„Nun hat er seinen Frieden!“ Die alte Hauschke tupft sich die Augenwinkel mit ihrem weißen Leinentaschentuch und seufzt.
„Ja“, sagt Gerlinde Lippold tonlos und geht ächzend vor dem Grabhügel in die Knie. Die rote Schleife an einem der Kränze ist verdreht. Gerlinde schiebt ihren massigen Körper schnaufend auf allen vieren ein kleines Stück auf den Erdhügel und greift nach dem Samtstreifen.
„Ein letzter Gruß. Unvergessen, Deine liebe Frau Gerlinde “ liest die Hauschke laut vor „Das klingt wirklich sehr schön. Haben sie den Kranz draußen bei Gärtner Ederling machen lassen? Die haben grade Stiefmütterchen rein gekriegt. Ich will Freitag welche holen, für meinen Kurt. Die halten immer schön lange.“
Gerlinde richtet sich stöhnend auf und reibt die Hände aneinander.
„Ja“ sagt die Hauschke „die Erde hier ist ziemlich klebrig. Ich nehme immer einen Lappen mit, wenn ich zum Kurt gehe.“ Sie nestelt eine Plastiktüte mit einem grauen Baumwolltuch aus ihrer Handtasche. „Hier können sie die Hände abwischen.“ Die alte Hauschke reicht Gerlinde den Lappen.
„Danke“. Gerlinde nimmt ihn, ohne die Hauschke anzusehen. Ihre Hände bewegen den Lappen hin her, kneten und wringen ihn und pressen ihn schließlich zu einem Ballen. Die alte Hauschke schaut verlegen zu Boden und stochert mit ihrem Krückstock ein Loch zwischen die Kieselsteine. Dann hebt sie den Kopf.
„Wissen Sie, mein Kurt, der konnte ja zuletzt überhaupt keinen Schritt mehr laufen. Und dabei ist der immer so gern gewandert. Zuletzt hat er nur noch gelegen. So ist das eben. Wir müssen halt alle mal gehen.“
Gerlindes Schultern beginnen zu beben.
„Der alte Krohann ist ja nun auch weg.“ sagt die Hauschke hastig. „Der soll ja noch kurz vorher seinen Sohn enterbt haben, wegen der Trinkerei. Drei Autos hat der so kaputt gefahren! Drei Autos! Das muss man sich mal vorstellen! Wussten Sie das?“
Gerlinde schweigt und zittert jetzt am ganzen Körper. Die alte Ha ...
Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Geschichte gehört zu den Siegergeschichten und erscheint in unserer Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir uns nicht selbst Konkurrenz machen möchten, indem wir die Geschichte ebenfalls hier komplett veröffentlichen.
Vielen Dank!
Andreas Schröter
Letzte Aktualisierung: 30.06.2007 - 21.02 Uhr Dieser Text enthält 7588 Zeichen.