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„Sie – haben – den – Anweisungen – der – Ober-Weisen – Folge – zu – leist …“
Erst klang es abgehackt, dann brach der Funkkontakt endgültig ab.
“Ich habe keine Lust!" KiRa4 schmollte und flog schneller.
"Warte! Nur noch einmal. Komm! Ich wette, sie schnallen wieder nichts." Er hatte Mühe ihr zu folgen. Vielleicht würde sich irgendwann eine Menschheit anders entwickeln. Irgendwann – das war ein guter Witz. Er schüttelte sich fast unmerklich. "Nur noch einmal!", wiederholte er flüsternd und bestimmt.
Sie hielt erst an, als sie den Gipfel erreichten, schwenkte einmal um ihre eigene Achse und fotografierte die einzelnen Sequenzen.
"Ich lasse es mit dem Geosystem konform gehen. Danach schicke ich die Daten zur Station."
Wieder flog sie voraus. Sie drehte sich nicht um, um nach ihm zu sehen, und hielt Kurs auf das nächste Objekt. Kux beobachtete sie ungeniert, obwohl er genau wusste, es würde ihr nicht entgehen. Nicht KiRa4. Aber es wäre doch gelacht, wenn er deswegen sein kleines Spiel aufgeben würde!
"Und warum tun wir es nicht noch einmal? Keiner hier erfährt etwas. Morgen verlassen wir die Gegend. KEIN Mensch wird je wissen, dass wir es waren."
"Schluss damit!", zischte ihr Funkprogramm in seine Antennen. "Ich werde keine weiteren Dummheiten erlauben, die die Mission gefährden. Schluss – Ende – Aus."
Es rauschte. Verdammt, dieses Automatending bildete sich wohl ein, es wäre der Boss. Sie war eine Maschine! Natürlich wusste er, dass sie alles aufzeichnete, auch seine kleinen Eskapaden. Und das waren in den siebenundsiebzig Zeiteinheiten, die sie bisher zusammengearbeitet hatten, nicht wenige gewesen. Kux verwarf die Bedenken darüber; einerlei, Hauptsache, er hatte ein bisschen Spaß, wenn er auf den Missionen umherflog. Die Obrigkeit war seiner Meinung nach sowieso nur versessen auf die Datenauswertung.
Also beendeten sie ihren Erkundungsflug und ja, er wusste, was er zu tun hatte. Zurück in der Bodenstation gab er KiRa4 den Auftrag, sich abzuschalten. Deutlich sah er in ihren Sichtblenden, dass es ihr zuwider war. Aber, auch wenn sie sich manchmal aufspielte, so wusste sie anscheinend doch, wer von ihnen beiden wirklich der Boss war.
"Braves Mädchen.", kommentierte er den Abschaltprozess des Kosmointernationalen Raumautomaten der vierten Generation. Ihr Programm, auch wenn es einem das Leben erleichterte, konnte manchmal ganz schön nerven. Vor allem, wenn ihre Kapazität - er kicherte und assoziierte ihre Majestät - fast ausgeschöpft war und der Restspeicher glühte, wenn sie die Risiken berechnete.
Voller Vorfreude ließ er die Station hinter sich. Eine Flugstunde und er würde die Lichter der nächstnahen Großstadt sehen. Um KiRa4 machte er sich keine Sorgen; das Kuppelschutzschild war aktiviert. Niemand würde sie orten können. Nicht mit dieser Hinterwäldlertechnik, die hier herrschte.
Er wollte noch einmal richtig auf die Pauke hauen, bevor sie morgen nach Sonnenaufgang zurückbeordert wurden. Sein ganzer Körper vibrierte und er versprühte aus den kleinen Stacheln um seinen runden Körper heftig Funken der Vorfreude.
Oh, würde das wieder einen Aufstand geben ... Wie vor 2000 Jahren. Auch wenn sich ihre Technik ein klein wenig weiterentwickelt hatte. Ihm kamen die Einheimischen naiv vor wie eh und je.
Wie geplant erreichte er die Stadt und setzte zum Sinkflug an. Herrlich, wie die Lichter, denen er sich näherte, erst flackerten und dann verloschen! Er kicherte. Diese dummen Erdenmenschen ... Kaum hatte etwas nicht seine gewohnte Ordnung, rasteten sie völlig aus. Seine bloße Anwesenheit reichte dafür aus. Und natürlich sein Magnetfeld. Übermütig sank er weiter hinab, schwebte dicht über den Automobilen, die keinen Meter mehr fuhren, wenn er in ihre Nähe kam. Mit seinen aufgeladenen Stacheln irritierte er ihre Technik. Ihre feine Elektronik brach zusammen. Auf dem Highway staute sich der Feierabendverkehr. Er hörte Worte, die er noch nicht in seinem Sprachtransformator hatte und deren Bedeutung sich schwer entschlüsseln ließ. Die häufigsten waren "Shit" und "Fuck". Na, sie konnten sich zu Hause darum kümmern. Das Programm übersetzte das eine mit "Restmüll" und für das andere war wohl dem Translator die Übersetzung zu suspekt. Und auch Kux war nicht klar, was das Anhalten ihrer Mobilität mit "Vermehrung" zu tun hatte. Egal, die Ober-Weisen würden es herausfinden.
