöst worden. Kalt sah sie zu der anderen Kätzin, die ihre zermatschten Augen hielt. „Ihr Cremes mögt ja toll aussehen, aber die Inzucht hat Euch schwach gemacht.“ Stolz erhobenen Hauptes ging sie davon.

Erst zu Hause wurde ihr bewusst, was sie getan hatte. Die traditionelle Weise war untersagt. Natürlich kam sie immer wieder vor, Feliden waren schließlich ein stolzes Volk, voller Leidenschaften und unbeherrschbarer Wildheit. Aber das änderte nichts daran, dass es verboten war, noch dazu hatte sie die Unbeteiligte schwer verletzt. Das würde mehr als Verbannung nach sich ziehen. Traurig warf sie einen Blick auf den Garten, wo Moospolster den künstlichen Bachlauf säumten, in dem sich schmackhafte Fischlinge tummelten. Sie sah auf den gemütlichen Liegestein, auf dem sie sich so gern räkelte, wenn eine der drei Sonnen hoch am Himmel stand. Seufzend packte sie ein paar Sachen zusammen, ihre Lieblingsfigur von einem Ot-Lik-Ta wickelte sie besonders sorgfältig ein, darauf achtend, dass keiner seiner neun Schwänze, der drei Köpfe oder seiner Flügel abbrach. Dann schlich sie aus dem Haus, warf einen letzten Blick darauf und benutzte den Gleiter, um in die Stadt zu fliegen. Die ersten Ausläufer des Staubnebels hatten sich bereits wieder vor den Mond gelegt, dem er seinen Namen zu verdanken hatte, doch einige liebestolle Feliden trieben weiterhin auf den Straßen ihr leidenschaftliches Spiel. Keiner beachtete die Kätzin, als sie sämtliche Geldeinheiten von ihrem Konto auf den Geldchip transferierte. Ohne zu zögern lief sie zum Raumhafen wo die Kalu, ihre Raumjacht, auf sie wartete. Das kleine Schiff stammte aus der Zeit, als sie davon geträumt hatte Schmugglerin zu werden. Natürlich hatte sie nie geschmuggelt, undenkbar war dies gewesen für eine Tochter des Hauses Ri. Aber nun ...

Mit ruhiger Stimme erbat sie Startfreigabe und musste nicht lange warten, bis sie die Genehmigung erhielt. Vorsichtig steuerte sie die Kalu in den schmalen Flugkorridor, die einzige Passage, die sie gefahrlos aus dem System tragen würde.

Es war noch gar nicht so lange her, da war sie mit Mar`Dok hier entlang geflogen, sie hatten die drei Sonnen bewundert, die um das winzige schwarze Loch kreisten und deren Fluchtgeschwindigkeiten gerade ausreichten, um sie nicht in den unersättlichen Schlund stürzen zu lassen. Kosmische Staubwolken schlängelten sich zwischen den Sonnen Hel hindurch, liefen spiralförmig darauf zu, kreuzten auf ihrem Weg zur Vernichtung auch immer wieder die Bahn des Mondes, der um Helios kreiste. Helios! Ihr Blick kehrte zu ihrer gelbgrünen Heimatwelt zurück, die auf ihrer exzentrischen Bahn um die Sonnen kreiste, die ihr Licht und Wärme spendeten.

Allmählich schrumpfte der Planet auf ihren Monitoren und sie vermisste schon jetzt die sanften Berührungen Mar`Doks, wenn er ihr über das Fell strich, seine zärtlichen Küsse auf ihren Nacken. Gewaltsam riss sie sich von dieser Vorstellung los, wischte die Nässe aus ihren Augen und wendete ihre Blicke entschlossen ab. Um diesen hinterlistigen, Süßholz raspelnden Lügner würde sie keine Tränen mehr vergießen. Auf sie wartete eine neue Zukunft, in der Unendlichkeit des Alls. Entschlossen startete sie den Hyperraumantrieb.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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