Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
In diesem Buch präsentiert sich die erfahrene Dortmunder Autorinnengruppe Undpunkt mit kleinen gemeinen und bitterbösen Geschichten.
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Januar 2006
Stressdämon liebt Hexe Hektik
von Anita Handlbaur

In der Küche erklang Weihnachtsmusik. Jasmin sog sie ihn sich auf. Zur Melodie summend, Weihnachtskekse backend stand sie vor dem Herd. Herrlicher Duft umgab sie. Ja das ist Weihnachtsstimmung. „Feliz navidad … wish you a merry Christmas … lala“, sang sie inbrünstig.



Das erste Weihnachtsfest in ihren eigenen vier Wänden. Die Vorfreude war groß. Erst bei der Familie feiern, danach mit ihren Freunden –hier Zuhause. „Ja das wird toll“, träumte sie vor sich hin. Während ihre zarten Hände den Lebkuchen in die Keksdose beförderten. Das nächste Blech war bereits fertig belegt und wollte in den Ofen geschoben werden.

Die junge Frau überlegte, wen sie beschenken sollte. Mit Kaffee und Kuchen setzte sie sich an den PC und stöberte im Internet. Gemütlich einkaufen ohne Stress und Gedränge. Problemlos konnte sie hier alles bestellen. Sie wusste es würde ihretwegen kein „Umtauschgerenne“ geben. Denn jeder bekam nur Dinge, die er sich auch wünschte. Bei diesem Gedanken meldete sich wieder ihr größter Feind. Der Vitaminräuber, der Nervtöter. Der Weihnachtsstimmungsmörder. Der altbekannte Mister STRESS. Ein Bösewicht ohnegleichen.

Jasmin arbeitete als Kassiererin in einem Discounter. Dort fühlte sich dieser Herr heimisch, alles musste schnell gehen unter dem Motto: „Zeit ist Geld!“. Gerade zu Weihnachten brachten die Kunden reichlich Futter für diesen Quälgeist mit. Alle waren besessen von ihm; ein Dämon schlimmer noch als der Teufel höchst persönlich. Davon war Jasmin überzeugt, obwohl ihr Satan noch nicht kannte.

Jasmins größter Wunsch war es Herrn STRESS zu besiegen, sie wollte wie Buffy sein. Die Vampirjägerin, vom Fernsehen hübsch, stark und knallhart. Nur, dass Jasmin wohl mehr als nur einen Pfahl brauchen würde. Für Herrn STRESS müsste etwas Effektiveres her.



Es war zwei Wochen vor Weihnachten, der Druck in der Arbeit stieg, Menschen drängten und hasteten durch die Gänge des Geschäftes. Jasmin saß an der Kasse, sie konnte ihn wahrnehmen. Sah ihn bildlich vor sich. Schemenhaft und doch war er da, eine bärige Statur. Böse funkelten sie rote Augen an. „Ach Herrje!“ Jasmin stockte der Atem, Dämon Stress hatte sich bereits gepaart. Erhobenen Hauptes kam sie hinter ihm hervor getänzelt. Die Lippen knallig rot, zu einem höhnischem Lächeln gekräuselt. Schwarz das Haar, welches zu einem Knoten hochgesteckt war. Das Gesicht faltig und fahl. Hexe HEKTIK.

„Ich muss eine Lösung finden, bevor sie noch ein Kind bekommen. Herzinfarkt, Magengeschwür … Wie würden sie es wohl nennen?“, dachte Jasmin bei sich.



„Fräulein! Wo ist der Kaffee aus dem Prospekt. Sie haben doch …“, quiekte entnervt eine ältere Dame.

„Einen Moment bitte“, wehrte Jasmin ab, da sie mitten in einem Kassiervorgang war.

„Aber der Kaffee wo …! Fräulein! Nun hören Sie mich endlich an!“, fauchte die Kundin.

„Das macht 33 Euro 23. Bitte!“, ignorierte Jasmin die nervende Frau. Immerhin sollte die Kasse stimmen am Abend. Als der Kunde abgefertigt war, wandte sie sich an die Dame mit dem Kaffee: „Dort hinten steht er“, gab sie nun ruhig und freundlich Auskunft.

„Danke!“

„Fräulein?“, kam es von links, rechts, vorne und selbst von hinten. Alle wollten gleichzeitig etwas. Eigentlich war es ihre Aufgabe die Ware zack- zack, in rekordverdächtigem Tempo, über den Scanner zu befördern. Was nicht möglich war, da die letzte Kundschaft stur den Ablauf blockierte. Langsam und bedächtig schlichtete er die Produkte in seine Tüten. Die gekauften Dinge stauten sich bis zum Scanner zurück. Jasmin konnte sich nicht mehr rühren. Bezahlen wollte er erst danach. Die Schlange an der Kassa wuchs an. „Könnten sie bitte erst bezahlen?“ Zaghaft zückte er seine Geldtasche. Jasmin musste sich ranhalten, um die Kunden abzufertigen. In der Hektik stieß sie an einem Produkt an, es fiel zu Boden. Der vorherige Herr, war immer noch nicht fertig mit dem Einräumen.

„Sagen sie mal! Haben sie noch alle Tassen im Schrank?“, schrie der ältere Herr. Wortlos stand Jasmin auf, hob die Geschenkpapierrolle auf und legte sie zu den anderen Artikeln.

