Ganz schön bissig ...
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Dezember 2005
Spacerider - im Auge der Zeit
von Ivonne Schönherr

Interessiert las Shiva`Ri die aktuellsten Kurse auf der Schwarzmarktliste. Ungläubig schüttelte sie ihren Kopf, die Preise für Yup-Yup-Kraut waren erneut gestiegen. `Damit könnte ich ein Vermögen verdienen und mein Schiff tunen. Hm.´ Nachdenklich las sie den Namen des Bieters und ihre Krallen schlugen in einem schnellen Rhythmus auf das Terminal. Mister Baxter, der mächtige Konzernchef konnte sich so eine Summe tatsächlich leisten. `Was er wohl damit vorhat? Ist er krank? Jemand aus seiner Familie? Und dafür ist er bereit die Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen; schwere Halluzinationen, Psychosen, absolute Abhängigkeit?“ Ihre Schwanzspitze fegte über den Boden ihrer eleganten Raumjacht, die sicher in einer Landebucht der Schmugglerbasis untergekommen war. `Ziemlich gewagt von ihm. Selbst wenn er jetzt jemanden auftreibt, der noch Reserven von der Pflanze gehortet hat, ohne gesicherten Nachschub wäre das sein Todesurteil.´ Ihre Finger huschten über die Eingabefläche, riefen die historischen Daten auf. „Da ist es ja“, murmelte sie und überflog die Zusammenfassung. >Die Ursprungswelt des Yup-Yup war Liturgia, ein ständiger Unruheherd. Schwer umkämpft von Schmugglern, Piraten und den Sicherheitskräften der Interstellaren Vereinigung, die den Abbau verhindern sollten. Die Zahl der Toten stieg auf beiden Seiten, ebenso die Bluttaten von durchgedrehten Junkies auf den bewohnten Welten des bekannten Universums, bis in einer Nacht- und Nebelaktion die Sonne des Planeten gesprengt und das gesamte Planetensystem mitsamt den kämpfenden Parteien in den Untergang gerissen wurde. Dieses Schicksal teilten in den folgenden Monaten Millionen von Yup-Süchtigen, die ohne die Pflanze nicht weiter leben konnten. Protestaktionen folgten, verurteilten die Verantwortlichen aufs Schärfste und das Militär stritt jede Beteiligung an der Aktion ab.< Ein Klick von ihr ließ die Information verschwinden. „Pah und das soll man euch glauben?“, knurrte sie leise. „Wahrscheinlich habt ihr hohen Tiere euch damals auch noch was auf die Seite geschafft.“ Shiva`Ris Augen wurden zu Schlitzen. `Nur wie komme ich daran?´, grübelte sie. `Das dürfte aussichtslos sein ohne weitere Hinweise. Tja, da wird Baxter wohl leer ausgehen.´

Schulterzuckend scrollte sie zu den neuesten Angeboten. Sie war auf der Suche nach technischen Spielereien, um ihre Raumjacht Kalu aufzumotzen. Nichts. Enttäuscht wollte sie die Datei schließen, als ihr doch etwas ins Auge fiel. Ihr geflecktes Fell sträubte sich, als ihr klar wurde, welche Möglichkeiten so ein Zeitvortex bieten würde und ihre Schnurrhaare zuckten erregt. Shiva`Ri schickte den Bietern eine Nachricht.

Eine Stunde später traf sie sich mit den Marlowbrüdern in der Bar der Aaron Base. Ein Energieschirm zuckte hoch, kaum dass sie sich am Tisch niedergelassen hatte, verhinderte dass jemand ihre Verhandlungen belauschte. Allein die Anzahlung würde ihr gesamtes Vermögen verschlingen und der Rest erforderte einen Kredit zu horrenden Zinsen. Sie argwöhnte fast, dass sie ihr den Zeitvortex nur überließen, weil niemand sonst bereit gewesen war, den Preis aufzubringen. So einen Prototypen stahl man nicht aus der Hochsicherheitseinrichtung des Militärs der Interstellaren Vereinigung und verhökerte ihn mal ebenso. Besonders, da er nie getestet worden war. Natürlich hatte sie ihnen wegen der Höhe des Kredites verraten müssen, wozu sie ihn benötigte, was bei den Marlows überraschtes Schweigen ausgelöst hatte. Es schien, als wollten sie es sich anders überlegen, das Zeitreisegerät für sich behalten, um selbst nach Liturgia zu fliegen und gleichzeitig spürte sie ihre Angst sich eventuell auf eine Reise ohne Wiederkehr zu begeben. Vorsichtig nutzte sie die telepathisch-suggestive Fähigkeit ihres Volkes und schickte ihnen Bilder verkohlter Körper, verstärkte die Furcht. Innerlich grinste sie, als die beiden Terraner ohne weitere Bedenken dem Kontrakt zustimmten.

