Honigfalter
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März 2006
Dienstreise
von André Franke

"Geht es nicht ein bisschen schneller" fauchte Charles ungeduldig nach vorne. Der Fahrer des Taxis verneinte. "Keine Chance" erwiderte der kopfschüttelnd. „Die Straße ist einfach zu voll, um hier wirklich vorwärts zu kommen.“ Charles, wurde unruhiger. Das Taxi steckte im dichten Verkehr und er wollte pünktlich am Flughafen sein. Als Mitarbeiter einer kleinen Computerfirma hatte er bisher nicht besonders viele Außentermine wahrnehmen müssen. Das Treffen, das sein Chef diesmal für ihn organisiert hatte, sollte jenseits des großen Teichs stattfinden. Die dortigen Geschäftspartner legten großen Wert, auf einen persönlichen Kontakt. Und als Betreuer des laufenden Projekts war er gefordert. Wieder ging es ein Stück weiter, die Bewegung riss ihn aus seinen Gedanken. Nach ein paar Metern war abermals Schluss. "Sie werden schon noch pünktlich ihren Flieger erreichen", versuchte der Taxifahrer den Mann im Fond zu beruhigen. "Bisher habe ich noch nie einen Abflug verpasst." "Sie vielleicht nicht" entgegnete ihm Charles. "Ich habe ja auch den Termin wahrzunehmen". Charles war fast zwei Meter groß, hatte breite Schultern und wirkte mit seiner muskulösen Gestalt fast schon wie ein Schrank. Doch je näher sie dem Flughafen kamen, je schlimmer wurde das Gefühl in seiner Magengegend, steigerten sich Unwohlsein und Unruhe. Es war schon schlimm, wenn er auch nur an ein Flugzeug denken musste. Und dann auch noch darin zu fliegen. Das war schon ungeheuerlich, was hier von ihm verlangt wurde. Der Mensch ist doch gar nicht zum Fliegen geboren. Sein Zittern nahm zu. Es half nichts. Er musste diesen Auftrag wahrnehmen, durfte seinen Chef nicht enttäuschen. So rosig sah es um die Finanzen und Aufträge der Firma nicht aus, als dass er einen der wichtigsten Kunden hätte vergraulen dürfen. Fehlte noch, wenn dieser abspringen würde. Er wurde im fahriger. Der Stau löste sich schließlich gerade noch rechtzeitig auf. Der Wagen konnte die letzten Meter ohne weitere unplanmäßige Stopps zurücklegen. Er kam pünktlich an, diese Hürde war genommen.

Charles betrat die gläserne Haupthalle. Überall wimmelte es nur so von Menschen aller Nationen. Er sollte sich an einem der drei Abfertigungsschalter am hinteren Ende zum Einchecken einfinden. Der Weg schien endlos. Irgendwie gelang es ihm, sich durch das Chaos durchzuschlagen. Er hatte das Gefühl, er wäre im Dschungel. Als müsse er gleich seine Machete einsetzen. So eng und voll war es hier. Charles schlug sich durch das Gewimmel. Und konnte von weitem die hintere Wand erblicken. Eine ganze Reihe von Passagieren stand bereits Schlange und wartete darauf, den Koffer abzugeben. Nach etwa zehn Minuten kam er endlich dran und bekam seine Bordkarte. Sein Koffer bekam einen Anhänger um den Griff, er sah ihn immer weiter verschwinden. Ob er ihn wohl jemals wieder sehen würde? Irgendwie traute er solchen Anlagen nicht wirklich. Anschließend begab er sich zur Sicherheitsschleuse. Sein Handgepäck kam auf ein kleines Fließband und wurde durch ein Röntgengerät geleitet, während er alle Metallteile ablegen musste und dann durch einen gesonderten Apparat, einen so genannten Detektor, gehen musste. Die Anlage blieb ruhig. Sehr schön. Charles war etwas erleichtert. Auch sein Handgepäck passierte ohne Probleme die Kontrolle. Sogar an seinen Pass hatte er gedacht. Und der war sogar noch gültig. Fein. Konnte ja eigentlich nicht mehr groß was schief gehen. Nur die Angst blieb weiterhin. Vor dem Flug, dem Abheben, dem Ungewohnten. Noch war er recht zuversichtlich und nahm auf einem Sitz in der recht großen Wartehalle Platz. Nun wurde der Flug letztmalig aufgerufen. Zwei Frauen machten sich vor der Gangway bereit, die Bordkarten zu überprüfen. Zeitungen lagen hier zum Mitnehmen bereit. Doch er war sich sicher, er würde kaum zum Lesen kommen, sich gar nicht konzentrieren können. Er reihte sich ein, zeigte sein Ticket und verschwand in dem engen langen Rüssel, die ihn zu seiner Maschine führen sollte.

