Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
„Du bist nicht gut genug für mich, ich habe etwas besseres verdient!“ Mit tränenverschmiertem Gesicht steht Kiara am Fenster ihrer neuen Wohnung und lässt sich wieder und wieder diesen Satz durch den Kopf gehen. Draußen regnet es in Strömen. „Der Himmel weint mit mir.“
Zwei Monate ist es nun schon her! Zwei Monate! Zwei Monate ohne Domini?! Domini?, ihre große Liebe! Der Einzige, der ihr je etwas bedeutet hat, der Einzige, den sie je geliebt hat! Er fühlt aber anders, sonst hätte er sie nicht einfach weggeworfen! Weggeworfen nach drei Jahren! Drei Jahre! Drei lange Jahre! Und jetzt ist er fort, einfach so, von heute auf morgen! Wegen einer anderen, wegen irgendeiner dahergelaufenen Tussi. „Ich hätte doch etwas merken müssen“, murmelt Kiara vor sich hin. „Verdammt noch mal, ich hätte doch irgendetwas merken müssen!“ Domini? hatte bereits seit fast einem halben Jahr eine Affäre mit seiner Sekretärin! Seit einem halben Jahr! Kiara war völlig ahnungslos. Domini? kam nie zu spät von der Arbeit, machte nie Überstunden, war jeden Abend zuhause, hatte nie irgendwelche Lippenstiftreste an seinem Hemdkragen; kurzum, er hat sich nie irgendetwas anmerken lassen. „Wer weiß, wenn ich ihn nicht erwischt hätte, vielleicht hätte er ewig so weitergelebt. Zuhause das Heimchen am Herd und im Büro eine Gespielin. Eigentlich gar keine so schlechte Taktik. Taktik! Mehr war es die ganze Zeit nicht. Mehr war unsere ganze Beziehung die letzte Zeit nicht!“ Tränen laufen über Kiaras Gesicht, das Make up ist bereits ganz verschmiert, die Wimpertusche tropft auf ihr weißes T-Shirt.
Alles vorbei, dabei hatte zwischen Ihnen doch alles so schön angefangen. Kiara und Domini? hatten sich vor fünf Jahren auf einer After-Work-Party kennen gelernt; eigentlich hat es dort sofort zwischen den beiden gefunkt, aber jeder war zu schüchtern um dem anderen seine Gefühle zu gestehen. Vorerst wurden sie nur Freunde. Gute Freunde, aber eben nur Freunde!
Als dann Domini?s Mitbewohner aus beruflichen Gründen aus der Wohngemeinschaft auszog und Domini? sich die Wohnung nicht alleine leisten konnte, bat er Kiara bei ihm einzuziehen. Aus den beiden wurden beste Freunde. Sie teilten alles miteinander, wie gute Kumpels eben.
Rückblick:
Eigentlich hatten damals beide schon die Hoffnung auf eine Beziehung begraben, als sie gemeinsam mit einem befreundeten Pärchen übers Wochenende nach Salzburg zum Snowboarden fuhren. Domini?s Vater hatte dort vor einigen Jahren eine Holzhütte gekauft, die jetzt einen idealen Schlafplatz für die vier bot.
Rick und Silvana hatten schon lange gemerkt, dass es zwischen Domini? und Kiara knisterte; wohlwissend aber auch, dass sie nachhelfen musste, wenn aus den beiden etwas werden sollte! Sie mussten ihnen die Möglichkeit geben alleine zu sein, also gingen sie am ersten Abend in die Disco ins Dorf und Kiara und Domini? blieben völlig erschöpft in der Hütte zurück, um sich einen „ruhigen Abend“ zu machen. Es tat sich auch nichts. Absolut gar nichts. Die beiden waren vom anstrengenden Tag auf dem Snowboard so kaputt, dass sie nur noch schlafen wollten. Jeder natürlich in seinem eigenen Bett! Am darauffolgenden Abend wollte das Pärchen noch einen Versuch wagen und ging abermals abends noch weg. Leider – oder glücklicherweise – schnie es jedoch die ganze Nacht. Am morgen waren Domini? und Kiara waren vollständig eingeschneit und von jeglicher Zivilisation vollkommen abgeschnitten. Sie waren ganz allein! Absolut allein.
Rick und Silvana versuchten immer wieder die zwei Turteltauben per Handy zu erreichen, aber der dicke Schneehügel sorgte dafür, dass Domini? und Kiara kein Netz hatten. Sofort wurde die Bergrettung verständigt. Nach mehreren Stunden brach diese jedoch die Arbeit wieder ab, da es langsam dunkel wurde. Trotz der Widersprüche von Rick und Silvana musste man sich einigen am nächsten Tag weiterzugraben.
Mitten in der Nacht bekam Kiara plötzlich die Angst, in ihrer Verzweiflung ging sie in Domini?s Zimmer. „Kann ich heute Nacht bei dir schlafen? Ich hab Angst!“ „Klar Süße, mach dir nicht so viele Gedanken!“ „Domini?, was ist, wenn sie uns nicht mehr finden? Ich... ich... ich will hier nicht sterben!“ „Red doch keinen Unsinn, Rick und Silvana haben die Bergrettung doch schon informiert, wir haben doch ihre Stimmen gehört! Die haben die Arbeit bestimmt doch nur abgebrochen, weil es dunkel geworden ist. Du wirst sehen, morgen früh sind wir hier draußen!“ „Vielleicht hast du recht, Domini?! Schlaft gut“ „Hhmm, du auch“, antwortete Domini? schlaftrunken.
