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November 2006
Die Legende von Verline
von Stephanie Braun


Unschlüssig stand Sihina am Waldrand.
Sie konnte die köstlichen Waldfrüchte sehen, sehnte sich danach, sie zu kosten. Doch eine alte Legende ließ sie zögern. Der weise Erzähler aus dem Dorf hatte sie ihr immer wieder erzählt, als wäre er vor ewigen Zeiten selbst dabei gewesen:

Einst, bevor die Menschen das Gebiet zwischen den beiden gewaltigen Gebirgen besiedelten, bewohnten Feen dieses Land. Jene waren friedliche und frohe Geschöpfe, der Magie kundig und fürsorglich um die Natur bemüht.
Zu jenen Zeiten erblühte das Land in sattem Grün. Bäume spendeten mit ihren mächtigen Kronen Schatten und duftende Blumen zierten die Lande. Es mangelte niemals an Früchten der Erde.
Doch dann kamen wir – die Menschen.
Wir kamen mit unseren Schiffen über die Meere, fällten die Bäume, um Brennholz oder Häuser daraus zu machen. Alsbald hatten wir die ganze Küste besiedelt. Wir drangen ins Landesinnere vor, breiteten uns zwischen den beiden unüberwindlichen Gebirgen aus und erfreuten uns an den herrlichen Gaben der fruchtbaren Erde. Wir ernteten und kümmerten uns nicht um eine erneute Aussaat.

Dann begegneten wir Ihnen – den Feen.
Sie erschraken vor uns, so wie wir vor ihnen. Furcht geziemt sich jedoch nicht für tapfere Krieger, welche wir Ausgestoßene aus der alten Welt doch so gern gewesen wären. Wir stellten keine Fragen, sondern vertrieben sie mit unseren Waffen.
Erst viel später, als die Böden bereits karg und felsig waren, erkannten wir den schrecklichen Verlust des Feenvolkes. Offenbar stand es allein in ihrer Macht, den Böden von Verline ihre Früchte zu entlocken. Wir hätten vielleicht vieles von ihnen lernen können. Vielleicht haben die Feen das Land aber auch verflucht, wie viele behaupten.
So waren wir verdammt zu hartem Ackerbau, der wenig einbrachte. Für uns gab es kein Zurück in die alte Welt, waren wir doch Verbrecher, die jenen dort zur Last fielen. Sie gaben uns ein Schiff und schickten uns in den sicheren Tod. Das dachten sie jedenfalls, wir dagegen fanden Verline und breiteten uns hier aus.

Die Feen hatten sich zurück in die letzten Wälder von Verline gezogen, weitab vom Meer und von unseren Siedlungen. Nur wenige von uns wagten sich dort hinein. Doch von jenen mutigen Abenteurern kehrte nicht einer zurück. Die Weiber erfanden viele Geschichten über die Feen, grausame, düsterere Geschichten. Sie erzählten, die Feen würden mit ihrer Schönheit die Männer in die Wälder locken, um sie dann in ihrem Reich gefangen zu halten. Ihnen fiel noch vieles mehr ein, wovon ich dir nicht erzählen mag.
Gewiss werden sie die Menschen nicht mit offenen Armen in ihrem Reich aufnehmen, aber ich glaube nicht, dass Feen bösartiger Natur sind. Wir waren diejenigen, die Angst und Schrecken verbreiteten.
Aber eins sage ich dir, dort in den Wäldern von Verline, verborgen im Schutz der Bäume, liegt noch immer das Reich der Feen.

Gab es wirklich Feen in diesem Wald?
Was geschah, wenn sie ihnen begegnete?
Könnte sie nie wieder zurückkehren?
Zurück zu Großmutter, die so dringend ihre Hilfe brauchte?
„Großmutter“, seufzte das Mädchen. „Wie sehr würdest du dich über solch köstliche Früchte freuen. Ach, wie gut wäre das doch für dich.“
Nur ein paar Schritte, dann könnte sie ein Körbchen voll pflücken.
Sihina blickte zurück. Da lag das Dorf in der prallen Mittagssonne, weder Bäume noch Blumen wuchsen dort. Daneben die kargen Felder, mühsam angelegt und wenig ertragreich.
Sie musste es einfach wagen. Vielleicht hatte der alte Mann ja Recht.
Sihina nahm all ihren Mut zusammen und trat zwischen die ersten Bäume des Waldes. Es war angenehm kühl, so verborgen vor der Sonne. Mit klopfendem Herzen blieb sie stehen und lauschte. Es war nichts zu hören, nichts als das ruhige Rauschen der Blätter. Kein vertrautes Geräusch, aber dennoch nichts Bedrohliches. Der Wald klang ruhig und einladend, so wagte sie sich weiter.
Nur noch wenige Schritte bis zu einem Strauch, voll behangen mit blauen Beeren. Immer wieder um sich schauend schlich sie sich an. Da huschte etwas an ihren Füssen vorbei. Erschrocken sprang sie zurück. Ein roter, buschiger Schwanz verschwand in der Krone eines Baumes. Erleichtert atmete sie auf. „Ihr wagt euch also auch hierher. Oder droht nur mir eine Gefahr? Ja, warum sollten die Feen euch Tierchen etwas antun wollen? Gewiss habt ihr ihnen nie Leid zugefügt.“
Eilig pflückte sie ein paar Beeren. Sie wollte so schnell wie möglich verschwinden.
Ein leises Kichern erklang aus den Sträuchern.
Das Körbchen glitt ihr aus den Händen, die Beeren verteilten sich über den Waldboden. Panik erfüllte das Mädchen und ließ sie fliehen. Hinaus aus dem Wald. Fort von den Wesen aus alten Legenden. Heim in die Hütte am Waldrand, zur Großmuter, in Sicherheit.
Einige Schritte vom Wald entfernt hielt sie jedoch nach Atem ringend inne. Dabei wandte sie sich noch einmal dem Wald zu, blinzelt und starrte auf ein kleines schimmerndes Etwas zwischen den Bäumen.
Eine innere Kraft ließ sie umkehren, hin zu diesem Schimmern.

Schließlich erkannte sie ihr Körbchen.
Verwirrt hob sie es auf. Es war bis zum Rand gefüllt mit Beeren.
Wieder ertönte ein leises Kichern aus dem Wald.
„Dankeschön“, raunte sie den Bäumen zu und lief fröhlich lachend heim.

Letzte Aktualisierung: 27.11.2006 - 17.53 Uhr
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