Das alte Buch Mamsell
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März 2007
Bescheidenes Mal
von Thorsten Schöneberg

Komm, mein schöner Mann, lass uns Scampis und Sardellen trinken und eine gute Stunde den Lauf derer, die laufen, vergessen.
Armin sah Frank an und dachte diesen Satz. Er befühlte mit den Augen Franks Muskelpakete unterm Ringer- Shirt und sein Magen fiel mit einem kaum hörbaren "Ploff" in sich zusammen. Armin fasste sich ein Herz und sprach den gedachten Satz aus.
"Komm, mein schöner Mann, lass uns Scampis und Sardellen trinken und eine gute Stunde den Lauf derer, die laufen, vergessen."
Frank sah ihn an.
"Ich denke, wir sollten nichts vermischen. Du hast mich angestellt. Lassen wir es doch beim rein Dienstlichen."
Armin lächelte. Er wusste, dass das sein stärkstes Argument war. Er hatte keinen Wahnsinns- Körper zu bieten wie Frank, aber sein Lächeln war schwer zu übergehen. Es hatte vielleicht etwas mit den regenwaldgrünen Augen zu tun, die unter dem rot getönten Haar hervorblitzten. Passend dazu trug Armin einen grünen Ohrstecker. Frank wandte seinen Blick halb belustigt ab.
"Nee, komm mir nicht so, das kann ich nicht sehen."
"Nennen wir es Mitarbeiterführung", sagte Armin. "Ich möchte ein gutes Betriebsklima, eine Atmosphäre eines dem andern zugewandten Verhaltens. Ich wende mich dir nur für ein Essen zu. Ich möchte mein beschauliches Mahl mit dir teilen. Mein Festessen soll deins sein. Für eine angenehme Stunde."
"Wie jetzt, meinst du deine Sondennahrung?"
"Ja, deswegen sagte ich doch, Scampis trinken. Komm, deck uns schön den Tisch. Ich lade dich dann ein. Aber stilvoll, mit Kerzen."
Frank starrte ihn einen Moment nachdenklich an. Dann grinste er und nickte.
Armin konnte das tolle Muskelspiel auf diesem unglaublich breiten Rücken beobachten. Auch jede kleinste Anspannung am kleinen Po seines Pflegers bemühte er sich zu beobachten. Diese gebräunte, seidige Haut zu berühren... Er schloss einen Moment die Augen.
Frank legte eine Tischdecke auf und stellte Kerzenleuchter auf den Tisch. Von der Fensterbank nahm er einen Blumentopf, der sich harmonisch in die Dekoration des Tisches einfügte. Musik machte an diesem Abend Yvonne Catterfeld.
„Schön“, sagte Armin. „Komm, bring mich zu meinem Platz.“
Frank schon Armin an den Tisch und zog die Bremsen an. Dann holte er die Sondennahrung aus dem Wasserbad und legte ein weißes Handtuch über den Arm.
„Jahrgang 1998, Südhang, ein besonders edler Jahrgang.“
„Was meinst du, Frank, entscheiden wir uns dafür?“
Frank setzte sich schnell auf seinen Platz.
„Du hast eingeladen. Du hast die Wahl.“
„Fein. Dann nehmen wir diese Sorte.“
Frank stand auf, öffnete die Magensonde und ließ etwas von der Nahrung einlaufen.
„Und? Habe ich zuviel versprochen?“
„Hmmm! Dieser Geschmack nach Scampis und Sardellen, unübertrefflich.“
Frank goss sich den Rest der Flasche in ein Glas und trank, mit genießerisch abgespreiztem Finger, schluckweise. Armin sah ihm an, dass es ihm einen Mordsspaß bereitete.
„Ja, es gibt nicht viele Menschen, die Scampis so zubereiten können. Vielleicht kommen wir noch mal wieder.“
„Und? Wie war dein Tag? Was gibt es Neues?“
„Ich habe eine private Pflege angenommen.“
„Ach, arbeitest du nicht mehr im Pflegedienst?“
„Nein. Das war nichts mehr. Armin, so heißt mein Patient, ist ein total netter Rollifahrer. Sehr angeschmiert durch so eine blöde Muskelgeschichte, aber schwer in Ordnung. Ich denke mir manchmal, dass ich Leute wie ihn nur bewundern kann, dafür, wie sie mit sich und anderen umgehen.“
„Du solltest ihn mir mal vorstellen.“
Frank nickte. Sie machten Konversation und redeten sich in ein gehobenes Lokal mit exquisiter Bedienung, die ständig um ihr Wohlergehen bemüht war und sich so oft erkundigte, ob es denn schmecke, dass Armin an den Sketch von Loriot denken musste.
„Ich befürchte, meine Sardellen trocknen ein, wenn Sie mich so oft fragen, ob es schmeckt“, lachte er.
Frank gab ihm noch ein bisschen Rotwein durch die Magensonde.
„Weißt du, ob das klebt?“ fragte Armin.
„Mein Herr, wir beziehen unseren Wein direkt vom Hersteller. Da klebt nichts! Natürlich servieren wir zu unserem Wein immer ein Schälchen Wasser. Das trinken Sie vielleicht einfach nach dem Wein, um das Aroma voll auszukosten.“
Frank spülte die Sonde mit Wasser nach. Armin saß ihm gegenüber.
„Kannst du meine Hände auf die Tischplatte legen?“ bat er.
Armin stellte Armins Arme auf und legte die Handflächen ineinander. Mit griffbereit gehaltenen Händen begutachtete er sein Werk. Die Pose hielt. Jetzt wirkte Armin wirklich wie im angeregten Gespräch im Nobelrestaurant.
„Ich danke dir, dass du mitgemacht hast bei diesem bescheidenen Mal. Ein bescheidenes Mal die Illusion, ich ginge mit einem so geilen Muckimann zum Essen. Jetzt kannst du mich nach Hause fahren.“
Armin ließ sich von Frank ins Badezimmer fahren. Er ließ sich die Abendtoilette machen und sich umziehen. Zur Nacht bekam er wieder seinen großen Katheterbeutel.
„Kommst du noch auf einen Kaffee mit rauf?“ fragte er Frank, als dieser ihn auf seinen starken Armen ins Bett trug.
Frank lächelte.
„Es war ein schöner Abend. Ich rufe dich an.“
Er schaltete Armins Matratze ein, die ihn alle zwei Stunden in eine andere Liegeposition bringen würde. Dann löschte er das Licht bis auf eine Nachtleuchte und ging.
Ein bescheidenes Mal, dachte Armin, hatte er eine Einladung zum Essen ausgesprochen mit einem muskelbepackten Typen. Er lag im Halbdunkel und dachte zufrieden seufzend an all die Nächte, die den Beginn einer neuen Liebesgeschichte verheißen hatten. Die Dunkelheit ließ so vieles möglich erscheinen. Die Nacht machte ihn stark. Auf seiner Zunge war noch ein leichter Knoblauch- Geschmack. Und daneben, kaum spürbar, ein Geschmack köstlicher Scampis.

Letzte Aktualisierung: 09.03.2007 - 19.47 Uhr
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