Futter für die Bestie
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Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten-
Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
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November 2005
Machoman
von Melanie Conzelmann

Karin spielte mit dem Feuer. Den ganzen Abend machte sie sich nicht die Mühe nachzusehen wo ihr langjähriger Freund steckte. Und wenn er kam, um zu schauen wo sie war, beachtete sie ihn kaum. Gerade erklärte Jochen ihr ärgerlich, er habe genug von diesem Discoabend und würde jetzt verschwinden. Das alles hatte nur einen Grund: Fred. Der Funke Hoffnung in seinen Augen, Karin würde sich entscheiden mitzukommen, war jäh erloschen, als er Fred hinter Karin erblickte.
Damals, während ihrer Schulzeit, war Fred Karins Traumtyp gewesen. Tag und Nacht hatte sie an ihn gedacht und wenn sie ihn sah, wurden ihr die Knie weich. Jeder wusste, dass Fred ein Taugenichts war und oft mehrere Beziehungen gleichzeitig führte. Auch Karin, doch sie glaubte fest an den guten Kern in ihm. In ihrer Vorstellung tat er das alles nur um seinen Kumpels zu imponieren. Wenn er erst die Richtige kennen lernen würde, wäre alles ganz anders. Diese Richtige wollte Karin um jeden Preis sein. Als sie dann endlich seine Freundinnen war, glaubte sie ihr Traum sei Wirklichkeit geworden. Die Wahrheit zu erfahren war für sie sehr bitter gewesen. Schon nach einer Woche hatte er wieder Schluss mit ihr gemacht, weil sie nicht zu der Party kommen konnte, bei der er mit ihr schlafen wollte. Tagelang war sie weinend in ihrem Zimmer gesessen. Sie hatte ihn nicht mehr ansehen können und nach der Schule war er aus ihrem Leben verschwunden. Erst vor ein paar Wochen, als sie ihn hier in seiner Stammdisco zufällig getroffen hatte, sprach sie zum ersten Mal wieder mit ihm. Seit diesem Tag war sie fast jede Woche hier um ihn zu sehen. Sie wollte wissen, ob er nicht doch fähig war, eine normale Beziehung zu führen.
Jochen wusste über die Geschichte mit Fred Bescheid. Karin konnte sehen, dass er ihre Abhängigkeit ahnte, aber er stand ihr hilflos gegenüber. Er unternahm nichts. Er ging einfach. Karin dachte: „Das wars.“ Sie fühlte einen kleinen Stich in der Brust. Sicher war ihr Freund in Freds Augen ein Waschlappen. Aber sie liebte ihn, oder hatte ihn geliebt. Sie wusste selbst nicht mehr, was sie von ihren Gefühlen halten sollte. Im Moment war ihr nur eines klar: Sie würde Fred nach Hause fahren, denn sein Alkoholpegel war schon zu hoch. Das war jedenfalls das, was er Karin erzählte.
Sie konnte nichts dagegen tun. Das Herzflattern, die weichen Knie und das Glücksgefühl, wenn sie Fred sah - sie war süchtig danach. Wenn er jetzt seinen Charme spielen ließ, dann würde sie machen was er wollte. Das war immer so gewesen, jedenfalls so lange, bis er Schluss mit ihr gemacht hatte. Karin erzählte ihm, wie weh ihr das getan hatte. Es war ihre Antwort auf seine Frage gewesen, weshalb sie in der Schule nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Danach war sein Gesichtsausdruck betroffen gewesen. Er meinte: „Hätte ich das gewusst, wäre es anders gelaufen!“ Er schilderte ihr seine Zukunftspläne, erzählte ihr von seinem Wunsch irgendwann einmal zu heiraten und Kinder zu haben. Karin konnte es fast nicht glauben, frohlockte jedoch innerlich. Er war so, wie sie ihn sich immer vorgestellt hatte. Das „irgendwann einmal“ ignorierte sie.

