Wellensang
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Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
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Dezember 2005
Eva
von Klaus Eylmann

Sie saßen auf einem Klavierschemel und spielten den Flohwalzer. Doch schon nach den ersten Takten lagen sie sich in den Armen. Marylin drĂŒckte Ihre Gesicht gegen Ron Davis Brust, wĂ€hrend seine Finger zĂ€rtlich ĂŒber die Registriernummer auf ihrem Nacken strichen.
“Roooon.” Er stand auf und zog Marylin zu sich hoch.
Spielerisch biss er in ihren Nacken und schob sie ins Schlafzimmer.
“Boss!”...”Boss!” Detective Millers pausbĂ€ckige Gesicht fĂŒllte den Monitor.
“Boss?”
Ron schaltete die Telecam ein.
“Boss, sie sind wieder da.”
“Ich war den ganzen Tag im Haus.”
“Nicht Sie. Die Familie, die am Morgen aus ihrer Wohnung verschwand. Vater, Mutter, Sohn aus Block 7, Abschnitt 281, Wohneinheit 721...”
“Warum rufen Sie mich dann an?”
...”tot, sehen Sie sich das an.”
Die Menschen auf dem Monitor wirkten, als seien sie auf einer Streckbank gefoltert worden. Arme und Beine zu lang, standen in unmöglichem Winkel vom Rumpf ab. Davis starrte auf leere Augenhöhlen, wie zum Schrei aufgerissene MĂŒnder und erschauerte.
“Kein schöner Anblick, was?”
Davis schaltete Monitor und Kamera aus und warf sich mit Marylin aufs Bett.

“Der Tod trat vor knapp zwei Stunden ein. Ursache Ersticken. Sehen sie den gestreckten Rumpf, die Köpfe? So was ist mir noch nicht unter gekommen.” Der Polizeiarzt schrieb seinen Bericht, Robotpolizisten suchten nach Spuren.

Wochen spÀter wurde Wohneinheit 721 erneut von einer Familie bezogen. Sie erlitt das gleiche Schicksal.

Der Turm des PolizeiprÀsidiums von Dunbar-Stadt ragte wie ein mahnender Finger in die Wolken.
“Gleicher Ort, gleiche Merkmale. Sie verschwanden aus ihrer Wohnung und tauchten am Abend wieder auf.” Davis stand am Fenster seines BĂŒros. “Tot und deformiert.” Regen prasselte auf den ‘Platz der menschlichen Einsicht’. Davis starrte durch den Dunst auf die andere Seite, wo sich die TĂŒrme des Kybernetischen Institutes reckten. Hinter ihnen kam eine RaumfĂ€hre hervor und verschwand unter Getöse in den Wolken, wĂ€hrend ein Robotpolizist auf dem Platz seine Runde ging.
Davis drehte sich zu Miller, der den Blick vom Foto seiner Ex-Frau löste.
“Weißt du, dass Hilda jetzt mit Brad zusammen lebt?”
Davis dachte an Marylin, dann an den Zentralcomputer. Aus welchem Motiv heraus ließ er diese gut aussehenden Androiden bauen? FĂŒr einen Augenblick setzte sich der Gedanke in Davis fest, dass es fĂŒr die Menschheit keine angenehmere Art gĂ€be auszusterben.
“Ist das GebĂ€ude evakuiert?”

