Wellensang
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Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
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Mai 2007
Sein Schatten zu nächtlicher Stunde
von Anna Maria Sauseng

Kurz erst war ich eingeschlafen, da wurde ich wach, weil ich meinte, vor dem Fenster Schritte gehört zu haben. Ich lauschte angestrengt in die nächtliche Stille, hörte aber nichts mehr.
Später weckte mich ein kühler Lufthauch, obwohl das Fenster geschlossen war. Ich zog die Decke über die Ohren und versuchte erneut, einzuschlafen. Ich tastete nach dem Lichtschalter, drückte ihn aber nicht. Offenbar war ich doch eingenickt, denn ich erwachte, von einem Kratzen der Türklinke. Fest zog ich meine Gliedmaßen eng an meinen Körper.
Dann ein Knacken, als würde sich etwas aus der Holzwand lösen.
Mit einem Ruck fuhr ich aus dem Schlaf hoch. Ich lauschte in die Stille, und obwohl ich nicht hätte, sagen können, was mich geweckt hatte, brach mir plötzlich der Schweiß aus.
„Anna?“
Die Stimme ließ mich herumfahren.
Im Dämmerlicht, das durch die halb heruntergelassenen Jalousien fiel, erkannte ich einen Mann in der Ecke meines Schlafzimmers.
„Franz!“, entfuhr es mir. „Was machst du hier?“
Anstatt Antwort zu geben, löste sich die Gestalt von der Wand und kam langsam, lautlos, auf mein Bett zu, sein Blick starrte mir entgegen. Es wurde wieder merkwürdig kühl im Raum. Die Vorhänge wellten vor dem Fenster.

Er setzte sich am Fußende meines Bettes nieder.
„Ich muss dir etwas sagen“, flüsterte er mit eigenartig fremder Stimme.
„Ja?“, hauchte ich.
„Ich muss dir auch etwas zeigen“, wiederholte er.
„Ja, ich höre.“
„Ich muss dir ...“
„Etwas sagen und zeigen willst du mir, ich höre, sag’ es doch schon, was es ist!“, murmelte ich und wich steif zurück.
Sein sonst jung gebliebenes Gesicht verschwamm vor meinen Augen, es wurde immer fremder, älter und seltsam grau. Er schüttelte den Kopf.
„Komm!“, sagte er endlich. Dann stand er auf, wie mit einem schweren Sack beladen, ging er zu Türe, und verharrte dort. Als würde ich von einer Kraft gedränt, schlug ich die Daunendecke zurück, zog die Beine an und drehte mich aus dem Bett, schlüpfte in den Jogginganzug. Mein Herz pochte wild in der Brust.
Als wir im Freien waren, wurden seine Schritte beinahe schwebend. Ich konnte ihm kaum folgen.
Zum Friedhof, gleich jenseits der Straße gelegen, dorthin zog es ihn. Ich folgte seinen großen, schlanken Schattenkörper wie einem Magneten.
Die Arme presste ich zitternd an meine Brust.


...Was wollte er am Todesacker, warum holte er mich aus dem Bett? Weswegen der Gang nun durch die Nacht?
In Sekundenschnelle liefen, wie auf einer inneren Filmspur, meine Begegnungen mit Franz ab. Ich erinnerte mich an Gespräche, die wir geführt hatten, oft waren wir dabei nicht gleicher Meinung gewesen. Aber irgendetwas verbündete uns, da war das Religiöse, das Fragende um den Sinn des Lebens. Darüber hatten wir nur wage gesprochen, wir spürten es einfach. Es tat mir leid, dass wir uns letztlich doch fremd geblieben waren. Ja, einmal äußerte er:
„Mich mögen die Leute hier nicht.“
„Ach?“ antwortete ich und dachte an die vielen Sticheleien vonseiten der Mitarbeiter, die es hinter seinem Rücken gab. Sie murrten, er sei stolz, sondere sich ab, sei unstet in seinen Äußerungen, oft nicht ansprechbar, oft nicht bei der Sache, um einige zu nennen.
„Aber du kannst fortgehen, ich muss bleiben,“ antwortete ich, bezogen auf den Ortswechsel, es war kurz vor seiner Versetzung.

Der silberne Mond sandte sein volles Licht und Schatten zogen wie Gespenster um die Grabsteine.
Tiefe Stille, kein Mensch unterwegs.
Vor einem Urnengrab blieb er stehen. Ich starrte auf die Inschrift am Stein, konnte sie aber in der Dunkelheit nicht lesen. So fragte ich:
“Was soll das?“ Da er keine Antwort gab, drehte ich mich suchend um, vom Franz war nichts zu sehen. Plötzlich sah ich ihn, hingestreckt am Boden, liegen. Als ich mich bückte, um zu helfen, schreckte ich zurück. Denn neben ihm, lag in einer Blutlache, eine schwarze Pistole. Er war tot.

Zuerst gebannt, dann wie durch einen Wirbel gezogen rannte ich nach Hause. Kalter Schweiß nässte meinen Körper. Ich stürmte zur Hausbar, nahm die Weinbrandflasche, goss ein Glas davon voll und trank es in einem Zuge aus. Taumelte ins Schlafzimmer.
Im Bett zog ich die Winterdecke über mich, das Zittern wollte kein Ende nehmen, bis die Wärme des Alkohols durch meinen Körper pulsierte. Von einem Taumel erfasst, glitt ich in eine dunkle Wolke.

Das Telefon schrillte. Aus tiefem Schlaf gerissen, griff ich zum Hörer.
„Ja?“ Mit einem Ruck setzte ich mich auf. Wankte ganz arg dabei.
„Was ist?“
„Ja, du hast richtig gehört. Der Pfarrer hat sich umgebracht, mit der Pistole seines Vaters. Noch dazu vor dessen Urnengrab.“
„Ja!“, schrie ich, „ja, nein, ja!“
„Beruhige dich doch, was gibt es da zu schreien“, hörte ich die Stimme im Telefon. Ich legte auf. Es gab darauf von mir keine Worte zu sagen.
Wieder das Zittern, wieder die Kälte über den Rücken, die Beine wie Gummischläuche. Ich legte mich in das Bett zurück.
War es also doch kein Traum, war er wirklich hier? Fragte ich mich immer wieder, gibt es so etwas überhaupt?
Das also wollte mir Franz zeigen, zu seinem eigenen Tod hatte er mich mitgenommen.
Ich legte mich zurück auf das Kissen, starrte zur Decke. Die Lampe drehte sich, die Wände schwankten. Mein Gott war es also kein Traum?
„Mich mögen die Leute hier nicht.“, wie gequält hatte er das gesagt. Keiner ahnte dahinter seine tiefe seelische Not.
„Aber du kannst fortgehen, und ich muss bleiben,“ war meine einzige billige Antwort damals.
Franz war zurückgekommen, um bei uns zu sterben. -
Dann spürte ich, wie es warm, salzig über meine Wangen lief, ich weinte um ihn.




Letzte Aktualisierung: 22.05.2007 - 22.44 Uhr
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