Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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Dezember 2006
Rebekka
von Daniel Schmidt

Als ich durch den Spion schaue, hat es schon zum dritten Mal geklingelt. Meine Haare tropfen noch, das Handtuch habe ich mir um die Hüfte gewickelt. Ich öffne die Tür und er hält mir seine Dienstmarke unter die Nase. Kurt Schröder, Baujahr 1963, Polizeihauptkommissar. Seine Kollegin stellt er als Frau Kleinert vor, und er fragt mich, ob sie herein kommen dürfen. Ein merkwürdiges Paar, sie überragt ihn locker um zwanzig Zentimeter, seine kahlen Stellen am Kopf müssen ihr ständig in die Augen stechen. Sie ist jünger als er, womöglich noch nicht lange dabei, vielleicht sogar frisch von der Polizeischule und wirkt auf mich etwas unsicher. Er nicht. Er steht mit seinem Bauchansatz felsenfest vor der Tür und will herein.

Obwohl ich nicht aufgeräumt habe, lasse ich sie eintreten. Sie haben sicher schon schlimmere Wohnungen gesehen. Er ganz bestimmt. Ich räume das kleine Sofa frei, doch sie wollen sich nicht setzen. Dann bleibe ich auch stehen. Er schaut sich um, inspiziert meine Wohnung, wahrscheinlich kann er nicht anders. Endlich dreht er sich zu mir. Sie hat ihren Kopf etwas gesenkt und hypnotisiert die leere Pizzaschachtel auf dem Tisch.

'Wir kommen wegen Ihrer Freundin. Rebekka Hahn, sie ist doch Ihre Freundin?'

Ich nicke. Und schaue ihn fragend an.

'Setzen Sie sich erstmal!'

Ich will zwar stehen bleiben, doch sein väterlich einschüchternder Ton und lässt mich auf mein Sofa sinken. Nun muss ich zu beiden aufsehen. Das gefällt mir gar nicht, doch was soll ich machen?

'Ich will nicht lange drum herum reden. Rebekka ist tot. Sie wurde ermordet.'

Meine Knie werden weich. Vielleicht ist es doch besser, dass ich mich gesetzt habe. Ich bin wie gelähmt, starre ihn an, denke alles Mögliche und doch wieder nichts. Auf dem Tisch steht noch die halbleere Flasche Whisky vom letzten Abend. Ich nehme einen großen Schluck. So geht’s mir gleich etwas besser.

'Ich weiß, das ist nicht leicht für Sie, doch wir müssen sie identifizieren lassen. Von den Angehörigen haben wir noch keinen erreicht.'

Wie auch, sie hat ja nur noch ihre Mutter und die ist grad am anderen Ende der Welt. Er hält mir ein Bild hin, allerdings so, dass ich es noch nicht sehen kann.

'Sie ist erstochen worden, sieht nicht gut aus. Sind Sie sicher, dass Sie das jetzt verkraften?'

Ich nicke und greife nach dem Polaroid. Das ist sie. Blass sieht sie aus. Noch blasser als sonst und erst recht im Kontrast zu dem vielen Blut. Ich nicke erneut.

'Es tut uns leid. Wenn Sie irgendwas brauchen, geistlichen oder psychologischen Beistand, wir helfen ihnen gerne. Wir haben Spezialisten für so was. Wenn Sie wollen, rufe ich einen an.'

Frau Kleinert darf also auch was sagen.

Ein Spezialist kann mir nicht mehr helfen. Ich zittere leicht und nehme noch einen Schluck aus der Flasche. Das Bild lege ich nicht aus der Hand. Ich betrachte es genauer. Es beschönigt nichts. Sie liegt auf ihrem senfgelben Teppich und man kann deutlich ihre Wunden sehen. Ich zähle sie mit dem Finger.

'Sechs' sagt er. 'Sechs mal hat er zu gestochen, dass muss ein völlig Irrer gewesen sein.'
Ich lege das Bild auf den Tisch und stehe auf. Sechs mal. Die Zahl dringt in mein Ohr, doch nicht in meinen Kopf. Ich nehme mir frische Sachen aus dem Schrank, lege das Handtuch ab, trockne meine Haare und ziehe mich langsam an. Sicher beobachten sie mich, etwas anderes bleibt ihnen kaum übrig. In einer Ein-Zimmer-Wohnung kann man sich schwerlich verstecken.

Ich betrachte mich im Spiegel. Das weiße Hemd passt gut zur blauen Jeans. So habe ich ihr immer gefallen. 'Schick siehst du aus, zum Anbeißen.' hat sie dann immer gesagt.

Der Kommissar und Frau Kleinert scheinen nicht schlüssig zu sein, ob sie gehen sollen oder bleiben. Ich bewege mich die fünf Schritte bis zu ihnen.

'Wissen Sie, was ihre letzten Worte waren?'

Er schaut mich überrascht an. Vielleicht hat er nicht damit gerechnet, dass ich sprechen kann.

'Nein, das weiß ich leider nicht. Sie war schon tot, als wir kamen.'

Ich strecke ihm meine Hände entgegen.

'Es war doch nur ein Kuss! Das hat sie gesagt.'

Letzte Aktualisierung: 22.12.2006 - 08.40 Uhr
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