Lautes Knattern schreckt mich aus dem Schlaf. Es dauert eine Weile, bis mir einfällt, wo ich bin.
Wir verbringen die zweite Nacht unseres Zelt-Urlaubs auf einem Campingplatz in Jamestown, North Dakota. Die Zeltwände werden vom Wind gepeitscht. Ein flaues Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus. Hoffentlich zieht das Gewitter schnell vorüber.
Ein gewaltiger Donnerschlag lässt meine Eingeweide beben, dann dominiert das Heulen des Sturms wieder.
Nur von den dünnen Stoffbahnen umgeben, komme ich mir sehr hilflos und klein vor. Das mulmige Gefühl in meinem Magen steigert sich zur Furcht, als ich im nächsten Blitzlicht die an der Decke befestigte Lampe gefährlich schwanken sehe. Entsetzliche Bilder steigen in mir auf: Meine Kinder, erschlagen von einer Campinglampe in der Größe eines Springerstiefels.
„Bitte häng die Lampe ab. Ich habe Angst, dass sie herunterfällt!“
Seufzend steht er auf und schaltet die batteriebetriebene Lampe auf schwächster Stufe ein. Während er in dem wackelnden Zelt mit dem Knoten kämpft, reißt draußen die Verankerung eines Fensters. Mit einem geräuschvollen „Flapp-flapp“ klappt es, vom Wind getrieben, immer wieder rein und raus. Lorena liegt direkt daneben, es könnte sie verletzen. Besorgt stehe ich auf, um es festzuhalten.
Lorena wacht auf und schaut mich mit ängstlichen Augen an.
„Es ist nur ein Gewitter, mein Schatz. Ist bestimmt bald vorbei“, versuche ich sie und mich zu beruhigen. Hoffentlich hat sie das Zittern in meiner Stimme nicht gehört.
Eigentlich hätte ich es nicht für möglich gehalten, doch plötzlich steigert sich das Getöse zu Ohren betäubendem Dröhnen.
Mir wird abwechselnd heiß und kalt. Was kommt da auf uns zu?
Eine gewaltige Sturmböe hebt plötzlich den Zeltboden an, ist im Begriff das Zelt umzukippen, als wäre es ein Dominostein. Fassungslos und starr vor Schreck, schaue ich zu, wie sich die beiden Luftbetten aufstellen und mir meine Kinder entgegenschleudern, als wären sie von einem Katapult abgefeuert worden!
Alles purzelt durcheinander. Der fahle Lichtschein der Campinglampe wird vom Chaos verschluckt.
Verzweifelt versuche ich mich auf den Beinen zu halten und das Luftbett festzuhalten, das uns nieder zu drücken droht. Lorena kreischt und ich ziehe sie mit einer Hand auf ihre Füße, halte ihre kleine Hand, während ich meine andere gegen das Bett stemme. Ich stottere automatisch beruhigende Worte, an die ich selbst kaum glaube, blicke mich um, versuche im Halbdunkeln etwas zu erkennen – Julian gibt keinen Ton von sich, und ich kann ihn nirgends entdecken.
Eiskalter Regen peitscht uns entgegen. Julian beginnt zu heulen. Mir ist, als würde der Druck eines Schraubstocks von meinem Herzen genommen werden, so erleichtert bin ich. Das ist das erste Mal, dass ich mich über das Weinen meines Sohnes freue. So schnell wie möglich versuche ich mit den Kindern das Auto zu erreichen. Der Sturm raubt uns die Luft zum Atmen. Ich zittere wie Espenlaub. Ob vor Schock oder Kälte, das weiß ich nicht.