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Juli 2006
Barney
von Claudia Göpel

„Frau von Kampfhund vergewaltigt“

Ein Grinsen grÀbt sich in mein Gesicht, als ich an die Schlagzeile in der BILD denke.


Das Persönchen vor mir lĂ€uft mit trippelnden Schritten an der Leine eines massigen Staffordshires. Immer wenn der Hund stehen bleibt, fliegt ihr Arm ruckartig zur Seite. Sie hat MĂŒhe, das Gleichgewicht zu halten. Geduldig wartet sie, bis das gelb gestromte Monstrum seine SchnĂŒffelorgie beendet hat und wieder die FĂŒhrung ĂŒbernimmt. Jeden Tag zur selben Zeit geht das ungleiche Paar in den Park. Ich erkenne den mĂ€dchenhaften Gang schon von weitem, suche in ihrer Körperhaltung nach Anzeichen, Hinweisen. Ich meine, eine gewisse Angst zu spĂŒren. Nun, ich habe Zeit.

Beinahe tut sie mir leid. Aber nur beinahe.

Schließlich ist es mein Plan gewesen.


Mikes Gesicht hĂ€tte ich sehen wollen, als Jonny mit dem Hund vor seiner TĂŒr stand.

„Herzlichen GlĂŒckwunsch. Hier Mike, der ist fĂŒr dich, den hat deine Alte bei mir bestellt, als sie noch bei dir wohnte. War doch immer dein grĂ¶ĂŸter Wunsch gewesen, einen echten Staffordshire zu besitzen. Du wirst keine Probleme bekommen, ich habe etwas getrickst, ihn in den Papieren als Mischling eingetragen. Sein Name ist Barney.“

Jonny ist Inhaber einer Hundeschule. Er trainiert die Exemplare, vor denen selbst ihre Besitzer Angst haben und die sie nur zu gern loswerden wollen. Einer davon war Barney, ein krĂ€ftiges Tier mit sanften Augen und faszinierendem Muskelspiel unter der senffarbenen Haut. Sein einziges Manko war, dass er angeblich keinem Rock widerstehen konnte und die Frau seines Vorbesitzers permanent begatten wollte. Jonny bekam das hin, machte einen perfekten Begleiter aus ihm. Sie wollten das Tier trotzdem nicht zurĂŒck. Ich verliebte mich auf Anhieb. Besuchte ihn tĂ€glich, ging mit ihm spazieren. SpĂ€ter absolvierte Barney anstandslos den Hunde-Parcours, gehorchte aufs Wort. Von den Problemen seines frĂŒheren Herrchens keine Spur.

Leider wurde nichts aus meiner Überraschung. Mike teilte mir eine Woche vor seinem Geburtstag mit, dass er eine neue Freundin hĂ€tte, schon seit lĂ€ngerem. Ich mĂŒsse ausziehen. Er sei dankbar, dass ich ihm ĂŒber die schwere Zeit seiner ersten Trennung hinweg geholfen, ihn umsorgt und getröstet hĂ€tte. Aber nun wĂ€re es an der Zeit, dass jeder von uns wieder sein eigenes Leben fĂŒhrte. Er meinte es tatsĂ€chlich ernst, hatte sich wahrhaftig verliebt. Bereits einen Tag spĂ€ter zog sie ein. Ich war verzweifelt. Vorbei mein Traum, mit Mike und Barney zusammen im Garten zu tollen, dem Hund von meinem Platz im Esszimmer heimlich die besten Brocken hinzuwerfen und mich bewundern zu lassen, wie hervorragend meine Erziehung bei dem Tier funktionierte.

In meiner Ein-Raum-Wohnung war kein Platz fĂŒr Barney. Seine Ausbildung fĂŒhrte ich trotzdem weiter, holte ihn bereits am Morgen und brachte ihn erst spĂ€t zu Jonny zurĂŒck. FĂŒnf Tage blieben mir bis zu Mikes Geburtstag. In einem abgelegenen WaldstĂŒck versuchte ich, die abnormen GelĂŒste des Hundes neu zu wecken. Fasziniert beobachtete ich, wie er einen Slip beutelte, ihn zerschnaubte und knurrend zerpflĂŒckte. Mike wĂŒrde wieder mir gehören, mir allein. Bald.

Es war ein Leichtes fĂŒr mich, an die UnterwĂ€sche seiner kleinen Freundin zu kommen. Ich besaß schließlich einen SchlĂŒssel.


Das zerbrechliche Wesen muss schon wieder stehen bleiben, weil Barney genussvoll seine Nase in einen Haufen steckt. Ich lasse mich schnell auf eine Bank fallen und vergrabe mich hinter der mitgebrachten Zeitung. Seit Wochen schon beobachte ich aus sicherer Entfernung diese kleine Schlampe, die mir meinen Jungen, meinen Lebensinhalt geraubt hat. Und noch immer kein Anzeichen, dass der Hund seinen Auftrag ausgefĂŒhrt hat. Ich begreife das nicht!

Barney hebt schnĂŒffelnd seine Schnauze, wedelt mit dem Schwanz. Er hat mich bemerkt. Begeistert zieht er das MĂ€dchen hinter sich her, macht brav vor meinen Knien Platz und stupst gegen die Leipziger Allgemeine. Ganz langsam senke ich das Blatt und bohre meinen Blick in seine Augen. Jaulend legt er sich nieder und vergrĂ€bt die Nase unter seinen Pranken.

„Oh, entschuldigen Sie bitte, hat er Sie belĂ€stigt? Das ist der Hund meines Freundes, ich komme nicht so recht mit ihm klar. Kenne ich Sie nicht von irgendwo
?“

SchĂŒtzend halte ich die Zeitung vor mein Gesicht, schĂŒttele den Kopf, springe von der Bank und eile dem Parkausgang entgegen.

Das hat mir gerade noch gefehlt! Mikes Freundin quatscht mich an. Will mir ein GesprÀch ans Knie nageln. Mir! Und der schwanzwedelnde Barney an ihrer Seite.

Meine wohlĂŒberlegte Intrige scheint nicht aufzugehen. Dabei hĂ€tte es so gut funktionieren können! Jede Nacht male ich mir bildhaft aus, wie die kleine Schnepfe schreiend das Haus verlĂ€sst, nachdem Barney sie besprungen hat.


Tage spÀter erhalte ich einen Anruf.

„Kannst du den Hund zu dir nehmen?“

Ich bleibe sprachlos.

„Nun tu doch nicht so. Es war ja nett gemeint, aber Nadine ist Barney nicht gewachsen. Er kann nicht bei uns bleiben. Du musst dir etwas einfallen lassen. Übrigens möchte meine Freundin dich endlich kennen lernen, komm doch am Wochenende zum Essen vorbei. Und sag nicht wieder, du hĂ€ttest keine Zeit. Du hast keinen Grund sauer zu sein. Wir haben eine Überraschung fĂŒr dich.“

„Überraschung?“, hauche ich.

„Du wirst bald Oma“, sprudelt es aus Mike heraus und ich kann förmlich spĂŒren, wie er sich die Hand vor den Mund hĂ€lt.


Himmelherrgott, Barney, so hatten wir nicht gewettet!


© Claudia Göpel

Letzte Aktualisierung: 21.07.2006 - 17.15 Uhr
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