Futter für die Bestie
Futter für die Bestie
Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten-
Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
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Januar 2006
Ein perfekter Plan
von Marlene Geselle

Eine einmalige Idee, die Planung brillant, sorgfältige Durchführung: das Material für die Story des Jahres.





14.35 Uhr Kreissparkassenfiliale Untere Au



Die Automatiktüren öffneten sich, ließen die beiden jugendlich wirkenden Männer eintreten. Unförmige, viel zu große Jogginganzüge mit auffälligem Werbeaufdruck, Wollmützen mit den obligatorischen Sehschlitzen, imposante Schusswaffen. Da musste nicht lange nachgedacht werden. Herr Konradis, der Filialleiter, und seine beiden Mitarbeiter wahrten die Ruhe: keine hektischen Bewegungen, keine Provokationen. Glücklicherweise hielten sich zu der Zeit keine Kunden in der Filiale auf.

Ohne ein Wort zu sprechen, deutete der größere der Bankräuber mit seiner Waffe zuerst auf Konradis, danach auf den Tresor. Der Filialleiter öffnete den Geldschrank, packte die Barschaft ordentlich in die Plastiktüte, die der kleinere der Männer ihm reichte. Der Geldautomat kam anschließend an die Reihe. In weniger als drei Minuten war alles erledigt; die Bankangestellten konnten aufatmen.





14.40 Uhr Schließfachanlage Hauptbahnhof



Die beiden jungen Männer unterschieden sich in nichts von ihren Altersgenossen: leicht abgetragene Jeans, Sweatshirt, Markenturnschuhe, Rucksäcke. Ruhigen Schrittes verließen sie die Waschräume, durchquerten die Halle, packten ihre Rucksäcke in zwei der Schließfächer, warfen die Münzen ein. Einem gepflegten Stadtbummel mit anschließendem Kinobesuch stand nichts mehr im Wege. Und mit dem letzten Zug würde man nach Hause fahren.





15.07 Uhr, ebenda



Karl Wagenknecht machte seine tägliche Kontrollrunde. Mit geschultem Blick entdeckte er auf Anhieb nicht nur die kaputten Schlösser in der unteren Reihe, die beiden roten Warnlampen links oben nahm er auch wahr. Gesperrte Fächer. Entweder war die Zeit abgelaufen - oder die Münzen waren einfach durchgerutscht und lagen nun im Wechselgeldfach. Höchstwahrscheinlich Letzteres.

"Na, dann wollen wir mal", seufzte er, schaute zuerst ins Wechselgeldfach, wo er prompt ein Fünfzigcentstück fand. Anweisungsgemäß warf Wagenknecht die Münze in den Schlitz, um die Laufzeit wieder in Gang zu setzen und die Sperre aufzuheben. Das Geldstück rutschte durch, landete erneut im Wechselgeldfach. Beim zweiten Schließfach wiederholte sich alles. Der Mann hangelte nun den Generalschlüssel aus den Untiefen seiner Arbeitstasche, öffnete die Fächer, um den Inhalt sicherzustellen und in der Zentrale abzugeben. An die nun offen stehenden Schließfachtüren klebte er die obligatorischen Hinweiszettel.





16.27 Uhr Kriminalpolizei Sigmaringen, Büro Müllerjahn



Mit einem erleichterten Seufzer legte Kommissar Müllerjahn den Hörer auf, um gleich danach lauthals loszulachen. Sein Kollege am Schreibtisch gegenüber, Kriminalassistent Torsten Kreenhein, deutete den Heiterkeitsausbruch richtig.

"Und ich dachte schon, der Krawinkel von Drogen II will uns auf den Arm nehmen, aber die Leute von der Spurensicherung haben die Kerle ja unabhängig davon überführt."

"Was soll's, Torsten", Müllerjahn nahm die Sache gelassen, "dann haben halt nicht wir den Fall gelöst, sondern Kommissar Zufall. Oder besser gesagt, Krawinkel und seine nähtechnisch begabte Frau."

"Und was machen wir jetzt, Oberkollege Müllerjahn?", wollte der junge Mann wissen.

"Nur noch ein bisschen warten. Schließlich geht der letzte Zug schon um 22.27 Uhr. Das ist so schön an der Provinz, man hat halbwegs zeitig Feierabend.“





22.40 Uhr, ebenda



"Ihr Bullen nehmt uns auf den Arm! Ihr braucht 'nen Schuldigen für die Sache in der Kreissparkasse. Da habt ihr euch einfach die Erstbesten geschnappt!"

Auf dem Arbeitstisch lagen die Bänder aus den Überwachungskameras der Bank und der Schließfachanlage, zwei Rucksäcke, zwei fachmännisch ausgebesserte Jogginganzüge, die dazugehörigen Wollmützen, die beiden Revolver - und 10.755,- Euro in bar. Und auf fast allen Beweisstücken befanden sich, wie Kriminalassistent Kreenhein den Verhafteten versicherte, ihre Fingerabdrücke.

Lutz Stingelmeier und Jan Hansschmidt waren der Polizei nicht unbekannt, wie der Volksmund das so schön formuliert. Kommissar Krawinkel vom Drogendezernat II kannte die Burschen bestens, schließlich waren sie langjährige "Kunden" - und Lutz Stingelmeier nicht nur das.

"Sagen Sie mal, Stingelmeier", begann der Kommissar das eigentliche Verhör, "wie sind Sie bloß auf die Idee gekommen, ausgerechnet diese blöden Jogger zum Überfall anzuziehen? Mit dem Werbeaufdruck vom Polizeisportverein? Wo Frau Krawinkel ihre Tante ist, und ihr armer Onkel Sie alle naslang mit Joints erwischt? Noch nichts vom neuen Datenübermittlungssystem der baden-württembergischen Polizei gehört? Eine Stunde nach dem Überfall hatten alle Polizeibeamten in hundert Kilometer Umkreis die Bilder aus der Bank im Fax. Kollege Krawinkel musste nur kurz daheim anrufen."

"Was?!" Jan Hansschmidt wäre seinem Kumpel liebend gerne an die Gurgel gegangen, nur Müllerjahns warnender Blick hielt ihn davon ab. "Du hast mir erzählt, die Teile wären vom Flohmarkt, kein Mensch würde die Dinger identifizieren können! Ausrangierte Jogginganzüge von Bullen! Und jetzt kommt der Obergrüne - mit dem Daumen wies er auf Kommissar Müllerjahn - da an und erzählt, dass du die Teile von Tantchen hast. Und was ist mit der Knete, die ich dir gegeben hab, damit du die Jogger kaufen kannst? Was hast du Penner mit dem Geld gemacht?"

"Ich brauchte dringend was zum Rauchen. Und 'ne Monatskarte für die Bahn musste ich mir auch noch kaufen."

"Du Torfnase!", Hansschmidt konnte kaum fassen, was da passiert war. Sein schöner Plan, jede Einzelheit genau durchdacht! Und dann so eine Pleite! "Mit der Story sind wir die dümmsten Diebe im Knast! Weißt du das?!"

Kriminalassistent Kreenhein schaute zu den Beweisstücken auf dem Arbeitstisch: "Jungs, da will ich euch nicht widersprechen."


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