Der Cousin im Souterrain
Der Cousin im Souterrain
Der nach "Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten" zweite Streich der Dortmunder Autorinnengruppe "Undpunkt".
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Juli 2007
Gestrichene Segel
von Roswitha Barthel-Froemter

· Die Mittagspause
· Michael hatte sich angewöhnt in der Mittagspause zu laufen. Nicht irgendwo hin, sondern fort. Im Laden kamen die Wände auf ihn zu, immer öfter fühlte er sich benommen, beschlich ihn eine Lethargie, gegen die es kein Gegenmittel gab.
· An diesem Tag lief er über die nahe Brücke der Ill, über den Kléber Place zum Haus der 1000 Möglichkeiten. Er betrat es, fand volle Tische. Zwei Frauen wühlten in den Textilien, wohl angelockt durch die Schilder, die im leuchtender gelber Schrift 1.-, 2.- 3.- und 4 €- Artikel anpries.
· Haus der Möglichkeiten
· Michael folgte einem Plakat, das unterhalb der Decke einen Dressman mit hochgeschlagenen Revers smart in die Ferne blicken ließ.
· Er beabsichtigte nicht sich neu einzukleiden, doch er hatte noch ein wenig Zeit, wie er nach einem Blick auf seine Armbanduhr feststellte. So schlenderte er an den Kleiderständern hin und zurück und kramte da und dort eine Hose hervor. Eine gefiel ihm auf den ersten Blick. Die Hosenbeine schlank geschnitten, der Bund durch einen Gürtel sportlich betont und in seiner Lieblingsfarbe Schwarz. „Die könnte ich anprobieren“ dachte er und betrat die Umkleidekabine. Die Hose hielt auch im weißen Licht vor dem Spiegel seinem prüfenden Blick stand. Wie er sich auch bewegte, sie saß wie angegossen. Er streifte das Kleidungsstück wieder ab und beschloss es zu kaufen. Er suchte das Schild, das auf eine Kasse hinwies. Er fand es schließlich in der Mitte des Raumes, nahe der Rolltreppe. Vor der Kasse angekommen, legte er die Hose auf den Tisch, kramte in seiner Sakkotasche. In diesem Moment fiel er in sich zusammen, er hatte seinen Geldbeutel nicht dabei. Er entschuldigte sich wortreich bei der Kassiererin, ohne zu wissen, ob sie ihn verstand, versprach wiederzukommen, und Sie möge doch solange dieses Stück für ihn reservieren. Freundlich versprach die Frau: „Selbstverständlich, kein Problem“ Monsieur und nahm die Hose an sich.
· Begehrlichkeiten.
· Er verließ das Kaufhaus, vielmehr er wollte es verlassen, fand den Ausgang nicht. Mit dem Fahrstuhl fuhr er auf und ab, bis er schließlich in der Tiefgarage ankam ausstieg, eine Tür fand. Die Treppe vor ihm führte nach draußen, wie er erleichtert feststellte.