Wenige Stunden später wurden beide von einem lauten Krachen geweckt. „Domini?, was war dass?“ „Moment, ich schau mal nach!“ Nach einigen Minuten kam er zurück und versuchte die völlig aufgelöste Kiara zu beruhigen. „Keine Sorge Liebes! War vermutlich nur ein Lawine, die über uns weggerutscht ist!“ „Na toll, wie beruhigend“, entgegnete Kiara entkräftet. Domini? nahm sie in den Arm und Kiara fängt zu schluchzen an. „Ich will nicht sterben, ich muss dir doch noch soviel sagen... ich meine... ich....“ „Was willst du mir sagen?“ „Ich, na ja, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, aber ich...“ „Du liebst mich“, entgegnete Domini? grinsend „Ja, woher weißt du das?“ „Weil ich dich auch liebe. Übrigens habe ich genug schlechte Liebesfilme in meinem Leben gesehen um zu wissen, was sich Menschen in diesen Momenten ihres Lebens sagen!“ Lachend umarmten sich beide und verschwammen in einem leidenschaftlichen Kuss.
Kurz darauf wir stürmisch die Tür aufgestoßen, Rick steht im Zimmer. „Hey Leute, also, ihr könnt jetzt wieder raus. Tut uns echt leid, dass es so lange gedauert hat, aber wenigstens hat unser Plan etwas genützt!“ „Jaja, wir verstehen schon.“ „Für den Schneefall konnten wir aber nichts!“ „Schon gut, ist ja zum Glück nichts passiert... zumindest nichts negatives!“
Diesem Wochenende zu viert folgten drei wunderbare Jahre zu zweit. Drei Jahre! Drei wunderbare Jahre! „Und jetzt ist es alles vorbei, alles vorbei!“ Kiara lehnt sich gegen den Fensterrahmen und schluchzt.
Vor ziemlich genau zwei Monaten wollte sie Domini? von der Mittagspause abholen um mit ihm gemeinsam die Mittagspause zu verbringen. Da seine Sekretärin nicht an ihrem vorgeschriebenen Platz aufzufinden war, trat Kiara unangemeldet in sein Büro ein. Mit geschocktem Blick sah sie Domini? und seine Schreibkraft sich wild räkelnd am Schreibtisch liegend. Sofort verließ sie völlig geschockt wieder das Büro, ohne dass sie von Domini? oder seiner Geliebten bemerkt wurde.
Zuhause angekommen packte sie sofort ihre Habseligkeiten zusammen und zog in eine andere Wohnung, in die Wohnung, in die sie mit Domini? wenige Wochen später umziehen wollte, weil der Platz zu knapp wurde. Sie zog in ihre gemeinsame Wohnung, sie zog alleine ein, alleine ohne Domini?! Sie hinterließ nichts, nicht einmal einen Zettel. Sie verschwand einfach aus Domini?s Leben. Sie ging so schnell wie sie gekommen war. Und er, er vermisste sie nicht einmal, er machte keine Anstalten Kiara zurückzubekommen.
Heute morgen hat Domini? endlich angerufen. Nach all der Zeit hat er endlich angerufen! Und was hat er gesagt? Alles, nur nicht dass was Kiara hören wollte. Wie betäubt hörte sie ihm zu, als er erzählte, dass er seine Sekretärin abgöttisch liebe, immer mit ihr zusammen sein wolle, dass er sehr glücklich mit ihr sei! Weiter hat er noch gemeint, dass es ihm leid tut, dass sie es so erfahren hat, aber jede Liebe hat irgendwann ein Ende. Er hoffe dennoch, dass das mit seiner „Neuen“ ewig halten möge. „Ja, dass dachte ich auch, dass unsere Liebe ewig halten kann! Aber du hast alles kaputt gemacht, alles vernichtet, was uns, was mir etwas bedeutet hat!“ Kiara schlägt in voller Verzweiflung mit der Faust mehrmals gegen den Fenstersims, langsam bilden sich rote Flecken, Kiara merkt nichts von dem körperlichen Schmerz, sie merkt einzig und allein den Schmerz in ihrer Seele, in ihrem Herzen.
Kiara dreht sich um und ein flüchtiger Blick streift ihren Schreibtisch. Auf ihm liegt ein Revolver. „Wenn ich ihn nicht bekomme, soll ihn auch keine andere haben!“ Mit steifem Blick sieht Kiara ihn an. „Aber, rentiert es sich überhaupt, dass ich seinetwegen meine Hände mit dem Blut anderer beflecke; vielleicht sollte ich mein eigenes opfern!“ Wie im Trance geht Kiara in Richtung Schreibtisch, nimmt den Revolver und hält ihn sich an die rechte Schläfe.
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