Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespürt.
„Es ist meine Schuld, dass sie Tod ist. Es war meine Idee in diese Ruine zu gehen. Sie wollte eigentlich gar nicht. Aber jetzt? Jetzt ist alles vorbei. Sie ist tot!“
„Beruhige dich jetzt bitte. Ich weiß, dass es sehr schlimm für dich ist, aber du musst noch einmal diesen Abend Revue passieren lassen und uns alles haargenau mitteilen, damit sich unsere Chancen vergrößern, den Mörder so schnell wie möglich zu fangen“, sagte Inspektor LeMarc und versuchte den Jungen durch leichte Tätscheleien am Kopf zu beruhigen. „Du brauchst keine Angst haben. Du kommst jetzt erstmal mit, erholst dich und erzählst uns alles von dem Punkt aus, als ihr die Ruine betreten habt.
Mittwoch, 19:30 Uhr, Ruine
„Nein, Amelie, was ist los? Steh auf! Hey, Amelie, wir schaffen dass. Ich höre schon die Polizeisirenen. Er ist weg, du brauchst keine Angst haben. Was ist denn nun? Steh auf, wir haben es geschafft, der Horror ist zu Ende!“ Julien kauerte in einer Ecke hinter einer morschen Schrankwand, vor ihm reglos seine beste Freundin Amelie. „Na los, jetzt, komm. Wir müssen hier raus, sonst kommt er noch wieder!“ Doch Amelie rührte sich immer noch nicht. Sie war tot. Umgebracht worden von einem verrückten Landstreicher, dessen getrautes Heim diese verlassene Ruine war.
Mittwoch, 19.20 Uhr, Policedepartment
LeMarc saß ruhig und entspannt auf seinem Sessel. Er musste nur noch knapp 2 Stunden arbeiten und dann hatte er Feierabend. Donnerstag und Freitag hatte er sich frei genommen. Somit kann er den Kurztrip mit seiner Familie so richtig genießen und für einige Zeit Abstand von seinem stressigen Job nehmen.
Als das Telefon ihn aus seinen Tagträumen riss, meldete er sich wie gewöhnlich lässig. „Policedepartment 133, Inspektor LeMarc am Apparat. Was kann ich für sie tun?“
Guten Tag, Michelle Ampassi mein Name, ich möchte eine Vermisstenanzeige aufgeben.“ „Wen vermissen sie denn“, fragte LeMarc beruhigend. „Ich vermisse meinen Sohn Julien und dessen Schulfreundin Amelie, sie sind schon seit knapp 3 Stunden weg und ich weiß nicht wo sie sind. Sie wollten einfach etwas unternehmen, ich weiß aber nicht genau was. Ich kann mir nur eins vorstellen, dass sie vielleicht zur alten Ruine in der Gillmore- Street gegangen sind.“ „ Warum sollten sie den dort ihre Zeit verbringen. Es wimmelt darin nur von gruseligen Gestalten die einen vorübergehenden Unterschlupf suchen. Ein sehr gefährlicher Ort!“ „Ich weiß, aber Julien mochte schon immer Abenteuer und es ist möglich, dass er damit Ruhm bei seinen Freunden ernten möchte.“ „Frau Ampassi, ich und mein Kollege werden der Sache auf den Grund gehen. Ich kann ihn aber nicht so viel versprechen. Möglicherweise ist er einfach nur irgendwo anders, machen sie sich keine Sorge. Wir fahren zur Ruine und benachrichtigen sie dann. Auf Wiedersehen!“ „Danke“, seufzte Michelle Ampassi und legte traurig und besorgt den Telefonhörer auf und wartete.
Mittwoch, 19:10 Uhr, Ruine
„Amelie! Wo bist du?“ „Julien hilf mir, ich bin hier im vorderen Zimmer!“ Julien hörte, wie sich Schritte aus seinem Zimmer in Richtung des Zimmers seiner besten Freundin entfernten. Jetzt war er hinter ihr her. Julien musste sie retten, schließlich war es seine Idee, in diese Ruine zu gehen. Ohrenbetäubende, angsterfüllte Schreie durchrissen die Stille. Er war jetzt nur noch einige Meter von ihr entfernt, aber sie konnte nicht schneller. Julien schaffte es nicht, Amelie und dem Landstreicher in der Dunkelheit zufolgen. Zahlreiche umgeschmissene Möbel versperrten ihm oft genug den Weg und es war einfach unmöglich, Amelie zu Hilfe zu eilen. Dann plötzlich ein Schrei, lauter als diejenigen zuvor. Dann ein dumpfer Klang, als wenn etwas Schweres auf den Boden fällt, gefolgt von nervenzerreißender Stille. Julien wagte es nicht, weiter vorzudringen, aus Angst, dem Landstreicher direkt in die Arme zu laufen. Schritte, die sich immer weiter entfernten in Richtung Treppe und schließlich dann in einem der oberen Stockwerke zum Stehen kamen.
