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Oktober 2007
Guardian Angel
von Claudia Schäckel

Es war noch immer dunkel, sehr dunkel. Er konnte nichts sehen, nur fühlen. Sein Rücken lehnte an der Felswand. Überall nur steiniger Boden, kantiger Fels und feiner Staub. Er hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt und wartete, wartete auf das erste bisschen Licht, das weit oben über der Kante der Schlucht erscheinen würde. Es erschien immer. Es war zuverlässig. Seine schulterlangen Haare hingen wirr um seinen Kopf, doch er machte sich nicht die Mühe, sie aus seinem Gesicht zu streichen.
Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie sich vergehende Zeit anfühlte, konnte nicht mehr sagen, wie lange er schon hier war und wo sich dieses Hier befand. Er war sich auch nicht mehr sicher, ob er noch sprechen konnte. Irgendwann einmal hatte er geschrieen, viel und laut. Die Felswände hatten mit ihm geschrieen, hatten seine Angst und seine Einsamkeit auf ihn zurückgeworfen und sie noch schlimmer gemacht. Darum schrie er nicht mehr.
Mit der Zeit hatten seine Erinnerungen angefangen zu verblassen. Erst die Unwichtigen, dann die, deren Verlust noch weh tat auch wenn sie schon verklungen waren. Lange hatte er versucht sie festzuhalten, bis er nicht mehr wusste was er hatte halten wollte. Erinnerungen an Wärme, Kälte, Hunger oder Durst, an Farben. Er war sich sicher, dass ihm Farben etwas bedeutet hatten, doch er fand keine Bilder, keine Gefühle mehr dazu. Zuerst hatte er um den Verlust getrauert und dann darüber nicht mehr zu wissen was er Verloren hatte. Ihm war nichts geblieben außer einer dumpfen Leere.
Das Licht.
Nur ganz vorsichtig wurde weit oben aus dem Schwarz ein dunkles Grau. Die tiefe Schlucht in der er stand bekam Konturen und Risse. Er musste hinauf. Ohne Eile löste er sich von der Felswand in seinem Rücken. Das entfernte Licht wurde heller, doch bei ihm hier unten konnte es nur verschiedene Tiefen im Schwarz hervorbringen, die es ihm gerade eben ermöglichten genug zu sehen um hinauf zu klettern.
Seine Hände rissen an den scharfen Kanten auf, an denen er sich auch Arme und Beine wund scheuerte, aber er musste weiter. Dann brach der Vorsprung ab, auf dem er mit einem Fuß stand. Seine Hände krallten sich an den Stein und sein Körper schlug gegen den Fels. Mühsam suchte er einen neuen Halt. Nach oben, weiter nach oben. Heller und heller wurde es um ihn herum. Irgendwann hatte er es geschafft und stemmte sich mit letzter Kraft über den Rand.
Keuchend und auf seine zerschundenen Hände gestützt, kniete er auf dem Plateau, als ihn der erste Lichtstrahl traf. Er hob den Kopf und genoss mit geschlossenen Augen die leichte Berührung die über sein Gesicht strich, um dann auf seine großen, zerzausten Flügel zu fallen. Ihr mattes weiß begann zu verschwimmen und ein erstes feines Schimmern erschien. Langsam stand er auf und sah in die Weite, in der sich nichts befand, außer einigen entfernten kleinen leuchtenden Punkten. Das Licht wärmte ihn und er streckte sich ihm entgegen, seine Schwingen breiteten sich aus und er wünschte, wie jedes mal, dass sie zu dem zu gebrauchen wären, zu dem sie gemacht waren. Waren sie aber nicht, nie gewesen, sie waren nur schön, unnütz und schwer.
Still stand er da inmitten des Lichts, dass durch ihn noch heller schien und wartete darauf, dass es erlosch, dass ihn die Schwärze wieder einfing und zurück in die Tiefe der Schlucht verbannte.
Es war wieder dunkel, sehr dunkel. Er konnte nichts sehen, nur fühlen. Sein Rücken lehnte an der Felswand. Überall nur steiniger Boden, kantiger Fels und feiner Staub. Er hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt und wartete, wartete auf das erste bisschen Licht das weit oben über der Kante der Schlucht erscheinen würde. Es erschien immer. Es war zuverlässig.

Mit staunenden Augen sah ein kleiner Junge in den klaren funkelnden Nachthimmel.
„Es sind so viele.“
Seine Mutter legte einen Arm um ihn, auch sie war fasziniert von den vielen kleinen Punkten, die um die Wette zu leuchten schienen.
„Und auf jedem Stern wohnt ein Engel, der auf uns aufpasst.“

Letzte Aktualisierung: 21.10.2007 - 19.55 Uhr
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