Die Übergabe erfolgte problemlos. Wenn man sich auf eines verlassen konnte, dann darauf, dass die Marlows ihre Verträge penibel erfüllten. Auch wenn sie ihnen in anderer Hinsicht nicht den Rücken zudrehen würde. Natürlich hatte sie ihre besonderen Gaben als Rückversicherung, aber das brauchte sie ja niemanden auf die Nase zu binden. Der Vortex war überraschend klein und auch der dazugehörige Energiesampler war ein Meilenstein der militärischen Forschung.

„Dann mal los“, sagte sie mehr zu sich selbst, als zu der ausnahmsweise schweigsamen Psitronik der Raumjacht, nachdem sie sich weit genug von der Schmugglerbasis im Aaron Sektor entfernt hatte. Ein Prickeln durchrieselte sie, zum Teil Angst, aber auch die ungestüme Neugier, die ihrer Art zu Eigen war. Für einen Augenblick schloss die Felide ihre Augen, öffnete sie wieder und löste entschlossen den Kontakt aus, der sie etwa 500 Jahre in die Vergangenheit zurückbringen sollte oder sie vielleicht nur in ihre Bestandteile zerlegen würde. Das Gerät begann zu surren, ein leuchtendes Wabern zog wie Nebel durch die Kabine der Kalu, die von gewaltigen Stößen getroffen wurde, als sich das Zeitverzerrungsfeld um ihre Hülle legte. Der Energiesampler zog Unmengen Energie aus der Umgebung ab und leitete sie in das Feld. Shiva`Ri bemerkte bläuliche Energieblitze, die über die Schiffshülle zuckten, bis die Außenmonitore ihren Betrieb einstellten und schwarz wurden. Immer stärker schüttelte sich die kleine Jacht. Das Schlieren des Feldes tanzte Übelkeit erregend vor ihren Augen. Blut rauschte in ihren Ohren und ein gewaltiger Druck lastete auf ihr, der ihr das Atmen zur Qual machte. Ihre Sinne schwanden.

Ein Pulsieren hinter den Schläfen weckte sie, ihre Glieder fühlten sich verspannt an, von der unbequemen Lage in der sie über der Konsole zusammengebrochen war. Ihr Blick wanderte durch den Innenraum, entdeckte unbedeutende Schäden, das Trinkglas hing zersplittert in der Halterung, defekte Lämpchen auf dem Steuerpult. Nichts, was sich nicht wieder in Ordnung bringen ließ. Die Statusanzeige zeigte ihr, dass die Kalu im All trieb, der Antrieb war abgeschaltet, so wie es sein sollte. Sie streckte sich und bewunderte das Muskelspiel, welches sich unter ihrem seidigen Fell abzeichnete.

Dann beugte sie sich über den Vortex und erstarrte, laut der Anzeige war sie nicht 500 Jahre zurückgereist, sondern lediglich die Hälfte der Zeit. Das Datum zeigte ihr, dass nur wenige Stunden bis zur Vernichtung von Liturgia blieben. Als sie zusammengebrochen war, musste sie die Notabschaltung erwischt haben. Innerlich fluchend startete sie den Antrieb und ließ den Navcomputer Kurs auf den Planeten setzen, der ein paar Klicks entfernt war. Sie würde sich die Pflanze trotzdem holen. Mit aktivierter Tarneinrichtung durchquerte sie den Absperrgürtel und die heißen Kämpfe, die um sie herum tobten. Keines der Schiffe hier verfügte über die technischen Möglichkeiten sie aufzuspüren, in ihrer eigenen Zeit sah das anders aus, da taugte die Abschirmung nur um sich an zivilen oder veralteten Schiffen ungesehen vorbeizumogeln. Aber hier – sie grinste, als die Jacht durch die Atmosphäre glitt und weich auf einer Lichtung aufsetzte.

Energisch sprang sie aus der Luke und landete auf dem weichen Boden, der ständig in Bewegung schien, durch seltsame kleine bleiche Insekten mit mächtigen zangenartigen Kauwerkzeugen. Ein eigenartiger Geruch hing in der Luft, sie flehmte und kräuselte unwillig die Nase als sie ihn genauer wahrnahm. Er war widerlich, eine Mischung aus Zitrus und Essig. Shiva`Ri zog ihren Datablock und sah sich nach dem Yup-Yup-Kraut um. Die Bäume und Schlingpflanzen des Urwaldes wirkten eigenartig violett und der merkwürdige Rotton der Sonne war ungewohnt, unangenehm. Alles wirkte düster, nicht gerade ein Ort, wo man seinen Urlaub verbringen würde. Sie drang tiefer ins Dickicht ein, ihr feines Gehör nahm unzählige Geräusche war; fremd und urweltlich. Mit einer Hand hielt sie die Machete, in der anderen den Datenspeicher. Ein Laserrak baumelte über ihrer Schulter, sie war vorbereitet auf was oder wen auch immer.