Wenige Stunden spĂ€ter saßen sie in der Wohneinheit 721. Miller fuhr sich mit einem Taschentuch ĂŒber die Stirn.
“Vielleicht hĂ€tten wir Robotpolizisten in die Wohnung schicken sollen.”
“Das wĂ€re aufgefallen.” Davis ging unruhig im Wohnzimmer auf und ab. Nervös griff er nach dem BetĂ€ubungs-Strahler in seiner Jackentasche. “Nur wem?”
War es ein Fehler, dass er die Vorgehensweise mit dem Zentralcomputer abgesprochen hatte? Seitdem hatten Davis und Miller ein Implantat im Kopf, mit dem sie sich gedanklich mit den Androiden austauschen konnten. David und Miller, die Andros Pamela und Demi saßen vor dem Fernseher, wĂ€hrend Arnold, Brad und Bruce an einem Nebentisch Karten spielten. Strahlenpistolen steckten in den Taschen ihrer weiten Jacken. Sie pokerten nicht lange. Ein Luftstrudel bildete sich ĂŒber ihnen, die Karten verschwanden in dem Sog. Davis fĂŒhlte keinen Boden mehr unter seinen FĂŒĂŸen. Er sah, wie Miller mit den Armen in der Luft ruderte.
“Feuern!” Rief er, dachte er es? Licht blendete ihn, als sein Körper auf den Boden schlug.
Sie lagen in einer Röhre, deren WĂ€nde in diffusem Licht strahlten. Die Androiden stĂŒrmten mit feuernden BetĂ€ubungs-Strahlern nach draußen. Davis und Miller folgten. Der Boden eines Saales glĂ€nzte unter Tageslicht, das von einem Fenster einfiel. Auf ihm lagen fĂŒnf Kinder und eine Frau. An einer Konsole neben der Röhre saß ein Junge. Davis schĂ€tzte sein Alter auf zehn Jahre. Sein Kopf ruhte auf dem Pult. Die Androiden postierten sich an den WĂ€nden.

Die Frau bewegte sich. Davis beugte sich ĂŒber sie. Ihm kam ‘Schneewittchen’ in den Sinn. Ein MĂ€rchen, das ihm seine Robot-Amme erzĂ€hlt hatte. Schwarze Haare umrahmten ein bleiches, schmales Gesicht. Gleich schlĂ€gt sie die Augen auf und fragt: Wo bin ich?, dachte Davis. Ihre Augen strahlten im Blau des Himmels. In ihnen brannte ein Feuer, dass Davis seinen Blick von ihr abwenden musste, als er sie zu sich hoch zog. Sie schluchzte und legte ihren Kopf an Davis Schulter.
“Wie heißt du?”
“Eva.” Es kam aus einer SĂ€ule in der Mitte des Saales.
Davis hörte das Stimmengewirr von Kindern. Eva bewegte die Lippen, wĂ€hrend die SĂ€ule in der Mitte des Saales fragte: “Was war mit mir?”
“Du hattest das Bewusstsein verloren.”
Evas streichelte Davis Wange. “Ihr mĂŒsst wieder dahin zurĂŒck, wo ihr her gekommen seid.”
“Wo befinden wir uns?”, fragte Davis.
Eva sagte etwas. Davis verstand es nicht.
“Auf der Erde”, sagte die SĂ€ule.
“In welchem Jahr?”
“Wir haben aufgehört zu zĂ€hlen.”
“Was?”
“Die Kinder altern nicht”.
“Und du?” Davis strich selbstvergessen mit der Hand ĂŒber Evas RĂŒcken.
“Ich ebenfalls. Nur, mein Alter wurde zu spĂ€t gestoppt. Ein genetischer Defekt.”
Davis schĂŒttelte unglĂ€ubig den Kopf.
“Unsere Eltern haben uns Unsterblichkeit geschenkt.”
“Warum nicht sich selbst?”, unterbrach Miller “... indem sie ihre Samenzellen genetisch manipulierten”, fuhr Eva fort.
Miller trat ans Fenster und rief: “Boss, sehen Sie sich das an!”
Eine unĂŒbersehbare Anzahl von Raumschiffen stand auf einem Flugfeld, das sich bis zum Horizont ausdehnte. Eines der Raumschiffe startete und verschwand in den Wolken. Dann ein anderes. Kastenförmige Fahrzeuge schwebten ĂŒber das Feld und ließen sich vor einem der Schiffe nieder. Menschen quollen aus ihren BĂ€uchen und stiegen in die Luke des Raumers.
“Alles Kinder”, murmelte Davis.
“Sie verlassen die Erde.”
“Und du?” Davis sah auf die Frau in seinen Armen.
“Ich will in eure Zeit.”
“Warum?”
“Ich brauche einen Partner.” Eva machte eine Pause. Es klang wie resigniertes Seufzen, als sie fort fuhr: “Und so haben wir eine Zeitmaschine gebaut. Sie ist primitiv, lĂ€sst sich nur auf euer Jahr und auf einen bestimmten Ort einstellen, aber....”, Eva löste sich von Davis. “Du siehst, die Kinder warten nicht mehr lĂ€nger. Sie machen noch einen letzten Test, dann verlassen sie die Erde.”
“Warum?”, fragte Miller.
“Es ist ihre Bestimmung. Ihre Eltern haben es gewollt. Die Raumschiffe sorgen fĂŒr Nahrung, Energie und Kleidung. Die Kinder leben ewig, genau so wie ich. Sie meinen, sie seien lange genug auf der Erde gewesen. Sie wollen das Universum erforschen.”
“Mit wem macht ihr den letzten Test?” Eva blickte zur Seite: “Mit euch.”

