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Dezember 2006
Der Kuss
von Astrid Steiner

Marie Moser, 33, Fremdsprachenkorrespondentin, beschloss ihren freien Nachmittag zu nĂĽtzen um wieder einmal die Ausstellung im oberen Stock des Schlosses Belvedere zu besuchen.
Nach dem Genuss eines Glases Sekt im Künstlercafe stieg sie die imposante Marmortreppe hinauf und steuerte geradewegs auf den Raum mit Klimts Werken zu. Nach eingehendem Studium aller Gemälde, verweilte sie noch eine Zeit völlig [i]versunken vor ihrem Lieblingsbild dem „Kuss“ eigentlich schad`, dass ich nicht öfter mal hier reinschaue. Tut mir gut, hier zu sitzen und abzutauchen. Wär`schön auch einmal so einen zärtlichen Freund zu haben[/i]
Gerade, als sie weiterschlendern wollte, bemerkte sie einen Mann, Ende 50, der abwechselnd erst das Gemälde und dann wieder sie betrachtete. Verärgert wollte Marie den Raum verlassen. „Tut mir Leid, dass ich Sie so unverschämt angestarrt habe“, entschuldigte sich der etwas untersetzte Herr lächelnd. “Oskar Berger, Versicherungskaufmann. Darf ich Sie als Wiedergutmachung auf einen Kaffee einladen?“
Irritiert wollte Marie weitergehen [i]keine Ahnung, was der von mir will- aber ist eh egal- kann ja wieder gehen, wenn´s mir nicht passt [/i) um sich dann mit einem „Marie Moser, ja gerne“ Herrn Berger zuzuwenden.
Gleich darauf waren die beiden im Café Belvedere in ein Gespräch über Klimts Werke verwickelt.
Schon bald stellten sie fest, dass sie noch andere gemeinsame Interessen hatten. Irgendwann im Laufe des Nachmittags erzählte Herr Berger Marie auch, was ihn vorhin in der Galerie an ihr so beeindruckt hatte: „Es war die Zärtlichkeit in Ihrem Blick, mit der Sie in die Szene eingetaucht sind. Ich hatte den Eindruck, als wären Sie für eine kurze Zeit ein Teil des Geschehens.“
Tief berührt stellte Marie fest, dass dieser Fremde genau das gefühlt hatte, was in ihr vorgegangen war. Als sich die beiden gegen Mitternacht trennten- dem Kaffee war ein Abendessen in der Innenstadt gefolgt und dem wiederum ein Abstecher in eine Bar- waren sie längst beim vertrauten Du gelandet und hatten sich für den nächsten Abend verabredet. Diesem Treffen folgten weitere bis sie schließlich, nach ein paar Wochen, beschlossen, in eine gemeinsame Wohnung im Norden Wiens zu ziehen. Marie wusste inzwischen, dass Oskar in Pension war. Mit 59 wegen eines Herzleidens verabschiedet– wie er etwas bitter festgestellt hatte. Sie wusste auch, dass er jeden Freitag nach Graz fuhr um die Wochenenden mit seiner Mutter zu verbringen.
Montagvormittag war er zurĂĽck.
Sie wunderte sich, dass er ihr nie erlaubte mitzufahren.
Angeblich wollte er seine Mutter, mit der er, seit dem frĂĽhen Tod seiner Frau vor 15 Jahren, jedes Wochenende verbrachte, nicht mit seiner neuen Liebe ĂĽberfordern. FĂĽr seine Mutter Brigitte Berger war die Schwiegertochter wie eine Tochter gewesen und so hatte sich die alte Dame immer gegen eine neue Beziehung ihres Sohnes gestellt. Manch neue Freundschaft hatte sie ihm schon vermiest. Das wollte er diesmal vermeiden.
Mit dieser BegrĂĽndung konnte Marie gut leben.
Da Oskar unter der Woche nicht arbeiten musste, verbrachten sie ohnehin jede freie Minute miteinander.
Nur, dass er auch Weihnachten, Silvester und andere Feste mit seiner Mutter feierte, wollte sie im dritten Jahr ihrer Beziehung nicht mehr einfach so hinnehmen. Und so beschloss sie ohne Wissen Oskars nach Graz zu fahren um selbst mit der alten Dame zu sprechen.
An einem trüben Tag im November setzte Marie ihr Vorhaben in die Tat um. Oskar erzählte sie, dass sie mit einer Freundin
fĂĽr drei Tage in eine der steirischen Thermen fahren wĂĽrde, um sich in der grauen Zeit etwas Gutes zu tun.
Nach zwei Stunden flotter Fahrt erreichte sie Graz, Bezirk Maria Trost. Dort parkte sie ihr Auto in der Nähe des idyllischen Hilmteiches.
Fünf Einfamilienhäuser standen hier. Schon beim zweiten Haus wurde Marie fündig. BERGER war neben der Gegensprechanlage zu lesen. Nach kurzem Überlegen drückte sie auf den Klingelknopf. „ Ja bitte?“ tönte es aus dem Lautsprecher. „Grüß Gott, Marie Moser. Ich würde gerne Frau Brigitte Berger besuchen. Bin ich hier richtig?“
Wenig später trat eine Frau Mitte fünfzig, blond, sehr gepflegt, aus dem Haus.
„Ich bin Brigitte Berger. Was wünschen Sie?“ Marie wusste zunächst nicht, was sie sagen sollte. „Ich wollte eigentlich ihre Mutter besuchen. Oskar hat mir gar nicht erzählt, dass er auch eine Schwester hat.“ „ Meine Mutter ist schon seit Jahren tot und außerdem hieß sie Margarethe Oberhuber. Aber sagen Sie mir, woher kennen Sie Oskar, meinen Mann?“
Vor Schreck brachte Marie kein Wort heraus. “Ist Ihnen nicht gut? Warten Sie. Ich hole Ihnen ein Glas Wasser.“
Verwirrt schaute Marie der eleganten Frau nach [i]was hatte die Frau gesagt? Oskar wäre ihr Mann?[/i]
„Hier bitte, vielleicht hilft es“ Mit diesen Worten reichte Frau Berger der Jüngeren ein Glas Wasser über den Zaun. “Und jetzt erklären Sie mir, woher sie Oskar kennen und warum Sie mich für sein Mutter hielten?“
In knappen Worten erzählte Marie Frau Berger ihre Geschichte. Schon während die junge Frau sprach, legte sich ein Schatten über Frau Berger Gesichtszüge. “WER sind Sie? Oskars Lebensgefährtin? Sie könnten ja seine Tochter sein! Warten Sie, ich hole ein Foto von ihm. Sicher haben Sie sich geirrt!“ Ein paar Minuten später hielt Brigitte der jungen Frau ein Foto, auf dem Oskar im Liegestuhl lag, hin. “Das ist Oskar, mein Mann. Er ist von Beruf Versicherungskaufmann und arbeitet schon seit sieben Jahren in Wien in der Stammfirma, weil hier die Zweigstelle aufgelassen worden ist. Unter der Woche wohnt er daher auch in Wien. Das Wochenende verbringen wir hier gemeinsam in Graz. Nach 33 Ehejahren lässt es sich so gut leben.
Unter der Woche arbeite ich auch, daher ist es für mich einfacher, wenn Oskar die Wochenenden mit mir in Graz verbringt. Hier haben wir auch unseren Freundeskreis. Aber wieso erzähle ich Ihnen das eigentlich?“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte Marie das Foto von Oskar an. „Das ist auch mein Oskar“ stotterte sie verwirrt „Jetzt verstehe ich so Manches! Mit vielem habe ich gerechnet, aber doch nicht damit!
Übrigens, Oskar ist seit drei Jahren pensioniert.“

