Ganz schön bissig ...
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April 2006
Der unsichtbare Held
von Anita Handlbaur

„Was hast du heute auf?“, wollte Judit von ihrem Sohn wissen.

„Eine Geschichte schreiben.“

„Worüber?“

Tom zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht.“

Judit holte tief Luft. „Welches Thema gab die Lehrerin vor?“, bohrte sie nach.

„Weiß nicht.“

„Herrschaftszeiten Kind! Wo bist du in der Schule mit deinen Gedanken? Alles muss man dir aus der Nase ziehen! Wenn du zufällig alle Hefte mitgenommen hast, dann weißt du nicht, was du zu arbeiten hast. Nein, so nicht! Also, wie lautet die Aufgabe?“

„Weiß nicht“, antwortete der Junge monoton.

Ihr Gesicht bekam rote Flecken. Ein sicheres Zeichen, dass seine Mutter wütend war. Tom nestelte an seinen Fingern und zog es vor zu schweigen. Sie lief aus dem Zimmer, kehrte mit ihrem Handy zurück und warf es auf den Tisch. „Schau, dass du raus bekommst, was zu tun ist, aber zackig!“ Rumms, die Tür knallte ins Schloss.



Tom begann zu weinen. Traurig blickte er aus dem Fenster.

Plötzlich stupste ihn etwas an. Ganz leicht, kaum spürbar.

„Lass mich in Ruhe, Minki!“, fauchte der Junge im Glauben, die Katze wolle mit ihm spielen. Abermals ein Stupsen. Nun auf der Schulter. Nanu, das war nicht Minki. Tom schaute sich um. – Nichts.

„Wer ist da?“, fragte er.

„Ich!“ Die Stimme kam vom Stockbett hinter ihm, leise und zart. Tom suchte das Zimmer mit den Augen ab, nichts Ungewöhnliches.

„Wo bist du?“

„Hier bin ich! Auf deinem Bett.“

„Ich kann dich nicht sehen.“

„Oh! Verzeih, mein Fehler. Ich vergaß …“

Es knisterte wie die Funken einer Wunderkerze, die Luft schien auf dem Bett zu verschwimmen und da stand plötzlich ein kleines Wesen.

Mit zerzaustem blauschwarzem Haar, das Gesicht mit Sommersprossen betupft, sah es wie eine lebende Puppe aus. Die Augen funkelten, als würden sie lachen. In Blue Jeans, poppigen T-Shirt und der schwarzen Lederjacke wirkte es, wie ein für die Disco aufgemotztes Baby.



„Ich bin Maxi.“ Es verbeugte sich und stolperte dabei über seine Füße.

„Du siehst ulkig aus, Maxi. Ich heiße Tom. Aber wie …“ Der Junge schaute überrascht und rieb sich die Augen. Das Discopüppchen war tatsächlich da – keine Einbildung.

„Ulkig?“ Empört richtete sich das Wesen vor ihm auf. „Wieso? Was gefällt dir nicht an mir?“

„Du bist so klein! Hat dein Papa dich geschrumpft? Wo kommst du her?“

„Hallo! Was soll das? Ich sag auch nicht du bist ein Riese, oder? Als ob es auf die Größe ankäme.“ Maxi verschränkte die Arme und sah schmollend zur Seite.

„Entschuldige. Ich wollte dich nicht beleidigen.“

„Okay, schon gut.“

Als wäre nichts gewesen, sprühten die winzigen Augen freudig. Ob Maxi überhaupt ernsthaft sauer sein konnte?

„Aber wie …“

„Hey, frag mir kein Loch in den Bauch. Du klingst wie deine Mutter!“, stellte Maxi kopfschüttelnd fest. „Du standst so traurig am Fenster, da dachte ich, du brauchst einen Freund. Deshalb bin ich da. Mich kann nicht jeder sehen, nur so arme Knöpfe wie du.“

„Oh!“, Tom klappte überrascht den Mund auf und starrte in das freche Gesicht.

Flink wie eine Maus hechtete Maxi zur Bettkante. Er hangelte über den Spielzeugkran und landete direkt am Schreibtisch. Mitten auf dem Hausaufgabenheft setzte er sich hin und funkelte Tom belustigt an, der aus dem Staunen nicht heraus kam.

