Mainhattan Moments
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Januar 2006
„Seine Schöne“
von Gabriele Maricic-Kaiblinger

Als sein Blick zufällig auf sie fiel, wusste er gleich, dass er sie haben musste. Ihre vollendete Figur, ihre Anmut, wie sie da auf dem Sockel saß, die Beine schräg abgewinkelt, das zarte Lächeln auf ihrem Gesicht, der sehnsuchtsvoll verträumte Blick, der wirkte, als würde sie zu Boden schauen und einen doch gleichzeitig anblicken – dies alles zog ihn so in ihren Bann, dass er sich dessen nicht entziehen konnte.



Nun stand sie da am kleinen Badeteich seines Gartens, umschirmt von Tujen, sodass vorbeigehende Spaziergänger nicht mal ahnen konnten, welche Schönheit sich dahinter verbarg.

Jeden Tag setzte er sich neben sie, betrachtete sie mit einer gewissen Ehrfurcht und fing schlieĂźlich sogar an, mit ihr zu sprechen.

„Meine Schönheit“, war das erste, das ihm in den Sinn kam. „Meine Schönheit, seit du da bist, bin ich nicht mehr einsam.“ „Ich bin so glücklich, dass du hier bist, meine Schöne.“ Auch mit „mein Liebling“ und „mein Schatz“ liebkoste er sie und je mehr er mit ihr sprach und ihr erzählte, desto mehr faszinierte ihn ihr Antlitz und er hatte das Gefühl, dass das zarte Lächeln darin intensiver wurde.



Mittlerweile ging er vor seiner Arbeit als Installateur zu ihr, kam in der Mittagspause schnell nach Hause, nur um einen Blick auf sie zu werfen, abends vor dem Schlafengehen musste er ihr mitteilen, wie sein Tag abgelaufen war. Schließlich verbrachte er jede freie Minute bei ihr, wurde richtig besessen davon, ihr nah zu sein, nahm die Mahlzeiten bei ihr ein, und vernachlässigte seine Freunde, die ihn sowieso bereits für verrückt hielten.

„Du bist mein Lebensinhalt, meine Schöne, was tät’ ich nur ohne dich“, flüsterte ihr zu und ihr Lächeln wurde immer ausdrucksvoller.



Dann traf er Elena. Natürlich erzählte er seiner Schönen begeistert davon, wie er sich verliebt hatte und glaubte, nach all seinen bisherigen Enttäuschungen, nun endlich die Richtige gefunden zu haben. Er merkte nicht, dass ihr Lächeln dabei erblasste und von Tag zu Tag schwächer wurde. Und als er ihr Elena vorstellte: – „Das ist Elena, meine Schönheit. Elena, meine schöne Freundin hier, hat mir über viele einsame Stunden hinweggeholfen.“ „Jetzt bist du aber nicht mehr einsam“, antwortete Elena und streichelte ihn zärtlich. „Nein, das bin ich nicht mehr“, bestätigte er und küsste sie –, war ihr sanftes Lächeln plötzlich verschwunden.



Er kam nun immer seltener zu seiner Schönen. Und irgendwann schien ihm, als zeigte sie plötzlich harte, unnahbare Gesichtszüge – doch er tat dies als Sinnestäuschung ab.

„Meine Schöne, du hast doch keinen Kummer oder?“ fragte er, doch es klang eher abfällig und sarkastisch als besorgt. „Wie solltest du auch, du bist ja nicht echt“, fügte er noch hinzu und seit diesem Moment stand Hass in ihren Gesichtszügen, doch er achtete gar nicht mehr so sehr darauf, hatte ihm doch nun das Leben mehr zu bieten als eine kalte, starre Statue.

Und als Elena ganz zu ihm zog, kamen sie nur noch zusammen zum Teich, aber nicht etwa, um mit „seiner Schönen“ zu sprechen, sondern höchstens, um zu schwimmen oder am Uferrand zu entspannen. Und dies auch immer seltener, denn Elena fühlte sich hier nicht so richtig wohl und auch für ihn bekam dieser Platz etwas eigenartig Beklemmendes.



Es war Herbst, als Elena einmal früher als er von der Arbeit nach Hause kam. Sie bereitete das Abendessen zu und plötzlich war ihr, als hätte sie jemand gerufen. Sie trat in den Garten, aber es war niemand da. Doch es schien ihr, als würde die Stimme nun „Elena“ und „Komm her“, rufen und es zog sie irgendwie zum Teich hin.

„Komisch, was tu ich hier?“ fragte sie sich laut, nickte zur Statue hin und sagte: „Weißt du, was ich hier tue?“

„Komm näher“, hörte Elena da in ihrem Kopf und erschrak. Sie starrte die Figur an und ging zu ihr hin.

„Was willst du?“ fragte sie und schalt sich gleich selbst.

Jetzt sprech’ ich schon mit einer Statue – ich muss verrückt sein …

Sie schüttelte den Kopf und legte die Hand auf den Arm der Statue. Da spürte sie plötzlich einen Schubs.

Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie später geschworen, dass sie gestoßen worden war – doch sie konnte es nicht mehr. Sie verlor den Halt, rutschte aus und stürzte ins Wasser. Durch den Schock des kalten Wassers, begann sie wie wild um sich zu strampeln, verfing sich und versank.



Als er nach Hause kam, suchte er Elena und sah sie plötzlich im Teich treiben. Er schrie auf und zog sie raus. Dabei fiel sein Blick kurz auf die Statue, deren Gesichtszüge mit einem Mal wieder weicher schienen, doch dafür hatte er jetzt keinen Sinn.



Das Begräbnis war vorüber und er saß wieder mal am Teichrand und klagte ihr sein Leid.

„Wie konnte das nur passieren, meine Schöne?“ „Wie gut, dass ich dich hab’. Du wirst mich in meinem Schmerz trösten …“



Und es schien, als wäre das vertraute zarte Lächeln wieder wie immer …

Letzte Aktualisierung: 27.06.2006 - 23.11 Uhr
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