Mainhattan Moments
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Februar 2006
Der Papagei
von Stephanie Braun

„Blödmann! – Mia, Mia! – Schatz!”



John versuchte sich verzweifelt auf seine Bücher zu konzentrieren. Ständig krächzte der blöde Papagei dazwischen, dabei war die Klausur morgen sehr wichtig für ihn.

Als er es nicht mehr aushielt, flüchtete er in die Unibibliothek.

„Blödmann!“



Erst vor kurzem verstarb seine Freundin Mia, die ihm den Papagei hinterließ. John wusste wie wichtig ihr das Tier war, aber das Gekrächze – unerträglich! Schmerzhaft erinnerte er sich an Mia.

Alles fing damit an, dass John für seine Nachbarin ein paar Besorgungen erledigte, als sie sich den Fuß gebrochen hatte.

Sie bot ihm Tee und Gebäck an, während sie ihm abenteuerliche Geschichten aus ihrem Leben erzählte, oder ihm auch einfach nur zuhörte. Bald entwickelte sich zwischen ihnen eine ganz besondere Beziehung.

John vertraute ihr viele seiner Sorgen an. Gerne erzählte er ihr von Janine, dem Mädchen seiner Träume. Sie sagte dann immer: „Wenn sie dich nicht wahrnimmt, ist sie deiner Liebe nicht wert.“



„Mensch Mia, warum lässt du mich mit diesem Papagei allein?“



In der Bibliothek fand John für eine Weile die benötigte Ruhe zum Lernen, bis er Janine an einem der Bücherregale stehen sah. Sie beachtete ihn nicht und er versuchte sich so gut es ging auf seine Bücher zu konzentrieren.

Plötzlich drehte sie sich um und lächelte ihn an.

„Hallo John.“ Er hätte nicht zu träumen gewagt, dass sie seinen Namen kannte. Jetzt kam sie näher. „Sag mal, kannst du mir für die Klausur morgen helfen?“

Nur zu gerne half er ihr, konnte sein Glück kaum fassen, mit Janine an einem Tisch zu sitzen.

Doch dann klingelte ihr Handy, sie verschwand um zu telefonieren. Nervös trommelte er mit en Händen auf dem Tisch; die anderen warfen ihm schon böse Blicke zu.

Als Janine wieder kam, packte sie schnell ihre Sachen zusammen: „Entschuldige ich muss weg. Danke für deine Hilfe - wir sehen uns Morgen. Lass uns nach der Klausur einen Kaffee trinken gehen.“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und weg war sie.

Verwirrt blieb John zurück. Er strich sich langsam über die Wange, über die Stelle, die Janine geküsst hatte.

Er ging nach Hause.

Wenn er das jetzt Mia erzählen könnte



Zuhause wurde er wieder freundlich begrüßt:

„Blödmann! – Schatz!“

„Ja, ein Blödmann bin ich, ich hätte sie nicht einfach gehen lassen dürfen“, schrie er den Papagei an.

„Mia! – Mia!“

„Mia ist tot!“ John kamen die Tränen. Nur der Papagei war ihm geblieben. Keiner konnte ihm mehr helfen.

„Jetzt müssen wir beide versuchen miteinander auszukommen“, seufzte er und beobachtete den Vogel in seinem Käfig.

„Kannst du mir nicht erklären, warum Janine einfach abgehauen ist? Sie hat mich geküsst, weißt du; nicht richtig , aber ... – Ach, was rede ich überhaupt mit dir, du verstehst mich ja doch nicht.“

„Blödmann! – Blödmann!“

„Ja, Blödmann. So beschimpfst du mich immer. Ich heiße John.“ Plötzlich musste er lachen.

„Ich heiße John, sag doch mal J-o-h-n.“

Der Papagei beobachtete ihn.

„Blödmann! – Schatz!“

„Was hast du denn für einen Schatz?“ Zu Mias Lebzeiten hatte er das nie gesagt.

Überrascht schaute John zu, wie der Papagei von seiner Stange hüpfte und eifrig mit seinem Schnabel auf den Boden zu hacken begann.

„Blödmann! – Mia! – Schatz!“



„Kannst du nicht einmal etwas anderes sagen?“

„Blödmann! – Mia! – Schatz!“

Weiter hackte er auf dem Käfigboden herum. ‚Warum macht er das?’

„Schatz! – Blödmann! – Schatz!“

Der Papagei war ganz aufgeregt. Vorsichtig setzte ihn John auf seinen Käfig, um den Vogelsand auszutauschen – keine angenehme Arbeit. Die Bodenplatte war nicht richtig befestigt. ‚Hatte er sich deswegen beschwert?’

„Blödmann! – Schatz!“

Der Papagei flatterte aufgeregt umher.

Ein doppelter Boden – ein Brief!



„Mia! Mia!“



John setzte sich mit dem Brief auf das Sofa und las den Brief, während sich der Papagei auf die Lehne setzte und ihm über die Schulter blickte.



„Lieber John,



ich weiß, es geht bald zu Ende mit mir. Ich bin müde.

Ich bin froh, nicht einsam sterben zu müssen, es ist schön, dass es dich gibt. Danke für alles.
Meine Familie wohnt weit weg – du hattest nie die Gelegenheit, sie kennen zu lernen.

Ich mag ihnen nicht vorwerfen, dass sie sich nicht um mich gekümmert haben.

Aber mein ganzes Erbe denen hinterlassen?



Das Schreiben strengt mich an, John.

Ich habe dir noch so viel zu sagen, leider bleibt mir nicht mehr die Zeit.“




Ein Blick auf das Datum des Briefes, verriet John, dass sie ihn am Tage vor ihrem Tod geschrieben hatte.

„Sie hat es wirklich gewusst. Sie war schon lange krank, aber nie hat sie aufgegeben. – Ich habe sie gefunden. Sie lag in ihrem Bett und ich dachte sie schläft nur. Sie sah zufrieden aus, als hätte sie einen schönen Traum. Lange habe ich an ihrem Bett gesessen und von ihr Abschied genommen.“

“Mein Geld, John, ich habe es gut angelegt, mir manchmal etwas gegönnt, meine Reise in den Regenwald zum Beispiel.“



Die Schrift wurde immer schlechter.



„Oft haben wir davon gesprochen. Es war so schön. Die vielen Vögel.

Zu gerne wäre ich noch einmal hingefahren, vielleicht mit dir.

Im Umschlag findest du einen Schlüssel für ein Bankschließfach. Herr Niesen, mein Anwalt, wird dir alles erklären.



Ich lege mich jetzt schlafen.
Lebe wohl mein Freund.

Deine Mia!“




„Ach Mia, wie schön wäre es gewesen, mit dir in den Regenwald zu fahren.“





“Blödmann! – John! ­– Blödmann!

Janine! – Schatz!“





© Stephanie Braun

Letzte Aktualisierung: 28.06.2006 - 10.12 Uhr
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