Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten- Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
Psychologisch gesehen sind Menschen wie ein Puzzle. Wir bestehen aus vielen verschiedenen Teilen, äußerlich sichtbaren und unsichtbaren. Diejenigen, die in unserem Unbewussten versteckt sind, können wir getrost als unsere inneren Kritiker bezeichnen. Sie treten immer dann auf, wenn wir unsere Bauchentscheidungen in Frage stellen und sie versuchen uns in unserem Handeln zu beeinflussen.
Angst vor Ablehnung ist eine der Steuerungen dieser inneren Nörgler. Betrachten wir doch einmal eine dieser „Personen“ genauer. Nennen wir sie der Einfachheit halber Suse.
Diese Suse also ist die „Stimme“ einer durchschnittlichen Frau im besten Alter, die nach den üblichen gesellschaftlichen Konventionen lebt. Nicht extrem glücklich, aber auch nicht besonders unglücklich, den Pflichten nachkommend, die Familie und Beruf, Freunde und Verwandte ihr abverlangen.
Sollte sich Unzufriedenheit über das, etwas langweilige Dasein einschleichen, beginnt Suse wach zu werden. „Was willst du denn?“ fragt sie. „Sei doch zufrieden, du hast doch alle. Haus, Garten, Kinder und einen Ernährer dazu.“
Da ist es wieder, dieses indifferente Gefühl, ohne die anderen nicht lebensfähig zu sein. - Natürlich verdrängt Frau sofort die aufkommenden Zweifel und versucht wieder ganz glücklich und zufrieden zu sein.
Wenn allerdings in den nächsten Tagen der Gatte nörgelt, die Kinder nerven und auch die Arbeit nicht mehr freudig von der Hand geht, kommt die Frustration zurück.
Wieder, bevor noch die ersten klärenden Worte gesprochen werden können, steht Suse mit sanfter, aber bestimmter Stimme hinter ihr. „Spinnereien! Schau doch wohin das führt, ständig Streit im Haus und du bist schuld daran.“
Also tritt Frau wieder einen Schritt zurück in ihr kleines Leben, das doch für viele so erstrebenswert wäre, ob der großen finanziellen Sicherheit, nur für sie ist der Glanz des Goldes nicht mehr so hell wie früher.
Die Kinder wachsen heran, brauchen einerseits nicht mehr so viel Pflege und Aufsicht, andererseits verschwinden damit allerdings auch proportional die Zuneigungsbeweise und Frau fühlt sich mit der Zeit immer kleiner und unwichtiger. Sie kommt auf die nahezu wahnwitzige Idee, aus ihrem Leben mehr machen zu wollen.
Anfänglich euphorische Ideen wie ein neuer Job, künstlerisch-kreatives Engagement oder gar eine Trennung vom alten Lebensmuster werden sofort wieder von der inneren Kritikerin unterminiert.
„Spinnst du? Schau dich doch an, du schaffst ja kaum die alltäglichen Pflichten. Wie wolltest du denn finanziell um die Runden kommen ohne den Ernährer? Du kannst ja nicht mal eine Steuererklärung ausfüllen.“ Die Furcht vor dem Versagen wird wieder größer als der Wunsch nach Veränderung!
Also mit neuer Energie in das alte Schlamassel! Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht auch schaffen würde. In der letzten Ausgabe des Hochglanzmagazines für moderne Frauen stand ja auch drin, dass der Trend wieder zur perfekten Hausfrau, Mutter und Teilzeitberufstätigen zurück geht und diese egoistischen Selbstwertgeschichten schon längst überholt sind. Es ist wieder modern, verheiratet zu sein, Kinder zu perfekten Gesellschaftsmitgliedern zu erziehen und seine Erfüllung als Frau im Wohlergehen der Familie zu finden. - Wenn da nicht immer dieser Frust wäre! Dieses Warten auf irgendetwas.
Die ständige Unsicherheit zeigt sich natürlich auch in der ewigen Suche nach Bestätigung.
„Wer nichts leistet verdient eben nichts.“ Suse ist wieder da! Sie scheut auch nicht den Vergleich mit anderen Frauen, die vermeintlich viel mehr schaffen.
Indes wächst im Bewusstsein der Frau auch eine neue Sicherheit heran, die sie erahnen lässt, wie schön ein selbstbestimmtes Leben wäre.
Nächtliche Schweißausbrüche, Magenbeschwerden, Nervosität und andere körperliche Symptome folgen diesen Gedanken sofort. Frau ist überzeugt, diesmal ihrer inneren Kritikerin ein Schnippchen schlagen zu können, doch …
Große Täuschung. In diesem Fall hat diese gar nichts gesagt. Sie war mucksmäuschenstill und hat der wirklichen Angst den Vortritt gelassen, denn Suse weiß, die Existenzangst ist sogar noch stärker als sie. Wenn Frau darüber nachdenkt, wie es wäre allein zu leben, dann schickt ihr die Angst Bilder von unglücklichen Kindern, überzogenen Konten, kaputten Autos, technischen Problemen im Haushalt und wenn sie die Augen vor diesen Bildern verschließen will arbeitet die Angst sogar mit den Organen zusammen um nur ja das Alte zu bewahren.
Phantasien von massiven Neuerungen haben seit jeher bei manchen Menschen Panikattacken ausgelöst, das ist bei unserer Frau nicht anders, allerdings hat sie bereits ein wenig dazugelernt und weiß sich besser zu schützen und damit auch körperlich schneller zu erholen.
Suse bemerkt, dass hier ihr Einfluss immer kleiner wird und bringt noch einmal die Heidenangst ins Spiel, doch wenn Frau einmal aufgewacht ist, ist es schwierig sie zu bremsen. Brave Mädchen kommen in den Himmel ...Frau weiß inzwischen, dass nicht alles wahr ist, was ihr vorgaukelt wird und beschließt sich von Suse zu trennen.
Diese ist zwar hartnäckig, aber auch eine gute Verliererin. Sie schlägt Frau einen Kompromiss vor. „Ich arbeite von nun an an deiner Seite und springe nur mehr ein, wenn du dabei bist, dich selbst zu verlieren oder über dein Ziel hinausschießt, in deiner Euphorie.“
Frau ist einverstanden und die Zusammenarbeit funktioniert bestens. Suse zeigt ihr ihre wahre Größe und hat den verkleinernden Spiegel weggeworfen und Frau erkennt, dass sie nicht alles Alte und Bewährte verlassen muss um ein neues Leben aufzubauen. So schafft sie es, ihre Familie loszulassen ohne sie zu verlassen, sich eigenen Interessen zu widmen und so ihren Selbstwert massiv zu erhöhen.
Dies ist kein Märchen aus Tausend und einer Nacht, dies ist nur ein Weg von vielen, den heute immer mehr Frauen beschreiten, um sich von jahrhundertelanger Tradition zu befreien. Eine Warnung sei allerdings ausgesprochen. Wenn innere Kritiker schweigen, treten äußere Kritiker auf. Genau die Menschen, die das auch gerne erreichen würden, aber die Angst noch nicht überwunden und mit ihren eigenen Susen noch keinen Neutralisationspakt geschlossen haben.