Er nahm Kurs auf ihre Mainstreet, eine eben noch hellbeleuchtete, große Straße, die sich zentral durch die Stadt zog. Schon flackerte das Licht, dann ging es aus. Sirenen heulten, Blaulicht blinkte – bis auch das erlosch, kaum, dass er auf ein paar Maßeinheiten heranflog.
Ihm ging es blendend. Er hatte aufgetankt und fühlte sich energiegeladen. Satt. Übermütig.
Bevor es morgen nach Hause ging, wollte er auf diesem Planeten seinen letzten, großen Coup landen.
Mit einem Grinsen deaktivierte er sein Schutzschild und gewährte ihnen den Blick auf seine ganze Schönheit.
Er versuchte zu strahlen. Kurz blähte er sich auf.
Das war der Moment, wo alle zu ihm aufsehen mussten.
Doch halt. Er vermisste die Schreie. Das hektische Herumwuseln.
Kux fiel wieder in sich zusammen, noch bevor er überhaupt an Größe gewonnen hatte.
WAS war hier los?
Er wollte ihre Angst fühlen. Er wollte, dass sie staunen!
Aber nur ein paar Wenige sahen zu ihm, staunten wohl auch ein bisschen. Streckten die Hände hoch in die Luft. Eine Flut heller Lichter zuckte ihm entgegen.
Was … Was sollte das alles?
Wieso schaffte er es nicht, sich zu voller Größe zu entwickeln?
Er flog verwirrt auf die Menschen zu.
Ihre blitzenden Hände brachten ihn fast um den Verstand. Kux geriet ins Taumeln. Strauchelte. Ehe er sein Sicht- und Schutzschild wieder aktivieren konnte, prallte er gegen einen Ampelmast, sah kurz, dass das grüne Licht nur flackerte und dann weiterleuchtete. Bevor er sich richtig wundern konnte, verlor er sein Bewusstsein.
Die Menschen packten ihre Handys und Kameras wieder in ihre Manteltaschen. Die kleinen Stromschwankungen waren vorbei. Die fliegende Leuchtkugel - sicher ein Reklamegag - war verschwunden.
„Guck mal, Dad, ein Flummi mit Stacheln! Darf ich den behalten?“
Der große Mensch nickte.
„Er ist gerade vom Himmel gefallen. Er hat geleuchtet, jetzt ist er kaputt. Hat er eine Batterie?“
Der kleine Mensch gab dem großen die stachlige Kugel. Der besah sie sich von allen Seiten.
Kux hielt ganz still. ‚KiRa4, verdammt, KiRa4, hätte ich bloß auf dich gehört!’
Aber es hatte ihm immer so einen Heidenspaß gemacht, die unterentwickelten Planetenbewohner zu erschrecken. Hier war etwas schief gelaufen. Mächtig schief. Er bekam alles mit, konnte sich aber nicht mehr steuern. Konnte sich nicht bewegen, selbst wenn er es gewollt hätte.
Der Junge bekam den Stachelball, der nicht größer als ein Tennisball war, von seinem Vater zurück und warf ihn in die Luft, fing ihn wieder auf – um ihn erneut in die Luft zu werfen.
‚Hilfe. Hilfeeeeeeeee!’
Denken, das war alles, was Kux noch konnte.
„KiRa4, du – hast – deinen – Auftrag – erledigt?“, fragte der dritte der Ober-Weisen. Kux war ihnen ein lästiger Kundschafter geworden. Seine ewigen Späße brachten oft alles in Gefahr.
„Ja.“, antwortete der Forschungsroboter einsilbig. Nie wieder würde sie mit Kux umherfliegen oder eine seiner blöden Wetten annehmen können. Oder seine prickelnden Blicke im Hinterteil verspüren. Traurig schaute sie auf den kleinen Chip, den sie in ihrem Greifarm hielt.
Dieser Mikrochip war das Einzige, was sie für immer an Kux erinnern würde.
Ihre Sichtblende wurde trüb und sie sah nur verschwommen den sich rasch entfernenden blauen Planeten, als sie durch die Schleuse zu ihrem neuen Partner in die nächste Dimension geholt wurde.