Der kleine Prinz vom Seepark von Christine Hettich
Ich schließe die Tür hinter mir zu, langsam, ohne Eile und sogar ohne Groll. Ich habe ihm keine Szene gemacht. Wozu auch? Er hätte ohnehin nichts verstanden, wie immer. Es passiert täglich, eine Frau verlässt ihren Mann, geradezu lächerlich banal. Ich gehe also, atme einmal tief durch, das war’s. Ich spüre nichts besonderes, das enttäuscht mich jetzt fast. Ist das wirklich alles? Schon überkommen mich erste Zweifel. Soll mein neuer Lebensabschnitt tatsächlich dermaßen unspektakulär beginnen? Hätte ich ihm nicht lieber eine Szene machen sollen? Zum Abschied sozusagen? Nur wie denn, bitteschön? Saß er doch wie immer vor dem Fernseher, Kopfhörer auf.
“Du, Schatz, ich verlasse dich jetzt“, hätte ich ja zumindest sagen können. Womöglich wäre aber nur so was wie: „Ist gut, bleib nicht zu lange weg, was essen wir denn heute Abend?“ zurückgekommen. Nein, diese Peinlichkeit wollte ich mir lieber ersparen.
Draußen blendet mich die Oktobersonne. Das ist ja richtig passend. Oktober, Herbst, ich bin auch nicht mehr die jüngste. Lebensabschnitt: Herbst. Immerhin scheint noch die Sonne. Gehen wir also zum Seepark. Aha, da haben wir es schon, das muss natürlich lauten: „Ich“ gehe zum Seepark.
Dieser sommerliche Herbsttag ist ein Geschenk des Himmels.
Kinder rennen über die Wiese. Paare schlendern Händchen haltend. An den Tischen haben sich Grüppchen gebildet, manche unterhalten sich heftig. “Die Regierung ist schuld“, heißt es da. Zu trinken gibt es nichts mehr, um diese Jahreszeit ist der Biergarten schon geschlossen. Ich frage mich, warum die Besitzer ihre Öffnungszeiten streng nach einem festgelegten Datum, statt ganz einfach nach dem Wetter richten. Das gehört zu den Dingen, die ich nie verstehen werde, stamme ich doch aus einem Land, in dem die Bistrotische und Stühle schon beim winzigsten Anzeichen eines schüchternen Sonnenstrahls wie Pilze aus dem Boden schießen. Woran die Regierung schuld sein soll, habe ich auch nicht mitbekommen.
Schon von weitem sehe ich ihn am Seeufer sitzen. Groß, blonde Locken, Engelsgesicht. So könnte man sich Antoine´s kleinen Prinzen als Erwachsenen vorstellen.
„Hallo, wer ist das, auf deinem T-Shirt?“
Hm, ich habe es mir schließlich gewünscht, dass er mich anspricht, wie wär´s also mit antworten?
„Niemand bekanntes, nur eine Fantasiefigur.“
„Ach so.“