Verständnislos schüttelte Brigitte ihren Kopf, murmelte schließlich:„Verstehe ich nicht, aber das ist jetzt auch schon egal. Kommen Sie doch herein.“ Mit diesen Worten
öffnete Frau Berger das Gartentor.[i] was will die bloß von mir? Womöglich beschimpft sie mich, wenn wir hinter verschlossener Türe sind…besser wäre wahrscheinlich ich würde´ jetzt gehen….blöde Situation[/i]Mit den Worten, “aber nur kurz“, folgte Marie der Frau schließlich doch ins Haus.
„Ich koche uns erst einmal einen Kaffee. Wollen Sie auch einen Cognac dazu? Also ich brauche einen“
Bei Kaffee und Cognac beruhigten sich die zwei Frauen. Brigitte schien keinen Groll gegen die Wienerin zu hegen Beider Frauen Wut und schließlich sogar Hass richteten sich gegen Oskar und machte sie schließlich zu Verbündeten. Einige Stunden und eine leere Weinflasche später hatten sie einen Plan geschmiedet.
In den nächsten beiden Tagen waren die zwei Frauen damit beschäftigt diesen zu perfektionieren. Am frühen Nachmittag des dritten Tages machte sich Marie auf den Heimweg.
Kurz vor Wien rief sie Oskar an und bat ihn doch etwas ganz Exquisites fĂĽr ein festliches Essen einzukaufen.
Sofort nach ihrer Ankunft, Oskar war noch auĂźer Haus, dekorierte Marie die Wohnung festlich. Ihr Geliebter sollte einen Abend erleben, den er nie vergessen wĂĽrde.
Als Oskar heimkam, empfing ihn Marie in einem duftigen Nichts .Nach einem sinnlichen Mahl- Kaviar vom Feinsten und echtem Champagner- trug Oskar seine Geliebte voll
freudiger Erregung ins gemeinsame Liebeslager.
Sie kĂĽssten einander mit einer Hingabe wie noch nie zuvor.
Bei einem dieser Küsse schob die junge Frau dem Geliebten zwei Kapseln in den Mund. Sie versprach ihm Lustgefühle, wie er sie noch nie erlebt hätte.
Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, schluckte Oskar die Liebespillen.
Es dauerte nicht lange und Oskar tauchte ab in Welten, in denen er noch nie gewesen war und aus denen er nie mehr erwachen sollte.
Die Frauen hatten eine ganze Packung von Oskars Herztabletten fein zerstoĂźen und in Kapseln gefĂĽllt.
Schluchzend wählte Marie den Notruf.
Tränenüberströmt und verlegen errötend erzählte sie, wie Oskar mitten im schönsten Liebespiel plötzlich aufgestöhnt hatte und dann leblos zusammengesackt war.
Die ärztliche Untersuchung des Leichnams schloss Fremdeinwirkung aus. Akutes Herzversagen.
Niemand erfuhr jemals, dass Marie und Brigitte sich kannten.
So wurde Oskar Berger von seiner tief trauernden Ehefrau im Beisein ihrer beider Freunde in Graz zu Grabe getragen.
Zum gleichen Zeitpunkt saß Marie im ersten Stock des Schlosses Belvedere und nahm vor Klimts Kuss auf ihre Art Abschied [i]ach Oskar, auch hierher mag ich jetzt nicht mehr kommen… würd´ mir zu wehtun[/i]
Mit diesen Gedanken erhob sich Marie. Ihr Blick streichelte noch einmal das verliebte Paar in Klimts Gemälde.
Abrupt drehte sie sich um.
Oskar und „Der Kuss“ waren für sie Vergangenheit.

Astrid Steiner Dezember 2006

Letzte Aktualisierung: 18.12.2006 - 20.06 Uhr
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