„Nora, du Schlafmütze, ich will mit dir reden!“
Mir ist kalt, ich will mich zudecken, doch ich greife ins Leere. Blinzelnd schaue ich in die Richtung aus der die Stimme kam. Am Fußende flackert ein Licht.
„Endlich! Das hat aber gedauert!“
Ich gähne. Was für ein bescheuerter Traum.
„Das ist kein Traum!“
Ich richte mich auf und werfe einen Blick auf die Uhr, kurz nach drei. Dann schaue ich genauer hin. Ein grünes Männchen hockt mit übereinander geschlagenen Beinen auf meiner Decke.
„Warum kannst du meine Gedanken lesen?“, will ich wissen.
Die dunklen Knopfaugen erinnern an ein Plüschtier. Der Bauch leuchtet, als hätte es eine Glühbirne verschluckt.
„Ich bin Tuzzel, dein Wunschgnom.“
„Mein was?“
Plötzlich schwebt der Gnom durch die Luft und landet an meiner Seite. Er hat kleine schuppige Flügel.
Bin ich verrückt geworden?
„Nein“, antwortet er und verzieht seinen zahnlosen Mund. „Pass auf, ich erkläre es dir.“
Ich schüttle den Kopf und kneife mir in den Arm.
„Aua!“ Verdammt, ich bin wach.
Tuzzel lacht mich aus.
Ich schiebe das Kopfkissen hinter meinen Rücken, ziehe die Augenbraue hoch. Angst habe ich keine. Es muss ein Traum sein! Vielleicht habe ich Fieber? Eine Halluzination?
„Also“, beginnt Tuzzel, „noch einmal: Ich bin dein Wunschgnom. Jedem Menschen erscheinen wir einmal im Leben. Wann, das entscheiden wir selbst. Deine Zeit ist gekommen, auch wenn die Zauberelfen anderer Meinung sind. Verstanden?“
„Zauberelfen?“
Mein Gott, ich rede tatsächlich mit einem Plüschtierimitat.
Das Männchen grunzt. „Ich bin kein Innitat!“
„Imitat“, verbessere ich.
„Egal. Wo waren wir? Ach ja, bei den Zauberelfen. Sie mögen es nicht, wenn wir Schabernack mit den Menschen treiben. Dabei meinen wirs nur gut.“
„Sagst du!“.
„Seit Wochen heulst du diesem Kerl hinterher. Ist das gut?“
Ich schnaube. Klaus, dieser Idiot, er hat mich sitzen lassen, wegen so einem Supertittchen auf Stelzen.
„Pah, Klaus!“
„Jetzt hast du eine große Klappe! Dabei hättest du ihn am Liebsten zurück!“
„Du meinst ... du kannst ...?“
Er schüttelt den Kopf. „Oh nein! Er kommt nicht zu dir zurück.“ Ein böses Lächeln huscht über sein Gesicht.
„Wie meinst du das?“ Stirnrunzelnd sehe ich ihn an.
Er rückt näher und legt seine kleine Hand auf meine. Vertrauensselig schaut er mich an.
„Ich sags nur einmal, dann ist der Zauber vorbei.“
Am nächsten Morgen strahlt die Sonne in mein Zimmer. Ich gähne herzhaft, dann erinnere ich mich an den Traum.
„Mein Wunschgnom, lächerlich!“
Nun rede ich schon selber mit mir. Ich gehe ins Badezimmer und strecke meinem Spiegelbild die Zunge raus. Schluss mit dem Unfug!
Die Tage vergehen, ohne dass ich den Rat des Männchens vergessen kann. Wenn es doch kein Hirngespinst war? Nur bei Vollmond hatte es gesagt, in fünf Tagen.
Die Neugier siegt.
Sofort beginne ich mit den Vorbereitungen. Bei der Oma von nebenan besorge ich ein großes Einmachglas mit Gummiring und aus der Bücherei ein Buch über Pilze und Beeren.
Nachdem ich ausgiebig die Lektüre studiert habe, mache ich mich auf in den Wald. Grünblättriger Schwefelkopf, hatte der Gnom gesagt. Hochgiftig. Ich erkenne den Pilz an seinem geflochtenen Stiel. Pflücke ein paar und lege sie in die mitgebrachte Schachtel. Nach längerem Suchen finde ich versteckt am Waldrand einen Strauch Tollkirschen. Fünf der glänzenden, schwarzen Beeren stopfe ich ebenfalls in die Schachtel.
Am nächsten Tag koche ich den Pilz mit den Tollkirschen auf und gieße den Sud in das Einmachglas. Die schwierigste Aufgabe steht mir noch bevor. Ein Laubfrosch muss her, ein lebender. Viel Zeit bleibt nicht mehr, ab morgen darf das Glas nicht mehr geöffnet werden. Die drei verbleibenden Tage bis Vollmond hat das Gebräu zu ruhen.
Ich weiß, dass es am Weiher welche gibt, aber wie soll ich einen fangen? Diese glitschigen Dinger springen bestimmt nicht von alleine in meinen Bottich! Vielleicht klappt es mit dem Netz?
Ich ziehe meine Gummistiefel an, schnappe mir einen Eimer mit Deckel und nehme den Kescher mit.
Am Weiher angekommen höre ich lautes Gequake. Ich entdecke einen Frosch am Ufer. Ziemlich klein und grünbraun. Den oder keinen! Langsam pirsche ich näher. Vorsichtig öffne ich den Eimer, beuge mich vor und will das Tier einfangen. Platsch, er springt ins Wasser; ich rutsche aus und lande im Schlamm.
Super Aktion! Entnervt lege ich mich ins Gras.
Da, genau neben mir hockt wieder einer. Reflexartig stülpe ich den Eimer über ihn. Geschafft. Vorsichtig schiebe ich den Deckel unter den Rand und drücke ihn fest zu.
In der Wohnung setze ich das Tier in das mit dem Sud gefüllte Glas und bohre noch ein paar Luftlöcher in den Deckel. Nun heißt es warten.
Endlich Vollmond. Mit dem Einmachglas unter dem Arm mache ich mich auf den Weg zu Klaus. Verwundert öffnet er mir die Tür.
„Nora, duuuu?“
Ich schenke ihm ein bezauberndes Lächeln. Dann öffne ich den Deckel und mit einem großen Satz springt das Tier ins Freie. Ehe Klaus etwas sagen kann, verwandelt er sich vor meinen Augen in einen hässlichen, braunen Frosch, noch hässlicher als das mitgebrachte Exemplar. Angewidert stopfe ich ihn in das Glas.
„Du wirst einen Ehrenplatz auf dem Regal bekommen und dann lade ich dein Supertittchen zum Kaffee ein. Vielleicht lasse ich dich etwas umher hüpfen, damit du ihr in den Ausschnitt springen kannst “
Kichernd sehe ich durch das Glas. Klaus glotzt mich an.
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