Mittwoch, 18:50 Uhr, Ruine
„Wo ist er? Ich habe solche Angst, Julien! Was machen wir jetzt? Ich will hier raus, “ flüsterte Amelie Julien so leise es ihr schneller, panischer Atem es zu ließ. „Wir schleichen uns jetzt langsam in Richtung des Fensters, dort hinten.“ Julien nickte einem zerbrochen, gut 7 Meter weit entfernten Fenster zu. „ Komm mit!“ Julien zog Amelie am Ärmel und beide bewegten sich so leise sie konnten im Zimmer entlang. Plötzlich stand er in der Tür. Sein großes, schwarzes Profil bebte vor Wut. „Ich kriege euch! Ihr kommt hier nicht raus!“ Unter Panik liefen Julien und Amelie in verschiedene Richtungen.
Mittwoch, 18:40 Uhr, Ruine
„Ihr kleinen Kinder kommt mir nicht davon!“ Versteckt euch nur, ich finde euch sowieso. Und keiner kann euch hier rausholen. Hier hört euch niemand!“ Julien und Amelie rannten so schnell sie konnten. Sie wollten nur noch hier raus. Was war das für eine dumme Idee. Der Landstreicher ließ sich Zeit mit der Verfolgung der „Eindringlinge“. Er spielte mit ihnen. Er genoss es, wenigstens einmal in seinem Leben oben auf zu sein, das Sagen zu haben, zu entscheiden, wo es lang geht. Nach ungefähr 5 Minuten entschied er sich, da Versteckspiel zu beenden und machte sich langsam und ganz ruhig auf die Suche.
Mittwoch, 18:20 Uhr, Ruine
„Hey Amelie, kannst du erkennen, wer oder was dort liegt? Das da hinten, das große, Schwarze?“ „Da sieht für mich aus, als wenn dort jemand schläft, oder zumindest liegt. Wer kann das sein. Glaubst du, der wohnt hier?“ „Lass uns doch einfach nachschauen, wer der Bewohner dieser Ruine ist. Komm schon.“ Sie pirschten sich immer näher an ihr Ziel heran. Ein ekliger Geruch von Bier, alten Schweiß und Moder stieg ihnen in die Nasen und ließ sie schaudern. Plötzlich, als sie sich dem Mann schon halb abgewandt hatten, hörte sie ein Scharren und danach eine rauchige Stimme: „Wer seit ihr denn? Was habt ihr hier verloren?“
„Wir wollten nur..., wie haben nur...LAUF Amelie!“ Beide rannten los, ohne den genauen Grund für ihre plötzliche Flucht zu kennen. Julien hatte aber eine Vorahnung, dass die eine richtige Entscheidung war und das es womöglich noch schlimmer kommen könnte.
Mittwoch, 17 Uhr, Gillmore- Street
„Wollen wir dort wirklich reingehen? Meinst du nicht, das wir das lassen sollen?“ „Ach Amelie, sei doch kein Feigling. Das macht doch Spaß, so ein Abenteuer. Es wird schon nichts passieren. Wir gehen einmal kurz in das Haus, stöbern dort ein wenig rum und hauen dann schnell wieder ab. Stell dir doch mal vor, was unsere Freunde sagen würden, wenn sie erfahren, dass wir den Mut aufgebracht haben, dort zu zweit hinein zu gehen.“ „Ja das hast du Recht, trotzdem ist mir die gesamte Sache nicht ganz geheuer. Was ist wenn wir uns verirren?“ „ Es wird schon nichts passieren. Das Haus ist doch gar nicht so groß. Wir übernachten doch nicht. Wir gehen einmal kurz rein. Nur so aus Neugier!“ Sie übersahen das rot-weiße Absperrband und betraten die verlassne, dunkle Ruine. Eine gruselige Kälte ließ ihre Körper erzittern. Den Moment, indem sich ihre Augen erst an die Dunkelheit in der Ruine gewöhnen mussten, tasteten sie blind umher und wussten schon nach kurzer Zeit nicht, wie lange und wo sie genau in dem Haus waren.
Mittwoch, 16:30 Uhr, Haus der Ampassis
„Amelie, kannst du bitte ausmachen? Ich telefoniere gerade. Es hat an der Fronttür geklingelt!“ „Ja, Mutter, in Ordnung.“ Amelie öffnete die Tür und vor ihr stand Julien, ihr bester Freund seit der Grundschule. „ Hi Amelie, wie geht’s dir?“ Was machst du heute denn so? Mir ist voll langweilig. Wollen wir nicht etwas zusammen unternehmen?“ „Eigentlich wollte ich heute noch ein wenig für die Arbeit in der nächsten Woche lernen!“ „ Ach Amelie, die schreiben wir doch erst Mittwoch. Heute ist Samstag. Lass uns den Tag genießen. Du kannst doch noch genug dafür lernen.“
Zu diesem Zeitpunkt wusste Julien noch nicht, dass er Amelie nach diesem Tag für immer vom Lernen abhalten würde.
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