· Der Kauf.
· Er eilte zurück zu seinem Arbeitsplatz, hinter die Ladentheke, griff, da er alleine war, er hörte seine Kollegin im Nebenraum, in die Kasse entnahm einen 50 € -Schein an sich. Der Preis der Hose. Er übergab die Aufsicht über das Ladengeschäft seiner Kollegin, der gegenüber er weisungsberechtigt war. „Ich muss noch schnell zur Bank, ich komme gleich wieder!“ rief er nach hinten die Verkäuferin zu. „In Ordnung“ hörte er sie antworten..
· Die Flucht.
· Beim Hinausgehen warf Michael einen Blick auf die Auslagen „seiner“ Filiale. Die Uhren aneinander gereiht blitzen in Chrom und Bi-Color. Sie zeigten 10 Min vor 2 Uhr, verbreiteten ein lächelndes Gesicht. Der Asphalt der Straße schien ihm verdunkelt, der Himmel in einem schmutzigen Grau. Während er dem Quai entlang hastete, sah er das Wasser des Flusses unruhig werden. Die Häuser so schien es ihm, kamen immer näher, rückten ihm auf den Laib. Nur fort, nur fort tickte es in ihm.
· In dem Hotelzimmer angekommen, dass er seit seiner Versetzung nach Straßburg von Montag bis Freitag bewohnte, fand er das vergessene Stück auf dem Nachttisch liegend. Er steckte die Börse ein, packte in aller Hast seinen Koffer mit den paar Habseligkeiten, die er notgedrungen immer mit hin und her beförderte. Er schlug den Weg zum Bahnhof ein. Er fühlte sich erleichtert, er wusste jetzt was er wollte. Fast hätte er es vergessen, die Hose sollte er vor der Abfahrt noch mitnehmen. Gleichzeitig fiel ihm auch seine Kollegin ein, es bestand, so überlegte er, die Möglichkeit einer Revision während seiner Abwesenheit. Es kam immer wieder vor, dass eine unangemeldete Prüfung der Kassen- und Warenbestände stattfand. Wie würde seiner Kollegin in diesem Falle ergehen?, sie hätte den Fehlbestand stellvertretend zu verantworten und zu erklären. Er schob den Gedanken beiseite, wiederholte den Weg vom Mittag und fand sich vor dem Haus der Möglichkeiten wieder, aber welcher Eingang führte ihn zu seinem Ziel? Unentschlossen stand er mitten auf der Straße, die den Platz umsäumte.
· Plötzlich hielt ein Wagen neben ihm. Der Fahrer rief im aus dem Fenster zu: “Suchen Sie etwas?“ „Wie kommen Sie darauf“ fragte er zurück. „Weil sie mitten auf der Fahrbahn stehen und die Durchfahrt blockieren“ Der Unbekannte sprach ihn in deutscher Sprache an. Wo sie sich doch im französischen Elsass befanden, wunderte sich Michael. nur noch wenige Einwohner der Europa-Metropole waren in beiden Kulturen zuhause, was er stets bedauerte. „Wissen sie welcher Eingang zur Textilabteilung führt?“ warf er laut dem Unbekannten zu. „Steigen sie ein, der befindet sich auf der Rückseite“ Er beeilte sich in den Wagen zu kommen, klemmte sich auf den Beifahrersitz, schlug die Tür zu und das Fahrzeug setzte sich im gleichen Moment in Bewegung. Kurze Zeit später, es mögen Sekunden vergangen sein, hielt der Peugeot schon wieder. Michael bedankte sich und stieg aus. Mit wenigen Schritten kam er zur Glastür, die sich vor ihm mechanisch zur Seite schob. Ein lang gestreckter Gang, befand er sich im falschen Stockwerk? Rechts und links wurden Haushaltsmaschinen angeboten. Ein neuer Versuch. Er benutze die vor ihm auftauchende Rolltreppe, sie führte ihn nach oben Er hatte Glück, die Verkäuferin an der Kasse erkannte ihn wieder und der Handel war schnell abgeschlossen. Er hielt die Plastiktüte mit der Hose in seinen Händen. „Nun aber ab zum Bahnhof“ sprach er leise für sich, was ihn beschämte - wie oft hatte man ihn deswegen aufgezogen, weil er mit sich selbst sprach. In der Bahnhofshalle bediente er sich noch eines Kassenautomaten und erleichterte sein Konto um eine für seine Verhältnisse hohe Summe.

· Eine Zugverbindung nach Frankfurt war schnell gefunden, nur wenige Minuten Wartezeit wurden im zugemutet.
Endlich saß er in dem weich gepolsterten ICE-Sitz, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Bilder stiegen in ihm hoch, wie hatte er diese Stadt im Grenzland früher geliebt. Dieses Straßburg war immer wieder im Jahr ein von ihm begehrtes Ausflugsziel gewesen. Allein die Fahrt dahin durch die herbstlichen Weinberge. Das Haardtgebirge hinter sich, die Vogesen vor sich, der Schwarzwald neben sich leuchtend in warmen Orange- und Rottönen eingebettet im hellen Olivgrün! Dann die kleinen Anhalte auf der Strecke in Soufflenheim bei den Töpferwerkstätten oder auch seine Einkehr in der Winstub in der auf dem Heimfahrt einen Edelzwicker verkostete.

· All dies war ihm seit seiner beruflichen Versetzung verleidet, all dies war ein einziger lähmender Einheitsbrei geworden. Das Klingelzeichen seines Handys weckte im aus seiner Träumerei. „Ja, bitte“ meldete er sich. Er erkannte die Stimme seiner Angestellten sofort, die sich aufgeregt überschlug „Die Revision, und es fehle Geld in der Kasse und wo er denn bliebe, wollte sie wissen „Hören sie, geben Sie mir einer der Herren, es entstand eine Pause, er hörte das beruhigende Gleiten des Zuges. Als er sich verbunden glaubte, sprach er bedächtig leise in den „Hörer“: „Ich habe mir das Geld ausgeliehen, sie bekommen es mit der nächsten Post zurück, aber auf mich müssen Sie in Zukunft verzichten. Ende“ Er wunderte sich, dass alles so einfach ging, ein Knopfdruck genügte!
· Michael würde nie mehr hierher oder auch nur nach Hause zurückkehren.
· In Frankfurt angekommen, stieg er am Flughafen aus. Niemand wirklich ihn vermissen, wurde ihm schmerzlich bewusst Was er zurückließ war schnell entsorgt. Andere sollten dies für ihn erledigen Seine Tochter vielleicht, die Michael seit einem Jahr weder gesehen noch gesprochen hatte. Am Flugschalter löste er ein last Minute-Ticket.
· Er hatte ein Ziel für sich ausgemacht. In zwei Stunden würde er abheben in Richtung Perugia in das italienische Umbrien. Ein hoffentlich nettes preiswertes Hotel, eingerichtet in einem ehemaligen Kloster, würde sein Quartier werden, so hatte er es gebucht. Tschüss..

Letzte Aktualisierung: 17.07.2007 - 10.17 Uhr
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