Kurz darauf betrat er die Kabine. Der Innenraum, den er hier sah, verfügte über zwei Gänge, an deren Seiten die endlos langen Sitzreihen lagen. Zur Fensterreihe hin waren jeweils drei ziemlich eng wirkende Sitze eingebaut, zwischen den Gängen gab es noch mal vier. Eine Stewardess begleitete ihn auf seinen Platz in der achten Reihe. Ihm war ziemlich mulmig. Er quetschte sich schließlich in den ihm zugewiesenen Sitz. Das Anschnallen fiel ihm schwer, da seine Hände so zitterten, als könnten sie einen Faden in eine laufende Nähmaschine einfädeln. Ihm war übel. Die Enge der Maschine steigerte seine Stimmung noch. Seine Knie stießen hart an den Sitz vor ihm. Rechts war kaum Platz, um seinen Arm abzulegen. Aber er saß wenigsten am Gang, so dass er seinen linken Arm hier frei pendeln lassen konnte. Warum ließ er das nur alles über sich ergehen? Währenddessen füllte sich die Kabine merklich. Es wurde voller. Sein Hals zog sich immer enger zusammen. So klaustrophobisch hatte er sich noch nirgendwo gefühlt. Lautes Murmeln erfüllte die Reihen. Nun musste er sich sogar noch einmal abschnallen. Ein älterer Mann wollte auf den Fensterplatz rechts von ihm. Währenddessen kramte die Crew in einer Art Kleiderschrank. Sie zauberten einen Sicherheitsgurt mit Gurtschloss und etwas, das wie eine Schwimmweste aussah, aus dem Behältnis. Nun wurde eine Bandaufnahme abgespielt, in der ihm in mehreren Sprachen erklärt wurde, wie er sich anzuschnallen habe und was im Falle einer Störung zu machen sein würde. Die Stewardessen fuchtelten dabei wie wild um sich, ließen das Schloss mehrfach einschnappen und wieder lösen. Schließlich zeigten sie mit ihren Armen noch in Richtung der Notausgänge. Einer davon war keine zwei Meter von ihm entfernt. Nun kam eine Lautsprecherdurchsage. Die Stimme war zwar laut, irgendwie aber kaum zu verstehen. Konnte der Pilot nicht wenigstens bei der Ansage seinen Kaugummi aus dem Mund nehmen? Die Stimme beschrieb kurz, wie ihr Start ablaufen würde. Er bat sie, sich nun alle anzuschnallen und nicht mehr zu rauchen, bis das entsprechende Signal über den Sitzen ausginge. Das war ihm aber egal, er kannte diese Sucht nicht. Schauer überliefen ihn, das Gefühl in einer riesigen Kühltruhe zu sein. Dann hörte er ein leises Brummen. War das sein Bauch, der rebellierte? Nein es musste wohl eines der beiden Triebwerke sein, was seinen sonoren Klang zum Besten gab. Ein Ruckeln ging durch die Kabine. Das war zuviel für ihn. Charles zerrte an seinem Gurt. "Ich will hier raus!", brüllte er in den Raum. Die Anderen starrten ihn verwirrt an. Schneller als man es sich bei einem Mann seiner Größe vorstellen konnte, sprang er auf, riss den Gurt aus seiner Halterung, stürmte auf den Notausgang schräg gegenüber zu. Zog an dem Griff. Die Maschine wackelte inzwischen schon stärker. Mit einem Ruck gelang es ihm den Notausgang zu entsichern. Nun kam eine Stewardess angestürmt. Doch er hatte den Öffnungsmechanismus schon betätigt. Der Lärm wurde lauter. Ein Sprung. Er war draußen.

Er landete auf einer Art Plattform. Zitternd blieb er hocken, sich bewusst werdend wo er war. Erleichtert atmete er auf, dass es nur ein Kurs gegen Flugangst war, den er vor der Reise aufgesucht hatte. Erleichtert darüber, dass er vor dem wirklichen Flug diesen Kursus belegt hatte. Sonst wäre ihm der Sprung wohl nicht besonders gut bekommen. Er hatte seine Prüfung nicht bestanden und musste jetzt wohl seinem Chef klar machen, dass er seine Aufgabe nicht wahrnehmen konnte. Sehr bedauerlich. Aber er konnte seinen inneren Schweinehund einfach nicht überwinden. Vielleicht konnte er ja auch auf eine Schiffspassage wechseln. Noch gab es ja regelmäßige Verbindungen über den Atlantik. Nach Hause nahm er dann erst mal den Bus, grübelte darüber nach, wie es nun weiter gehen sollte…

Letzte Aktualisierung: 29.06.2006 - 22.02 Uhr
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