Honigfalter
Honigfalter
Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das?
Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten-
Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » Walter Vogelpohl IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
Oktober 2006
Der Mensch im Tier, die Geschichte einer Enttäuschung
von Walter Vogelpohl

Er ruhte schon seit 6 Jahren auf dem Tierfriedhof.

Auf seinem Grabstein:
Ein Löwenkopf. Mit einer Gazelle im Rachen.
Sie hatte diesen Löwenkopf vor fünf Jahren zum ersten Mal gesehen. Auf einem Maskenball. Sie war hingerissen von der Maske. Sie wollte wissen, welcher Mensch sich hinter dieser Tiermaske versteckte.
Stunden später wusste sie, nach einer wilden Nacht, dass sich ein Tier hinter der Maske eines Menschen verbarg.
Ihr Leben änderte sich schlagartig. Das Raubtier wollte seine Beute besitzen, genießen und schließlich vernichten.
Sie liebte dieses Tier, ließ sich von seiner Vernichtungswut anstecken.
Genoss diese Vernichtung. Immer wieder. Immer wieder.

Sie hatte einmal eine Fotografie gesehen. Sie zeigte einen Löwenrachen, in dem der Kopf einer gefangenen Gazelle steckte. Die Gazelle, ein wunderschönes Tier mit dunklen Augen, zeigte keinerlei Todesangst. Höchstens eine leise Verwunderung über das, was mit ihr geschah.


Sie war diese Gazelle.
Er war der Löwe.


Aber eines Tages machte sie die Entdeckung, dass hinter dieser Löwenmaske ein ganz gewöhnlicher Mensch steckte. Ein Mensch hinter einer Tiermaske eben.
Sonst nichts.
Ein schäbiger Mensch. Der sie missbrauchte.
Die Löwenmähne verflüchtigte sich.
Ein ordinärer Glatzkopf zeigte sich.
Der geschmeidige Tierkörper wölbte sich.
Ein ordinärer Bauch zeigte sich.

Der Löwe war gestorben. Der schäbige Rest, das dürftige Menschlein, wurde von ihr bei Gelegenheit erledigt. Nach der Abdankung grub sie die Urne heimlich aus. Brachte sie auf den Tierfriedhof . Ließ sie als die Asche des geliebten Haustiers im Rasen versenken.
Dort, am Grab, frönte sie ihrem Raubtierkult.
Wenn sie vor dem Grab stand, sah sie die Gazelle im Rachen des Raubtiers.
Und sie wusste, die Gazelle war sie.
Und sie genoss ihre Vernichtung.

Letzte Aktualisierung: 07.10.2006 - 18.05 Uhr
Dieser Text enthält 1798 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.