Endlich sah sie das Kraut, es wucherte an einem Bachlauf, in dem eigenartige torpedoförmige Geschöpfe pfeilschnell hin und her huschten. Sie verglich die Abbildung mit der Pflanze und nickte zufrieden. Das war sie. Kleine dunkelviolette Blätter, durchzogen von roten Äderchen und orange wirkenden Blüten, die aus den Blattverzweigungen herauslugten. Mit der Machete machte sie die Pflanzen nieder, einen Augenblick dachte sie daran, einige auszugraben, aber Yup-Yup außerhalb von Liturgia zu halten, war nie gelungen und für Pflanzen hatte sie ohnehin nicht viel übrig. Sie stopfte alles in den Sack, den sie bei sich trug, wohl wissend, dass jedes Gramm ein Vermögen wert war. Ihr Funkarmband piepte, zeigte ihr, dass es Zeit war den Planeten zu verlassen. Die Kätzin eilte den Weg zurück, den sie gekommen war, erreichte die Kalu, sprang hinein, schloss das Außenschott, warf den Sack in den Spezialfrachtraum der Jacht und hastete an die Kontrollen. Aufheulend sprang der Antrieb an und die kleine Jacht raste in den dunkelroten Himmel, streifte dabei den Wipfel eines riesigen Baumes, der mit langen Lianen nach der Kalu griff und versuchte das Schiff zu sich herab zu ziehen, bevor sie ihn mit ihrem Laserwerfer grillte. „Puh“, fauchte sie, „davon stand aber nichts in den historischen Aufzeichnungen.“

Ungeduldig trommelte sie auf der Konsole herum, als sie die Atmosphäre von Liturgia hinter sich ließ und einen Kurs an der Sonne vorbei wählte, der sie schnellstens aus dem System bringen sollte. Der Annäherungsalarm dröhnte los und Shiva`Ri machte eine ungewöhnlich gedrungen aussehende Rakete aus, die sich der Kalu näherte. Geistesgegenwärtig eröffnete sie das Feuer und beobachtete triumphierend, wie das Geschoß in einer gewaltigen Explosion verging. Eine Druckwelle raste heran, schüttelte die Jacht kräftig durch, schaffte es aber nicht die phasenverschobenen Schutzschirme zu durchdringen und erreichte auch den riesigen Kampfraumer, der die Rakete abgefeuert hatte. Die Wirkung war enorm, er wurde regelrecht auseinander gerissen.
„Was zur Hölle war das denn?“, knurrte sie erstaunt.
„Meinen Messdaten nach, enthielt die Rakete eine Supernovabombe mit Ziel auf die Sonne“, verkündete die Psitronik, die sich angesprochen fühlte.
„Scheiße“, fluchte Shiva`Ri, als ihr klar wurde, dass sie gerade die Vernichtung Liturgias verhindert hatte. Die Preise für das Yup-Yup würden enorm fallen. Mit dem, was sie dann noch bekommen würde, könnte sie den Zeitvortex niemals abbezahlen – ihr Todesurteil. `Wenn meine Zeit dann überhaupt noch existiert. Es sei denn,...´
Entschlossen riss sie ihr Schiff herum und feuerte einen Halbraumtorpedo auf die Sonne ab, schaltete den Zeitmanipulator auf den Rückkehrmodus um und löste ihn aus. Als das Schlieren erneut begann, sah sie wie die rote Sonne sich aufblähte und Liturgia verschluckte. Ihr wurde schwarz vor Augen.

Als sie zu sich kam, checkte sie die Daten, hörte den Funk ab. Alles schien normal, bis auf eine Gravitationsanomalie in ihrer Nähe, an die sie sich nicht erinnerte, doch in den Navigationsunterlagen war sie verzeichnet. `Ich muss mich täuschen. Die paar Minuten Verspätung bei der Vernichtung des Planeten können nicht so wichtig sein.´ Sie schloss die Augen, dachte an all die Toten. `Es musste sein. Ich habe nur den Lauf der Geschichte wieder hergestellt.´ Ein entschlossener Zug bildete sich um ihre Mundwinkel. `Es wird Zeit, das Raumdock anzufliegen, wo sich Baxter angeblich aufhält.´ Doch vorher brachte sie das Yup-Yup-Kraut noch sicher im Frachtraum unter.

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