Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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Juni 2006
Der neue Nachbar
von Marcus Watolla

„Hast Du den neuen Nachbarn gesehen?“ Margrets Stimme war aus der Küche zu hören, untermalt vom Klappern des Geschirrs.
Gerd legte die Zeitung beiseite. „Ja, dieser langhaarige Bombenleger. Mit dem werden wir noch unseren Spaß bekommen.“
„Was meinst Du?“
Gerd wischte sich mit der Hand über seine Halbglatze, „so wie der herumrennt, so ungepflegt ...“
„Schätzchen, du kannst doch einen Menschen nicht nach seiner Frisur beurteilen.“
„Ich kenne diese Bande. Laute Heavy-Metal Musik, Drogen, wahrscheinlich feiert der wilde Orgien. Ich weiß über diese Chaoten Bescheid.“
„Vielleicht ist er nett.“
Gerd erhob sich aus dem Sessel und ging zu seiner Frau in die Küche. Sie hatte gerade das Geschirr fertig abgespült und räumte alles fein säuberlich in den Schrank ein. Blaue Tassen zu den blauen Untertellern, rote Tassen zu den roten.
„Das glaube ich kaum. Wahrscheinlich ist der ja auch ein Linker, so ein ... so ein Hausbesetzer ...“
„Sei nicht immer so misstrauisch, anstatt hier eine Wohnung zu mieten. Dann hätte er doch irgend ein Haus besetzt.“ Margret lachte leise.
„Wer weiß ...“
Er nahm sich eine Tasse Kaffee und betrachtete seine Frau nachdenklich. Mürrisch sagte er, während er etwas Milch in das schwarze Getränk mischte: „So ein Schlot. Das kann doch nicht gut gehen.“
„Der passt nicht ins Haus. Hier leben vernünftige Menschen.“ Griesgrämig rührte er in seinem Kaffee. „Weiß gar nicht, wie der sich die Miete hier leisten kann. Wohlmöglich ist er ein Mietnomade. Lässt die Wohnung völlig verdreckt und verwahrlost zurück.“
„Das kannst du nicht wissen, Moppelchen.“
„Ich kenne diese Typen doch“, höhnte er. „Der gehört einfach nicht hierhin.“
Die Türklingel schellte.
Beide sahen sich verwundert an.
„Wer mag das sein?“
Als Gerd die Tür öffnete, stand der neue Nachbar vor ihm, mit einer Flasche Wein in der Hand. Erstaunt hob Gerd die Augenbrauen.
„Guten Tag.“ Der junge Mann deutete eine Verbeugung an. „Mein Name ist Uwe Reinders. Ich bin vor kurzem zugezogen. Ich möchte mich kurz vorstellen.“
Gerd legte misstrauisch den Kopf schief. Sein Blick huschte über die langen Haare seines Gegenübers.
„Aha“, entfuhr es ihm nur knapp.
Der junge Mann nickte freundlich.
Margret erschien und ein breites Lächeln zog sich über ihr Gesicht.
„Kommen Sie herein“, lud sie den Fremden ein. Gerd zuckte zusammen. Was sollte der in seiner Wohnung? Nicht, dass er noch etwas klaute. Trotzdem gab er die Tür frei und erlaubte Uwe Reinders den Eintritt.
„Sie sind schön eingerichtet“, sagte dieser mit ehrlicher Anerkennung.
„Nehmen sie Platz“, bat Margret und bot ihm einen Kaffee an.
„Und wo kommen sie her?“ fragte Gerd und setzte sich wieder auf den Sessel.
„Wir, meine Frau und ich, kommen aus Frankfurt. Ich habe eine neue Arbeitsstelle hier in Essen angenommen.“
„Eine neue Arbeitsstelle?“ echote Gerd und dachte brummig: 'Wohl ein Zuhälter´.
„Ja. Ich arbeite als Diplom-Ingenieur.“
„So, so.“
Uwe stellte die Flasche Wein auf den Tisch. „Darf ich Ihnen einen Willkommenstrunk anbieten?“
Margret lächelte erfreut. „Danke gerne. Warten Sie, ich öffne die Flasche.“ Sie verschwand wieder in der Küche, kam nach einigen Minuten mit gefüllten Weingläsern zurück.
„Na denn, Prost“, brummte Gerd und nahm einen tiefen Schluck.
Schmeckt so gar nicht nach Fusel.
Auch Margret kostete und schnalzte anerkennend mit der Zunge. Uwe stellte sein Glas, ohne es anzurühren zurück auf das Tablett.
„Haben Sie keinen Job in Frankfurt bekommen?“ fragte Gerd und öffnete die oberen Knöpfe seines Hemdes. Ihm wurde plötzlich sehr heiß. Auch Margret hatte einen roten Kopf, musste sich neben ihren Mann auf das Sofa setzen.
„Schon“, grinste Reinders bösartig. Die plötzliche Wandlung in seiner Mimik verwunderte Gerd. Er wollte etwas sagen, doch es schnürte ihm die Kehle zu. Er bekam keine Luft mehr.
„Leider habe ich eine Passion, die es verlangt, öfter umzuziehen. Ich hasse Spießer ...“
Der Boden unter Gerd schien zu kippen. Er fiel auf die Seite, sein Herz raste.
„... wie Sie ... habe Sie schon beobachtet ...“
Gerd sah zu Margret herüber. Auch sie war inzwischen in sich zusammen gesunken. Ihre Augen waren verdreht. Sie röchelte.
„Sie hätten mich nicht in die Wohnung lassen dürfen“, hörte Gerd noch den Anderen sagen, dann verschwamm das Bild vor seinen Augen. Uwe Reinders löste sich in Schatten auf. „Wie ich bereits sagte, ich hasse Spießer – wie Sie ...“

Letzte Aktualisierung: 27.06.2006 - 23.26 Uhr
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