Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » Monique Lhoir IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
März 2006
Nur eine Polin
von Monique Lhoir

Gisas lange Reise ging zu Ende. Tarnow in Polen, wo sie vor achtzig Jahren das Licht der Welt erblickte und jetzt sterben wollte. Eine Reise, die über Belzec nach Deutschland geführt hatte.

Aber war sie nicht längst gestorben? Bereits vor vielen, vielen Jahren? Beim Geruch von gebratenem Fleisch wurde ihr übel, jede Uniform erschreckte sie, bei amtlichen Briefen geriet sie in Panik und Untersuchungen beim Arzt, wo sie sich auskleiden musste, erlebte sie unter Qualen. Nirgendwo fühlte sie sich frei und ungezwungen.

„Das war bestimmt die Polin von oben“, hatten die Nachbarn letztens im Hausflur geflüstert, als ein Fahrrad aus dem Keller verschwand. „Die klauen alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Wie die Elstern. Man sollte sie aus unserem Land vertreiben. Sie nehmen unsere Arbeitsplätze weg. Rausschmeißen sollte man das Volk.“

Jetzt wusste Gisa, wo sie hin gehörte. Nie in ihrem Leben hatte sie gestohlen, ganz im Gegenteil.



* * *



„Mama, wo werden wir hingebracht?“ Gisa drängt sich an die Mutter.

„Still“, zischt diese.

Gisa ahnt es: Belzec. Dicht gedrängt und halb erstickt fahren sie in geschlossenen Waggons. Alle verabschieden sich voneinander, denn sie wissen, dass dort die Öfen sind. Obwohl die Leute in Tarnow oft darüber sprachen, kann sich niemand so recht vorstellen, wie es sein wird. Als sie abends endlich ankommen, treibt man alle über die breite Allee des Lagers. Unzählige Menschen, fast die gesamte Stadt Tarnow. Schon von weitem sieht sie den Himmel, rot, wie bei einem Brand. Dass Menschen so brennen sollen, kann sich Gisa nicht vorstellen. Aus den Schornsteinen kommt kein Rauch, nur Feuerregen.

Jemand fragt einen Posten: „Was brennt dort?“

„Brot. Es muss viel Brot gebacken werden“, ist die Antwort und ein höhnisches Lachen folgt. ...

Liebe Leserin, lieber Leser,

diese Geschichte gehört zu den Siegergeschichten und erscheint in unserer Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir uns nicht selbst Konkurrenz machen möchten, indem wir die Geschichte ebenfalls hier komplett veröffentlichen.

Vielen Dank!

Andreas Schröter

Letzte Aktualisierung: 02.07.2006 - 18.27 Uhr
Dieser Text enthält 1805 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.