Miller zeigte auf die Röhre. “Ich gehe da nicht hinein. Wir wissen, dass der Sprung in die Vergangenheit nicht funktioniert.”
Davis wandte sich an Eva. “Mit eurer Erlaubnis nehmen wir die Maschine auseinander. Vielleicht finden meine Leute den Defekt.”
WĂ€hrend die Androiden die Maschine zerlegten, hielten Davis und Miller die Frau, die Kinder mit ihren Waffen in Schach.
Arnold berichtete: “Fehler gefunden und behoben.” Die Androiden bauten die Maschine wieder zusammen.

Die Pistolen flogen Davis und Miller aus den HĂ€nden.
“Boss”, rief Miller. “Ich kann mich nicht bewegen.” Davis stand wie festgefroren vor der Zeitmaschine.
Die TĂŒr zur Rohre glitt auf. Eine unsichtbare Kraft zog Davis, Miller und die Androiden in den BehĂ€lter.
Davis warf einen letzten Blick auf Eva, die sich vor der Konsole aufgebaut hatte. Die Frau, die mit den Kindern zwei Familien auf dem Gewissen hatte, wĂŒrde nachkommen wollen, wenn sie heraus fand, dass der RĂŒcksprung erfolgreich war.
“Plan A”, dachte Davis. Brad zog ein Sprengstoffpaket hervor und heftete es an die Wand. Der Timer lief.
“Sie sollten uns jetzt auf die Reise schicken, sonst gehen wir zusammen mit der Röhre hoch”, meinte Miller.
Nunmehr kannten sie das GefĂŒhl, als sich der Luftstrudel ĂŒber ihnen bildete. Doch die Sensation der Erleichterung war stĂ€rker, als sie sich in der Wohneinheit 721 wieder fanden. Brad hatte sich bereit erklĂ€rt, einen weiteren Tag in der Wohnung zu verbringen.

“Keine besonderen Vorkommnisse, was 721 angeht”, berichtete Davis danach dem Zentralcomputer. “Die Zeitmaschine ist zerstört.”
“Ihre Konstruktionsdaten sind archiviert und bleiben unter Verschluss.” Der Zentralcomputer unterbrach die Verbindung.

Am Abend saßen Davis und Marylin wieder auf der Klavierbank. Auch diesmal brachten sie den Flohwalzer nicht bis zum Ende. Marylin drĂŒckte Davis Kopf an ihre Brust und strich ihm ĂŒbers Haar.
“Ich liebe dich.”
Wusste Marylin, dass Davis ihre Gedanken mitbekam, wenn sie stark genug waren? Ihre Liebe war Programm. Doch Liebe, dachte Davis, das Programm Liebe ist universell.

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