Der Tod aus der Teekiste
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"Viele Autoren können schreiben, aber nur wenige können originell schreiben. Wir präsentieren Ihnen die Stecknadeln aus dem Heuhaufen."
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März 2006
Graue Morgenstunde
von Anna Maria Sauseng

Ich war in den frühen Morgenstunden mit dem Nachtdienst fertig geworden, deckte den alten Gutsherrn mit der Tagdecke zu, zog meinen Mantel über die Schwesterntracht und verließ das Herrenhaus. Das alte Torschloss knarrte wie jeden Morgen, dieses Kratzen weckte meine müden Nerven und mein leerer, kalter Magen knurrte dabei.
Ich hätte nie gedacht, dass dieser Morgen anders verlaufen würde, als sonst, wenn ich zu Hause angekommen, friedlich in den Tagschlaf sinke.
Der Wagen war kalt wie eine Gefriertruhe, die Scheiben beschlagen vom Morgenfrost. Doch der Motor erwärmte sich bald.
Am Waldweg musste ich besonders langsam fahren, denn da wechselte oft Wild über die Straße.
Still und ruhig begann sich das Tal zu lichten. Diese Minuten des Tagwerdens liebte ich besonders, sie gehörten mir ganz allein.

Doch was war da? Vor mir zwei kleine, rote Lichter, sie wurden immer, immer größer.
Zweiter Gang, erster Gang, ich blieb stehen.
Ein altes Auto war schräg in den Forstweg hinein abgestellt worden. Die Seitentüre, zum Wald hin geöffnet.
Ich stellte den Motor ab, kurbelte das Fenster herunter und lauschte. Nicht einmal der Ruf eines Vogels war zu hören. Ein Hund beschnüffelte das hintere Rad, und hob das Bein.
Sollte ich aussteigen? Ob jemand Hilfe braucht? War da ein Unfall, ein Sekundentod, oder gar ein Mord? – zuckte es durch meinen Kopf.
Vorsichtig stieg ich aus. Ging einige Schritte nach vorne. Nichts. Der Hund leckte am Auto.
Die Rückseite des Wagens war rot verschmiert, wie von frischem Blut. Der Kofferraum klaffte.
In meinen Adern staute es bleischwer, in meiner linken Brust flatterte es, bis in den Schädel pulsierte es hoch.

Da, ein Rascheln, Zweige knackten. Ich starrte in die Richtung. Aus der Nebelwand löste sich eine riesige Gestalt. Ganz nahe vor mir registrierte ich: schwarze Lederstiefel, grüne Stutzen, eine Lederhose vom Knie aufwärts, grüner Lodenumhang, Vollbart bedeckt das Gesicht, Hut mit Gamsbart.
Dann Dunkelheit, die Schwere sickerte aus meinem Körper. Ich wurde
in einen Wirbel gezogen und sank und sank ganz tief -.

„Na, Schwesterlein, geht’s schon wieder?“ Ein bärtiges Gesicht dicht über mich gebeugt, seine Augen funkelten. Mein Kopf lag auf seiner Hand. Mit einem Ruck versuchte ich hoch zu kommen. Er hielt mich zurück, gab mir eine scharfe Flüssigkeit zu trinken.
Bald fühlte ich mich wohler, atmete tief durch. Ich sagte ihm, dass ich schon glaubte meine letzte Stunde habe geschlagen.
„Ja, ja, so ist es. Warum haben Sie denn angehalten? Sie als Frau, mitten im Wald und so früh am Morgen?“
„War meine Verpflichtung zur ersten Hilfeleistung.“
„Ach so. Nein, nein, es ist nichts passiert, einen guten Schuss hab ich gehabt, wollens ihn sehen?“
Ich sagte: „Nein, aber danke für den feurigen Schnaps.“
Dann eilte ich zu meinem Auto und fuhr los, die Reifen quietschten.


Letzte Aktualisierung: 29.06.2006 - 21.59 Uhr
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