Das mit 328 Seiten dickste Buch unseres Verlagsprogramms ist die Vampiranthologie "Ganz schön bissig ..." - die 33 besten Geschichten aus 540 Einsendungen.
Der kleine Gespenstergeist Gustav lebte im Gespenstergeisterland.
Die meisten Gespenstergeister liebten G-Wörter.
Sie genossen Griespudding und Gabelmöpse, gammelten gerne im grünen Gras, gruben ihre Gärten um und gossen die Geranien.
Was sehr viele Gespenstergeister überhaupt nicht mochten, waren Worte, die mit einem anderen Buchstaben als mit dem G anfingen.
Deshalb gingen die Gespenstergeister in grauen Gamaschen, gelben und grünen Gehröcken oder in gerüschten, goldenen Gewändern.
Manche Gespenstergeister, wie zum Beispiel Gustavs Großvater Gerd, nahmen es besonders genau und verwendeten nur Worte, die mit G anfingen.
Fragte man so einen Gespenstergeist, ob er noch ein wenig Gerstensuppe haben wollte, so nickte er und grummelte: „Gern! Gut!“
Und das sollte dann „Ja, bitte! Die Suppe schmeckt wirklich gut!“ heißen.
Dem kleinen Gespenstergeist Gustav gefiel das Getue um die G-Wörter gar nicht.
Er hatte genug von Geranien, Ginster und Glockenblumen.
Er wollte durch rote Tulpenfelder laufen und blaue Veilchen pflücken.
Er wollte Äpfel essen und Schokolade naschen.
Er wollte nicht nur G-Wörter sagen – er wollte alle Wörter, die es in den gesammelten Geschichten der ganzen Welt gab, gebrauchen.
Großvater Gerd sah und hörte das gar nicht gern.
Immer wieder wurde Gustav von Gerd gemaßregelt, weil er „Toll!“, gerufen hatte, wenn er sich über ein Geschenk freute.
Oder weil er „Lecker!“, seufzte, wenn ihm die Germknödel schmeckten.
Gelegentlich war Gustav von Großvater Gerds grauenhaftem Gemecker ganz schön genervt.
Doch dann veränderte sich alles.
Es geschah nämlich ein grässliches Unglück.
Großvater Gerd stürzte von seinem Gaul, der geradewegs davon galoppierte und seinen Reiter mit gebrochenen Gebeinen liegen ließ.
Unglücklicherweise war Großvater Gerd in eine Ginsterhecke gefallen, wo er nun gut verborgen lag.
Das Einfachste wäre natürlich gewesen, wenn Großvater Gerd einfach um Hilfe gerufen hätte. In der Gegend arbeiteten einige Gespenstergeister in ihren Geraniengärten.
Die hätten ihn gewiss gehört.
Aber das Wort „Hilfe“ begann nicht mit einem G.
Deshalb wollte Großvater Gerd es auf keinen Fall gebrauchen.
Lieber dachte er lange nach und beschloss dann „Geholfen!“ zu rufen.
In diesem G-Wort kam schließlich das Wort Hilfe irgendwie vor.
Aber so oft und so laut Großvater Gerd auch „Geholfen! Geholfen!“ grölte – niemand kümmerte sich um ihn.
Kein Wunder – jeder Gespenstergeist, der die Schreie vernahm, dachte, irgendjemand hätte Großvater Gerd geholfen.
Nach einer langen Weile kam Gustav an der Ginsterhecke vorbeigeschlendert und hörte ein gar klägliches Gejammer.
„Geholfen! Geho-o-o-o-olfen!“, gurgelte Gerd.
‘Großer Gott’, dachte Gustav. ‚Das ist Großvater!’
„Gleich, Großvater!“, rief der kleine Gespenstergeist und guckte durch die grünen Ginsterzweige auf Großvater Gerd, der grimmig grunzte.
Geschwind holte Gustav mehrere große Gespenstergeister herbei, die gemeinsam den verletzten Gerd zum Gespenstergeisterarzt trugen.
Gerd war grauenhaft grantig und vergaß vor Wut, nur noch G-Wörter zu gebrauchen.
„Ich habe die ganze Zeit so laut geschrieen, bis ich nicht mehr konnte. Wieso habt ihr mir nicht geholfen?“, grummelte er.
Als die Gespenstergeister ihm erklärten, dass sie geglaubt hatten, es hätte ihm schon jemand geholfen, ging ein Glänzen über Gerds Gesicht.
Schuldbewusst blickte er seinen Enkel an und sagte:
„Vielleicht hast du ja Recht, ich habe es wohl mit den G-Wörtern ein wenig übertrieben. Tut mir Leid.“
Gustav grinste glücklich und ging sofort los, um einen großen Strauß Margeriten für seinen Großvater zu pflücken.
Ein paar Glockenblumen gab er aber auch dazu ...
Letzte Aktualisierung: 10.11.2007 - 09.38 Uhr Dieser Text enthält 3750 Zeichen.