Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das? Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten- Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
„I’m a Black Samourai”, schallt es aus den Boxen.
„A bright light in your black night –
Black Samourai – preachin’ love to the twilight -
What a shivaaa...” *
Ein Stockwerk tiefer wird die Wohnzimmertür geräuschvoll zugeworfen. Aus Trotz drehe ich den Lautstärkeregler noch ein wenig mehr nach rechts, nehme nur die Bässe raus. Kann ich etwa was dafür, wenn Joseph diese Musik nicht gefällt? Er war es, der mich vor einigen Jahren auf den Reggae gebracht hat und mir schließlich diese gewaltigen Boxen schenkte. Nun muss er damit leben.
Achja, die unendlichen Möglichkeiten der modernen Technik! Ich druckte mir die schönsten Bilder des „Ersten“ aus und tapezierte meinen langweiligen Kleiderschrank damit. Als Joseph am nächsten Abend schüchtern den Kopf zur Tür hereinstreckte, um mir zu sagen, dass er Paella gekocht hätte, tippte er sich gleich darauf an die Stirn und sah aus, als würde er fast in Tränen ausbrechen. Nun ja, er ist der einzige bei uns, der Geld verdient – ich bin kürzlich aus meinem Job rausgeflogen, weil ich mich nicht mehr so gut konzentrieren konnte – und Druckerpatronen seien ziemlich teuer, gab mein Mann mir mit gepresster Stimme zu verstehen. Aber sollte er nicht froh sein, dass ich darauf verzichtete, nachts im Städtchen auf Reggaefeten zu gehen, um mit Rastas in Fleisch und Blut abzutanzen?
Bevor ich Josephs Essenseinladung folgte, musste ich noch rasch Klopapier kaufen. Leider konnte ich das, was Josephs Preisvorstellungen entsprochen hätte, nicht nehmen, denn es trug seinen Namen, und ehe ich zuließ, dass mein Mann sich den Hintern mit „Number One“ abwischte, gab ich lieber etwas mehr Geld aus. Nicht ganz ohne Neid dachte ich an eins der Interviews mit dem „Ersten“, der ein paar Presseleute durch sein rund um die Uhr geöffnetes Restaurant mit Night Club („passt zu meinem Lebensstil“) führt und die Toiletten stolz als „Meditationssäle“ präsentiert.
Zum Essen tischte Joseph einen süffigen Vinho Verde auf, und ich beschloss, ihn später zur Belohnung zu trösten, indem ich ihn in seinem Zimmer besuchte. Sollte ich es wagen, dabei eine meiner Lieblingskassetten aufzulegen? Nein, besser nicht, entschied ich und hörte, während ich mich sparsam mit Patchouli betupfte, über Kopfhörer „Lune de miel“, Honigmond, wo hingebungsvoll geseufzt wird bis zum Sonnenaufgang. Während ich zu Joseph hoch schlich, der im Zimmer über mir schon im Bett lag, fragte ich mich versonnen, ob der „Erste“ seiner koreanischen Ehefrau treu ist und ob er in seinem Alter immer noch so eine Ausdauer hat wie in dem Lied angedeutet wird. Wir hatten sie jedenfalls nicht, und gerade als wir uns als eingespieltes Team, dass wir sind, der koinzidenten Kulmination widmen wollten, passierte mir was Blödes. Anstatt den Namen des Zimmermannes aus der Weihnachtsgeschichte zu stöhnen, seufzte ich „oh, A....“, und das war’s dann gewesen. Mein Mann erstarrte mitten in der Bewegung. Mir schoss flüchtig der Gedanke durch den Kopf, bei Nacht sind alle Kater grau – was hat er denn!
Als Joseph sich von mir zurückzog und sich abwendete, nahm ich leise mein zusammengeknülltes Nachtgewand (ein T-Shirt mit seinem Konterfei, was mein Mann im Dunkeln nicht bemerkt hatte) und stolperte die Treppe hinunter, ehe ich noch mehr als unterdrücktes Schniefen aus Josephs Bett hören konnte.
„Dumm gelaufen“, flüsterte ich dem „Ersten“ zu, dessen strahlendes Lächeln im Schein meiner Lavalampe mich vom Kleiderschrank empfing.
Schlaflos allein in meinem Bett, überlegte ich mir, dass es das Beste wäre, am nächsten Morgen Fischli anzurufen, einen alten Jugendfreund, der mir versprochen hatte, ein Interview mit dem „Ersten“ auf seinem PC abzuspeichern und mir auf CD zu brennen. Seiner Sprechstimme zu lauschen – das würde mich bestimmt beruhigen. Am Ende würde ich vielleicht sogar erfahren, aus welchem Grund er damals wirklich in der Psychiatrie gelandet war. Fischli akzeptiert mich mit meiner Macke, und es würde ihn bestimmt nicht stören, wenn ich mir das Interview sofort anhörte. Er würde einfach solange ins Hallenbad gehen, denn er ist sehr sportlich. Zwischen Joseph und mir herrschte am folgenden Tag eisiges Schweigen. Bevor ich losfuhr, rief ich ihm zu, „ich fahr’ kurz zu Fischli!“
„Das war mir klar“, sagte Joseph bitter. „Bevor du dir ein Flugticket nach Abidjan kaufst, sagste mir aber schon noch Bescheid, oder?“
Das mit der CD hat geklappt. Fischli lachte nur gutmütig und schnappte sich seine Sporttasche, als ich verlangte, es sofort anhören zu dürfen.
In Josephs Gegenwart lege ich das Teil nie auf, hĂĽte es wie ein Kleinod.
Aber ich weiß jetzt, was ich als nächstes tun werde: zu Weihnachten schenke ich mir eine Konzertkarte. Vielleicht singt der „Erste“ „Black Samourai“, das damit endet, dass er unheimlich erotisch „Yes, I...“ ins Mikrofon haucht.
Und vielleicht befolge ich dann den Rat von Dr. Smoke und drängle mich nach vorn, um ihm einmal die Hand zu schütteln.
Joseph wird ganz sicher nicht mit kommen, und ich hoffe, er nimmt es sich nicht allzu sehr zu Herzen, wenn am Ende nur ein Häuflein Asche von mir übrig bleibt.
* der Liedtext stammt von Alpha Blondy
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