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung.“ Sie ging wieder hinter die Kasse, doch da das Pult so angeräumt war, streifte Jasmin.

Die Geschenkspapierrolle; sie fiel abermals zu Boden, als Jasmin sich setzen wollte. „Sie blöde Göre Sie! Das ist doch eine Frechheit! Was erlauben sie sich eigentlich?“, schnaubte der Herr aggressiv. Jasmin holte tief Luft, ihr Kopf war knallrot, da sah sie das Pärchen Stress-Hektik lachend tuscheln.

„Es tut mir leid.“ Wütend schrie und keifte der Alte weiter. Jasmin hatte sich schon dem nächsten Kunden zugewandt, nahm seine Lebensmittel vom Förderband, als sie einen dumpfen Schlag spürte, sie sah Sterne tanzen. Ein Schmerzensschrei entfuhr ihrer Kehle. Hastig tastete sie nach der Glocke. Sie verweilte darauf, als würde ihre Hand daran kleben. Das Geschäft wurde mit stürmischem Geläute erfüllt. Als Zeichen für ihre Chefin, dass sie gebraucht wurde. Jasmin bekam keine Luft, Tränen liefen ihr über die Wangen, sie taumelte hielt sich den Bauch. Da kam Silke, ihre Chefin angeeilt. Nahm sie schützend in den Arm.

„Was ist los? Was ist geschehen?“, fragte sie besorgt. Sie wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Lebensmittel lagen am Boden verteilt. Jasmin brachte kein Wort heraus. „Der … Herr …, “ schluchzte sie.

Der Kunde, der eben an der Reihe war, erfasste das Wort und klärte Silke über die Sachlage auf. „Er hat ihr die Einkaufstüte an den Kopf geschleudert. Das muss man sich erst einmal vorstellen. Das arme Fräulein.“

Mittlerweile war auch Tanja schon da, um für Jasmin zu übernehmen. Silke forderte Jasmin auf nach hinten ins Büro zu gehen. Dort sollte sie warten, bis die Polizei eintraf.

Jasmin zündete sich sofort eine Zigarette an, versuchte sich zu beruhigen. Der Kopf pochte.

Silke kam in Begleitung der Polizei, dem Täter und dem Zeugen ins Büro.

„Das wird eine Anzeige auf Körperverletzung!“, meinte einer der Beamten zu dem Täter, schroff. „Hausverbot ebenfalls. Kaufen Sie in Zukunft wo anders ein.“ Zu Jasmin gewandt meinte er: „Sie lassen sich untersuchen. Wir rufen sie an wegen einem Termin fürs Protokoll. Lassen Sie sich vom Arzt einen Befund mitgeben, den brauchen wir dann.“

Nachdem alles geklärt und aufgenommen war ging Jasmin ins Krankenhaus. Zum Glück befand sich dieses in der Nähe. So konnte sie zu Fuß dorthin gelangen.



Nach ein paar Tagen Krankenstand (leichte Gehirnerschütterung, Prellungen am Kopf, Ohr und kleine Schnittwunden in der linken Gesichtshälfte), trat Jasmin ihren Dienst wieder an. Schlussdienst hatte sie, Frühdienst am Folgetag. Somit musste sie den Schlüssel mitnehmen. Das war die Gelegenheit.

Sie ging ganz normal nach Hause, wo sie ein Elixier braute. Ein Zaubertrank bestehend aus: Innerer Ruhe, Liebe, Freude und ein paar geheime Zutaten. Als Verstärker, damit es schneller wirkte, mischte sie Baldrian und Johanniskräuter unter. Das Gebräu musste einige Stunden ruhen. Genug Zeit, um zu duschen und ein Abendmahl zuzubereiten, welches sie vor dem Fernseher zu sich nahm.

Kurz vor Mitternacht machte sie sich auf den Weg, bewaffnet mit einer Taschenlampe und ihrem Wundergemisch.

Bei der Lagertür verschaffte sie sich Zutritt. Diffus leuchtete die Lame, doch in dem Schein konnte sie ihre Gegner dennoch ausmachen. Ist es nicht nur die Optik die sie erscheinen ließ, viel mehr zählte hier das Empfinden. Deutlich spürte sie ihre Anwesenheit, wenn auch nicht so stark, wie während der Arbeit. Vor der Tür, die vom Lager ins Geschäft führte, machte Jasmin halt. Zusammen gekuschelt lagen ihre Feinde da. Scheinbar friedlich schlummernd. Die junge Frau bespritze das Paar mit reichlich von ihrer Lösung.

Den Rest spritze sie in den Lebkuchen, den die Kunden als Geschenk erhalten sollten.

Siegessicher fuhr sie heimwärts, um noch ein paar Stunden Schlaf zu konsumieren.





Ihr Plan ging auf. Herr STRESS und Hexe Hektik, ließen sich nicht mehr blicken. Die Kunden wurden ruhiger. Welch ein Wunder! Nun konnte Jasmin den übrigen Advent genießen. Stille Weihnachten würde es heuer für Jedermann geben.





@ Anita Handlbaur im Jänner 2006

Letzte Aktualisierung: 27.06.2006 - 23.16 Uhr
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