Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das? Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten- Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
Du kriechst durch die nächtlichen Fenster. Kauerst Dich mit beständiger Sturheit auf mich. Lässt Dich nicht abschütteln. Du bist wie ein unkontrollierbares Tier. Böse. Gemein. Hinterlistig. Kommst und gehst wie Du willst. Ohne Gesetze. Ohne Regeln. So, wie es Dir beliebt. Lauerst mir auf. Streichst erst wie ein hungriges Raubtier um mein Bett, das darauf wartet, dass ich meine schwächste Minute erreiche. Fasst mich dann und lässt mich nicht mehr los.
Oh, Du Bestie.
Jede Nacht besuchst Du mich. Fast immer zur selben Minute. Kriechst in mich. Es fühlt sich an wie Eis, wenn Du meine Seele berührst. All meine Zuversicht erfriert unter Deiner Last. Erweckst Zweifel in mir, Zweifel an mir selbst. All mein positives Ich geht durch Dich verloren. Lässt meinen Körper zittern und beben. Bist gnadenlos. Nahezu höhnisch.
Du erfüllst meinen Schädel mit wirren Gedanken. Verwandelst Bilder der Erinnerung in verzerrte Höllenvisionen, denen ich nicht zu entrinnen vermag. Was einst so schön und niedlich war, ist nun unter Deiner Regie ein Abstieg in dunkle Kellergewölbe, voller Schrecken. Du belügst mich, indem Du diese Erinnerungen verformst. Du beschwindelst mich, indem Du sie mit Schatten und dunklen Phantomen ausmalst. Ich weiß es, doch trotzdem glaube ich Dir. Muss Dir glauben, kann gar nicht anders.
Machst mein Morgen zu einem grotesken Film, erfüllt mit Darstellungen von Eventualitäten, die sich in Deinen Händen zu bedrohlichen Wirklichkeiten steigern. Alle bösen Aussichten nehmen Gestalt, wirkliche Formen an. Ich muss Dir einfach glauben, denn Du zeichnest sie so real, erklärst sie mir sogar und führst ihre Geschichte bis zum bösen Showdown zu Ende.
`Es wird geschehen, wie ich es Dir zeige´, wisperst Du durch das Eis in meiner Seele. Lässt mich jeden neuen Tag schon in der Nacht zuvor fürchten. Verwandelst das Übermorgen zu Dante-Bildern, in denen ich meine eigene Hölle durchlebe.
Oh, Du Bestie.
Jede Nacht umklammerst Du mich, wenn ich mich gegen Dich zu erwehren versuche und suchst mich umso schlimmer heim. Nimmst Gegenwehr gar nicht zur Kenntnis. Jede Rationalität, die ich als Mauer gegen Dich zu errichten probiere, überrennst Du einfach in Deiner Allmacht. Ich frage mich, woher Du Deine Stärke nimmst, mich immer wieder zu erobern. Ich frage mich, ob Du nicht zu besiegen bist? Frage mich, woher Du kommst.
Kamst Du von alleine? Oder sandte Dich jemand zu mir. Doch wer könnte mich so hassen? Wer ist so abgrundtief böse, dass er einen solchen Soldaten zu seinem Feinde schickt?
Besiegst immer wieder meine Sicherheit, verwandelst mich in ein dunkles Loch, in das Du Deine kranken Visionen füllst. Bis es voll, ja, überfüllt ist. Nimmst mir meine Nachtruhe, meinen Schlaf. Wenn ich Deine Trugbilder nicht mehr sehen will, verhinderst Du mit ausdauernder Kraft meine Gegenwehr.
Oh, Du Bestie.
Fürchtest den Tag. Fühlst Dich nur in den Schatten der Nacht sicher. Kriechst hervor, sobald der Tag entschläft, meinen Geist zu knechten. Kriechst hervor, um mich zu martern. Vergiftest meine Gedanken. Ziehst mich in Deinen unheiligen Bann. Wartest auf eine einsame Sekunde, in der ich zu sehr in meinen Gedanken schwelge. Es ist, als ob Du diesen dunklen Augenblick witterst wie ein Raubtier. Scheinst zu wissen, wann Du mich heimzusuchen hast, passt den Moment unserer Zusammenkunft genau ab, den Moment meiner größten Schwäche.
Wärest Du nur ein Traum, so könnte ich versuchen zu erwachen, um Dir zu entgehen.
Wärest Du nur eine Schimäre würde ich Dich nicht fürchten. Könnte Dich auslachen. Doch Du bist so real, fast körperlich fühle ich Dich. Es kommt mir vor, als ob Du ein eigenes Bewusstsein hast.
Oh, Du Bestie.
Ich bin alleine mit Dir, denn niemand könnte verstehen, dass Du mein Weggefährte bist. Wählte ich Dich, oder nahmst Du mich zum Begleiter. Lebst Du? Spürst Du? Brauchst Du mich, um meine vergehende Kraft wie eine Trophäe zu erobern. Trinkst Du mich wie einen Becher stärkenden Elixiers, damit Du mehr Kraft hast, um mich in der darauf folgenden Nacht noch gemeiner und stärker aufzusuchen?
Warum lässt Du mich an mir zweifeln?
Warum lässt Du nicht einfach los?
Liebst Du mich?
Hasst Du mich?
Brauchst Du mich?
Benötigst keinen Grund um zu existieren. Bist einfach da. Heftest Dich wie ein Parasit an meine Gedanken. Lässt nicht mehr los. Bestürmst mich mit tausend Fragen, deren Sinn zwar fragwürdig ist, aber Du bist ein überzeugender Prophet.
Du glaubst, ich kenne Dich nicht. Doch Du irrst. Bist ein Teil meines Lebens. Bist es geworden. Ein ungewollter Gefährte, dessen Namen ich sehr wohl kenne:
Angst.
Oh, Du Bestie.
Watolla 2005
Letzte Aktualisierung: 29.06.2006 - 08.33 Uhr Dieser Text enthält 4627 Zeichen.