Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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Juli 2006
Alleinsein ist ungesund
von Johanna Scharinger

Es war ein ganz normaler Freitagabend. Auf dem Heimweg von der wöchentlichen Tanzstunde hatte sich Monika einen Film aus der Videothek geborgt.
Da es erst Anfang März war, dämmerte es draußen schon, als sie die Wohnungstür aufschloss. Im Flur brannte kein Licht. Wie denn auch – sie wohnte schließlich alleine hier. Monika stellte ihre Handtasche auf der Spiegelkommode ab, kickte sich die Schuhe von den Füßen und nutzte die Gelegenheit, um ihre Frisur zurechtzuzupfen. Danach nahm sie die Kassette und ihr Handy aus der Handtasche und begab sich ins Wohnzimmer. Sie war zwar kein Ordnungsfreak, aber im Wohnzimmer sah es dermaßen leer und aufgeräumt aus, dass sie sich ganz verloren vorkam.
Es kam ihr der Gedanke, dass es vielleicht besser wäre, wenn sie sich Mitbewohner suchen würde. Die Wohnung war ziemlich groß und die Miete entsprechend hoch.
Sie schaltete den Fernseher ein, legte die Kassette ein und drückte auf „Play“.
„Hey Zwerge, hey Zwerge, hey Zwerge, ho – hey Zwerge, hey Zwerge, go, go, go!“
Es hatte unbedingt was Lustiges sein müssen und Ottos neuer Blödelfilm hatte ihr gleich ins Auge gestochen.
Nach den ersten zehn Minuten spürte Monika, dass sie Hunger hatte. Sie überlegte einen Moment lang, ob sie sich nun eine Packung Erdnüsse oder doch nur einen Streifen Kaugummi holen sollte. (Letzteres hätte ihrer Figur sicherlich am Wenigsten geschadet.) Aber dann klingelte ihr Handy und sie musste den Entschluss bis auf weiteres vertagen.
„Monika Berger?“, meldete sie sich.
Nichts.
Kein „Hallo“, oder „Grüß Gott, hier spricht Vertreter XY“ – überhaupt nichts.
„Ich komme zu dir!“
Es war keine wirkliche Stimme, die sie nun vernahm. Es glich eher dem Krächzen eines Lungenkranken, der von Kindesbeinen an geraucht hatte.
„Hallo? Wer spricht denn, bitte?“, fragte Monika unsicher. Sie dachte, der Anrufer hätte sich verwählt.
„Ich komm dann … zu dir … bist du allein?“
Sie brauchte eine Weile, bis sie in der Aufregung die richtige Antwort gefunden hatte. „NEIN!!!“ Ihre eigene Stimme war ihr plötzlich ganz fremd. „Hallo? Wer ist denn dran? Hallooo???“
„Tüt-tüt-tüt-tüt…“
Monika schluckte schwer und legte auf. Die Stimme hatte so … böse geklungen. Nicht nach einem, der alleine zu Hause herumhockte und sich einen Spaß daraus machte, wildfremde Menschen zu tyrannisieren…
Sie saß etwa zehn Minuten lang ganz benommen auf der Couch, bevor sie fähig war, etwas zu unternehmen. Der Film plätscherte an ihr vorbei – ohne Ton, weil sie ihn, bevor sie ans Telefon gegangen war, ausgemacht hatte. Aber dann handelte sie schnell: Sie sperrte die Wohnungstür zwei Mal ab, ließ alle Jalousien herunter. Sogar das Licht machte sie, bis auf die Lampe im Wohnzimmer, aus. Schließlich wählte sie mit nervösen Fingern Klaras Nummer. Wozu hatte man denn die beste Freundin?
„Bitte, bitte – geh ran!“, flehte sie in Gedanken. Eigentlich hätte sie genau so gut nach Hause zu ihren Eltern fahren können – immerhin war es Freitagabend – aber bei dem Gedanken, sie könnte während der Fahrt noch einmal einen derartigen Anruf bekommen, verwarf sie diese Möglichkeit wieder.
Als bei Klara niemand ran ging, pfiff auf das Verbot, das sie sich selbst auferlegt hatte – im Wohnzimmer nichts zu essen – und holte sich aus dem Vorratsschrank eine Packung Messino. Nervennahrung – die hatte sie jetzt bitter nötig!
Während Otto mit seinen Zwergenkumpels für Schneewittchen ein babyrosa Häuschen baute, kauerte Monika auf der Couch und stopfte Kekse in sich hinein.
Und dann, kurz bevor die Packung leer war, klingelte es. Monika war gerade dabei gewesen, sich wieder zu beruhigen, aber jetzt war die Angst wieder da. Eine Gänsehaut ließ ihren ganzen Körper erzittern. Und dann noch eine.
Sie sah auf die Uhr. Es war erst kurz nach halb neun.
Irgendwie schaffte sie es aber doch, aufzustehen und zur Tür zu gelangen. Die Tür hatte keinen Spion. Monika war zu verängstigt, um sich darüber aufzuregen. Dann öffnete sie.
„PHILIPP!!!“
Der junge Mann konnte gar nicht schnell genug die Arme ausbreiten, da hing Monika schon an ihm. „Philipp, Philipp, Philipp – ich bin so froh, dass du da bist!“, stammelte sie, den Kopf an seinen Hals gedrückt.
„Umgekehrt geht’s mir auch so! Du glaubst ja nicht, was meine so genannten Kumpels gerade getan haben: Sie haben mich vor die Tür gesetzt!!! Aber sag, was ist denn bloß los mit dir?“
Monika schwieg, dachte über das nach, was Philipp gerade gesagt hatte und atmete den Duft seines Rasierwassers ein. Wie ungeheuer beruhigend das war!
„Ich bin einfach nur froh, dass ich dich habe!“, antwortete sie schließlich. Dann betraten sie gemeinsam die Wohnung.
„Moni, ich glaube, diese Riesenwohnung tut dir nicht gut! Vielleicht sollten wir zusammenziehen?“

Letzte Aktualisierung: 23.07.2006 - 08.52 Uhr
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