Henry stapfte aus dem Haus, ohne sich noch einmal umzusehen; warf Koffer und Notebook ins Auto und ließ sich auf den Sitz fallen. Nur weg von diesen Besserwissern! Allen voran seine Frau. Sam, sein Lektor, war nicht besser: „Henry, das funktioniert nicht. Der Plot ist zu dünn. Und deine Protagonistin! Kein Leser wird ihre Angst verstehen.“
Henry dies, Henry das, Henry tralala. Er konnte es nicht mehr hören! Er musste raus, abtauchen, wie damals, als er ‚Gypsy Ghost’ schrieb. Sam sollte seine anderen Autoren quälen.
Elisabeth stand in der Tür, ihren typischen „Ich mache mir Sorgen um dich“-Blick auf höchster Stufe. Henry grinste. Sollte sie doch. Hauptsache er hätte endlich RUHE. Sonst würde dieser Roman nie fertig. Nicht gruselig genug, ha! Der große Henry Havenport hatte noch nie einen ungruseligen Roman geschrieben.
Ihr weinerliches: „Liebes, du bist wie damals ...“ hallte in seinen Ohren nach. Das konnte man nicht vergleichen, er hatte unter zu großem Druck gestanden. Deshalb lag sein Mobiltelefon jetzt gut versteckt in der Sockenschublade.
An der nächsten Tankstelle kaufte er eine Landkarte, um St. Mary in the Wheatfields überhaupt zu finden. Sinniger Name für ein Kaff in der Mitte von Nirgendwo. Völlig touristenfrei, laut Makler. Ein verschlafenes Dorf mit ein paar Einwohnern zwischen siebzig und scheintot. Das Cottage, das er telefonisch gemietet hatte – Elisabeth würde es nie finden – hieß Redfern’s Retreat. Es war so groß wie eine Villa, vier Schlafräume. Strom war da, aber kein Telefonanschluss. Wenn er ins Web wollte, müsste er ein paar Meilen fahren. Eine Ablenkung weniger. Vor allem kein „Schatz, du musst dich schonen.“ Kein misstrauisches Lauern auf erste Anzeichen, keine Fangfragen. Die Krönung: Kein Dr. Cromby.
Es war nach zweiundzwanzig Uhr, als Henry ankam. Der Makler hatte den Weg gut beschrieben: Am Dorfausgang drei Meilen Richtung Wald, fünf Meilen am Waldrand entlang. Kein Stern stand am Himm ...
Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Geschichte gehört zu den Siegergeschichten und erscheint in unserer Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir uns nicht selbst Konkurrenz machen möchten, indem wir die Geschichte ebenfalls hier komplett veröffentlichen.
Vielen Dank!
Andreas Schröter
Letzte Aktualisierung: 30.04.2007 - 21.32 Uhr Dieser Text enthält 10112 Zeichen.