„Wow!“ Tom fand das Treiben unheimlich lustig. Insgeheim wünschte er sich auch so klein zu sein. Was man da alles machen könnte …



„Ich will keinen Freund. Danke.“

„Ein echter Freund ist wichtig!“, beharrte Maxi.

„Lieber nicht. Der Tobi nimmt dich mir weg. Dann bin ich wieder alleine.“

„Erzähl´ mir von diesem Tobi, was ist das für ein doofer Kerl, der dir deine Freunde wegnimmt?“

Tom schluchzte leise, senkte den Kopf und begann zu berichten: „Der ist blöd, ein richtiger Affe. Ich hasse ihn. Er stiehlt meine Jause, beschmiert mein Heft, haut, zwickt und tritt mich. Verpetzt mich bei der Lehrerin für Sachen, die ich nicht gemacht hab´ und meine Freunde zwingt er, dass sie mich nach der Schule verhauen.“

„Deine Freunde? Krass! Das ist Mobbing. Was sagt deine Mama?“

„Die kann nichts machen, sie weiß auch nicht alles. Tobis Papa hat mit ihm geschimpft, als Mami dort war, aber gebracht hat es nichts.“

„Ich habe eine Idee!“ platzte Maxi heraus. „Musst du nicht eine Geschichte schreiben?“

„Ja.“

„Worüber?“

„Ein Erlebnis.“ Endlich erinnerte sich Tom an das Thema. Jetzt wo er einen Freund hatte und seine Mutter ihn nicht mehr unter Druck setzte, war es viel einfacher.

„Perfekt! Jetzt hast du deine Geschichte.“

„Was meinst du?“ Tom verstand nichts.

„Du schreibst über deine Erfahrung mit Tobi. Das muss die Lehrerin lesen und sie wird Bescheid wissen.“

„Aber wenn sie die Geschichte der Klasse vorliest? Das mag ich nicht.“

„Schreib einfach, ich helfe dir.“

Tom setzte sich an den Schreibtisch. Mit dem Füller in der Hand beobachtete er wie Maxi vom Heft hüpfte, am Radiergummi ausrutschte und in die Federschachtel fiel.

„Autsch! Das war eine Bruchlandung.“ Kichernd lümmelte er auf den Bleistiften. Zwinkerte Tom zu und meinte: „So nun aber ran an den Speck, Kleiner. Wir wollen Geschichte schreiben.“ Gesagt getan. Mit Spaß und Eifer arbeitete das Team an der Erzählung. Maxi stand dem jungen Autor hilfreich zur Seite. Ein Tipp hier, ein Ratschlag da. Gerade, als die Geschichte fertig war, ging die Tür auf und Mama kam herein.

Sie ging zu Tom, sah was er geschrieben hatte. Maxi nahm sie nicht wahr. Der kletterte auf das Fensterbrett und beobachtete stumm das Geschehen.

Die Mutter nahm das Werk zur Hand und begann zu lesen. Tränen liefen ihr die Wangen entlang. Sie drückte ihren Sohn an sich und küsste ihn auf die Stirn.

„Es tut mir Leid, mein Schatz. Ich wusste nicht, dass Tobi dich wieder so gequält hat. Du musst mir so etwas sagen.“

Tom nickte und kuschelte sich an seine Mutter.

„Es wird dir keiner helfen, wenn du alles in dich hineinfrisst. Ich kann deine Gedanken nicht lesen.“ Judit streichelt ihrem Sohn über das Haar.

„Das ist eine sehr schöne Geschichte geworden. Ganz ohne Fehler. Ich bin stolz auf dich. Weiß du was, morgen gehen wir gemeinsam zur Schule. Ich werde mit deiner Lehrerin reden.“

„Danke.“ Seine kleine Seele war um einen großen Stein leichter und die Hausaufgabe hatte sich an diesem Tag wie von selbst gemacht. Maxi zwinkerte seinem Freund zu und winkte. Bevor er wieder unsichtbar wurde, flüsterte Maxi: „Bis später, mein Freund.“

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