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Januar 2006
Im Kampf gegen die Natur
von Heidi Hoppe

Von Tag zu Tag wird Karl zappeliger. Er, der sonst die Ruhe in Person ist. Zumindest zwischen Kälteeinbruch bis zur Wiedergeburt der Natur.

„Elsa“ ruft er seiner Angetrauten zu „Elsa, nun guck doch!“

Sie bereitet gerade das Frühstück und schneidet Brothäppchen zurecht.

Karl steht hinter der Gardine und starrt hinaus, direkt auf seinen Nachbarn Theobald.

„Der kann’s nicht abwarten. Elsa!“ Seine Ungeduld wächst.

„Aber Karl, deine Häppchen sind noch nicht fertig, ich komme ja gleich.“

„Ein Schande! Erst morgen ist Frühlingsanfang und der… macht sich hier zum Affen.“

Karl gestikuliert wild mit den Händen und berührt versehentlich den Store. Das hat Theo bemerkt und grüßt.

„Guck ihn dir an. Hat nichts Besseres zu tun als auf die Nachbarn zu starren.“

„Frühstück, Frühstück ist fertig“, flötet es aus der Küche

Der Kaffeeduft lockt Karl ins Esszimmer.

„Das hättest du dir ansehen sollen. Den ganzen Kofferraum voll.“

„Voll? Womit? “ schmatzt Elsa.

„Na, beim Gartenmarkt ist er gewesen. Alles Mögliche hat er ausgeladen. Elsa, wir müssen heute auch los.“

„Ach Karl, nimm dir doch schon mal ein Tütchen Backpulver.“

„Na gut, kann ja nicht schaden, aber bis gestern hab ich noch keine Ameise gesichtet.“

Dann geht er zielstrebig zum Küchenschrank, reißt die oberste Schublade auf und lässt die Schultern hängen.

„Wo, wo liegt das Backpulver?“

„Ach, lass nur, ich komme ja schon.“

Mit einem Griff zaubert Elsa einen ganzen Karton hervor.

„Wie du siehst, hab ich vorgesorgt. Bei „Gut und Billig“ gab´s welches im Angebot, und da morgen Frühlingsanfang ist, hab ich sofort an dich gedacht.“

Karl lächelt - zum ersten Mal an diesem denkwürdigen Morgen - seiner Holden zu und gibt ihr einen Klaps auf ihr ausladendes Hinterteil.

„Zieh dich aber warm an, Karl. Nimm die russische Fellmütze. Du weißt, mit dem Ohrenreißen ist nicht zu spaßen.“ Ihr Ton nahm den eines Feldwebels an.

„Ist gut, Elsa, aber nun muss ich raus“.

Karl steigt in seine Winterjacke, stülpt sich den Fellmopp über, zieht seine gefütterten Stiefel an und geht mit dem Karton vors Haus.

Seinen Nachbarn hatte er inzwischen völlig vergessen. Sein Augenmerk gilt dem Pflaster unter seinen Füßen, vielmehr den Fugen. Hier hatten sich Moose und Flechten angesiedelt. Stellenweise entdeckt er winzige Löchlein, aus denen das Leben nur so sprudelt. Ameisen, Ameisen, nichts als Ameisen. Sie genießen die ersten Sonnenstrahlen. Karl beginnt zu schwitzen.

„Ich werd euch!“, schreit er, „nicht mit mir!“ und fuchtelt mit den Armen, sodass einzelne Tütchen aus dem Karton fliegen. Wenige davon rauschen dem Nachbarn direkt vor die Ligusterhecke

Karl sammelt sie murrend wieder ein, nimmt eins davon, reißt es auf, bückt sich stöhnend und streut den weißen Puder in die durchlöcherten Spalten. Dann verfolgt er ein Krabbeltier, nimmt mit Zeigefinger und Daumen eine Prise des Backpulvers und versucht, diese Kreatur zu bestäuben. Das war ein schwieriges Unterfangen. Mit gebeugtem Rücken arbeitet Karl sich vorwärts, immer der Ameise hinterher, bis er laut schreiend innehält.

„Mein Kreuz, mein Kreuz“, jammert er. Plötzlich klopft ihm jemand auf die Schulter.

„Herrje, Hilfe, Hilfe!“ Ihm ist der Schreck in die Glieder gefahren.

Neben sich vermutet er einen Außerirdischen. Das Wesen beugt sich über ihn.

Es trägt eine Flasche auf dem Rücken, aus der ein Wellschlauch bis zu seinem Mund führt. Auf den Ohren kleben runde Boller und die Gestalt trägt einen giftgrünen Overall.

Karl blickt wieder nach unten. Das kann doch nicht sein? Sollten etwa die Ameisen mutiert sein?

„Karl, ich bin’s doch, Theo. Was ist mit dir?“ nuschelt eine Stimme.

Theo versucht, seinem Nachbarn aufzuhelfen, der immer noch gekrümmt neben ihm verharrt.

„Mein Gott, wie siehst du denn aus?“ stöhnt Karl.

Theo spuckt das Mundstück mit dem Schlauch aus.

„Gegen die Ameisen. Heute gekauft. Ist ganz neu auf den Markt gekommen. Das Zeug rottet sie aus, diese elende Brut, ein für allemal!“ Er zeigt auf eine Flasche, die neben ihm steht und dann auf seinen Rücken. „Sauerstoff, ist sonst zu gefährlich.“

Während er spricht, versucht er, Karl aufzurichten.

„Au, sachte, sachte. Lass nur, ich geh ein paar Schritte und dann …“

Karl schleppt sich vorwärts. Von Schritt zu Schritt richtet er sich ein wenig mehr auf und schließlich schafft er es unter lautem Gestöhne, wieder gerade zu stehen.

„Jedes Jahr das gleiche. Mein Buckel muss sich erst wieder an die Gartenarbeit gewöhnen.“

„Ich kann ja mal eben schnell mit meiner Spritze …“ Theo deutet auf Karls Grundstück.

„Nein, um Gottes Willen. Dieses Giftzeug. Nee, nee. Backpulver ist da weitaus besser. Mit deinem Gift tötest du doch alles ab, was da kreucht und fleucht.“

„Na und? Wart, ich mach mal.“ Peter nimmt die Flasche zur Hand, schiebt sich das Mundstück zwischen die Lippen und spritzt.

„Hab ich dir nicht gesagt …“ Karl hebt den Karton vom Gartenstuhl, reißt ein paar Päckchen auf und der Wind fegt das Pulver zu Theo hinüber.

Das Mundstück ploppte auf seine Brust.

„Dir ist aber auch nicht zu helfen.“ Theo pumpt und pumpt. Sprühregen hüllt die beiden Streithähne ein.

Karl verwedelt ein Tütchen nach dem anderen in der lauen Vorfrühlingsluft. Feiner, weißer Staub umnebelt die Nachbarn.



Elsa hört in der Küche das Geschrei, doch bevor sie nach dem Rechten sieht, räumt sie den Esstisch ab, wäscht das Geschirr und erst als alles blinkt, geht sie vors Haus. Da hatte sie die Bescherung. Weißes Pulver verunziert den Hauseingang. Sie nimmt den robusten Besen, fegt alles blitzsauber und ruft den Krankenwagen.

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