Die Scheiben von Freds Auto waren von seinem und Karins Atem beschlagen. Sie hatten es sich auf der Rückbank bequem gemacht, Fred griff nach vorne und legte eine CD in den Player. Er grinste Karin an. Sie wusste, bald würde sie ihm schenken, was er schon immer wollte. Hätten ihre Eltern ihr seinerzeit nicht verboten auf diese Party zu gehen, wäre es schon damals geschehen. Die Frage, wie es wohl gewesen wäre, war in all den Jahren ab und zu in ihren Gedanken aufgetaucht.
Fred küsste sie verlangend und ein leises Stöhnen entrang sich ihrer Kehle. Er umschloss ihre Lippen ganz mit den seinen, saugte daran und ließ dann seine Zunge darüber gleiten. Sie öffnete leicht ihren Mund, er nahm die Einladung freudig an und schob seine Hand unter ihr Oberteil. Sie erwiderte seine Zärtlichkeiten glücklich. Gegenseitig zogen sie sich die Kleider aus, die Rückbank bot kaum Platz dazu. Karin wünschte, sie wären nicht im Auto geblieben. Hier war es so unbequem.
Karin spürte Freds Zunge, die eine heiße Spur von ihrem Kinn bis zu ihrem Hals zog. Dort saugte er mit Leidenschaft an der zarten Haut, bevor er seine Lippen weiter zu ihrer Brustwarze gleiten ließ. Gleichzeitig ließ er seine Hand zwischen ihre Schenkel gleiten, und Karin fühlte – nichts. Sie versuchte sich mit ihm treiben zu lassen, aber es gelang ihr nicht. Irgendetwas war nicht richtig. Ihr Gefühl, ein Werkstück zu sein, an dem bis zur Perfektion herumgeschraubt wird, dominierte alles. Sie wollte es nicht, aber trotzdem verglich sie Fred mit Jochen. Wo war die Tiefe in den ausgetauschten Zärtlichkeiten? Sie schob die Empfindung beiseite. Es konnte doch nicht sein, dass ein Blick seiner dunklen Augen das Blut heiß durch ihre Andern pulsieren ließ, aber seine Berührung nicht mehr in ihr auslöste, wie ihre Katze, die sich schnurrend an sie schmiegte! Es würde sich schon richtig anfühlen, wenn er ihr so nah wie möglich wäre. Sie flüsterte: „Hast du ein Kondom?“ Seine Augen glühten, doch plötzlich sah er aus, als hätte er seinen Lottoschein mit sechs Richtigen und Zusatzzahl verloren. „Was? Ein Kondom? Scheiße, nein!“ „Was? DU hast kein Kondom?“ „Wieso hast du denn keines dabei?“ Wieso sie ...? Plötzlich wurde ihr bewusst, was sie im Begriff gewesen war zu tun! Seit sechs Jahren war sie mit Jochen zusammen, sie ergänzten sich toll und außer kleinen Kabbeleien gab es nie Beziehungsstress. Hatte er das verdient? Fred unterbrach ihre Gedanken: „Ach was, dann machen wir es eben ohne!“ Aber davon wollte Karin nichts hören: „Bist du verrückt! Ich nehme keine Pille, das hab ich dir doch erzählt!“ Sie konnte es nicht glauben. Warum war sie nur so dumm gewesen, zu glauben er könnte sich geändert haben, ihr Traumprinz sein. Hatte sie tatsächlich gedacht, sie könnte ihn mit Sex an sich binden? Sie schaute ihm in die Augen und fragte: „Meinst du das eigentlich ernst, oder bin ich nur eine Nummer?“ Er schien verdattert und stieß hervor: „Willst du mich etwa heiraten, oder was?“ Sie war genervt: „Quatsch!“ Auf ein Mal vermisste Karin schmerzlich ihren Freund, die Geborgenheit wenn er sie in seine Arme nahm, das Gefühl der Sicherheit und die Vertrautheit, wenn sie sich liebten, viel mehr von ihm zu spüren, als nur seine Haut an ihrer - seine Seele zu berühren.

Als Fred Karin vor ihrer Wohnung aussteigen ließ, bat er: „Erzähl das bitte niemandem!“ Karin zog einen Mundwinkel nach oben: „Hätten wir es getan, wüssten deine Kumpels spätestens morgen davon!“

Karin fühlte sich furchtbar schlecht, als ihr Freund schon früh am Morgen zu ihr kam, um sich für sein Verhalten zu entschuldigen. Er – entschuldigen! Sie wollte ihre Zukunft nicht auf einer Lüge aufbauen, deshalb erzählte sie ihm alles. Natürlich war er wütend. Seine Faust knallte gegen ihren Kleiderschrank und der Schmerz den er empfinden musste, war in seinem Gesicht abzulesen. Er sagte ihr, ihre Beziehung würde niemals mehr so intensiv sein, wie zuvor.
Doch die Zeit heilt alle Wunden.

Vier Jahre später sah Karin Fred bei einem Stadtfest wieder. Er hatte einen Arm um seine Begleitung gelegt. Karin fragte sich, ob er wohl jemals fähig sein würde, eine ernsthafte Beziehung zu führen. Sie war verheiratet mit Jochen und sie hatten zwei Kinder. Jetzt sah sie ihren „beinahe Seitensprung“ als wichtigen Wendepunkt in ihrem Leben an. Er hatte ihr bewusst gemacht, was ihr wichtig war in ihrem Leben.
Sie wollte einen Mann der ihre Seele berührte.

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