Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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November 2007
Hannahs Gespensterbühne
von Karina Schneider

Hannah sog die klare, kalte Herbstluft tief in ihre Lungen ein, während sie an diesem Herbstmorgen über die Freilichtbühne ging. Die Requisiten des letzten Stücks waren bereits abgebaut und weggeräumt. Der Basar hatte ausgedient, ebenso wie der Palast des Königs. Viel erinnerte jetzt nicht mehr an Aladin und seine Wunderlampe, aber Hannah liebte diese kahle Bühne, die schon fast Teil des angrenzenden Waldes war. Sie musste immer an ihren ersten Besuch denken und daran, wie verzaubert sie gewesen war. Aber genug der Erinnerungen, schließlich war sie hier um sich inspirieren zu lassen. Dafür musste sie einfach mal alleine über die verlassene Bühne schlendern, was sie auch ausgiebig tat.
Nach einer Stunde machte sie sich auf den Nachhauseweg. Massenhaft Blätter waren in den letzten Tagen von den Bäumen gefallen, fiel ihr auf, deren Laub wie kleine Tiere über die Straßen kroch, angetrieben vom Wind. Sie dachte an die Arbeit die vor ihr lag und freute sich darauf.
Die eigentliche Saison der Freilichtbühne war zwar vorbei, allerdings liefen die Vorbereitungen für das nächste Jahr bereits im Hintergrund. Vor drei Tagen war endlich entschieden worden, welches Stück das Kindertheater aufführen würde. Diesmal hatte sich die Entscheidung länger hingezogen als in den vorangegangenen Jahren. Doch nun stand endlich fest, dass nach Aladin und der Wunderlampe das kleine Gespenst die Besucher verzaubern sollte. Ihr gefiel die Idee sehr gut, und vor ihren Augen sah sie bereits, wie das kleine Gespenst über die Bühne tollte. Allerdings lag es nun an ihr, aus dem Kinderbuch von Otfried Preußler nach ihren eigenen Vorstellungen ein Bühnenstück zu formen.
Joachim war für Aladin verantwortlich gewesen, hatte die Geschichte an die Freilichtbühne angepasst und modernisiert. Jetzt war Hannah an der Reihe. Joachims Stück war unheimlich gut aufgenommen worden vom Publikum, das musste sie natürlich versuchen zu toppen, um wieder die Oberhand zu gewinnen in dem kleinen Wettstreit der beiden Bühnenautoren. Nur widerwillig hatte sie anerkennen müssen, dass Joachim in diesem Jahr vorne lag, mit seinen Besucherzahlen. Drei Jahre in Folge hatte sie die Krone inne gehabt und somit auch den Kasten Bier am Ende der Saison als Einlösung der Wettschuld. Aber sie konnte gut damit leben, einmal verloren zu haben, schließlich hatte man als Bühner ein dickes Fell. Es ging zwar nicht immer herzlich zu bei ihnen, dachte Hannah und erinnerte sich daran, wie sie sich mit Emma über die Kostüme gestritten hatte. Emma hatte ihr sogar angedroht, beim nächsten Stück kein Kostüm mehr für sie anzufertigen, jedoch hatte sich der ganze Spuk schnell wieder in Luft aufgelöst. Und so war es immer.

Abends saß Hannah dann an ihrem Schreibtisch zu Hause, um sich an die Umsetzung ihrer Ideen zu begeben. Recherchiert hatte sie bereits und auch schon ihre eigene Ausgabe des Kinderbuchs wieder ausgegraben. Doch so richtig wollte es selbst nach dem Besuch auf der Bühne nicht klappen, zu viel spukte ihr im Kopf herum, über Geister und die, die es einmal werden wollten.
Aber es half alles nichts und so musste sie zumindest einmal eine grobe Gliederung der Ereignisse erstellen.
Damit sie in die richtige Stimmung kam, hatte sie die Ohrringe und dazu passende Kette mit den kleinen Gespenstern angelegt. Inzwischen hatte es zu dämmern begonnen und wie die vergangenen Tage auch, waren bereits Nebelschwaden aufgezogen. Dick und grau hingen sie im Tal und versperrten Hannah die Sicht auf den gegenüberliegenden Berg voller Wälder. Die Stimmung passte also schon mal, jetzt musste nur noch ein kreativer Schauer seine Atome auf sie hernieder regnen lassen.

Dann wollen wir mal, sagte Hannah zu sich selbst und begann sich Notizen zu machen.

Burg Eulenstein hieß der Schauplatz des Geschehens. Künstlicher Nebel waberte umher und sollte eine gruselige Atmosphäre kreieren, so zumindest stellte sie sich das Ganze vor. Der Fliegende Teppich von letztem Jahr würde jetzt dazu dienen, einen Schauspieler mit weißem Kostüm einfliegen zu lassen. Dazu die Schläge einer Turmuhr. Jawohl! Das würde große Augen bei den kleinen Zuschauern hervorrufen und den Eltern und Großeltern, die wussten dass es sich um kein echtes Gespenst handelte, ein Schmunzeln entlocken. Vor dem Burgtor angelangt, holte das kleine Gespenst seinen Schlüsselbund aus der Tasche und ließ die 13 Schlüssel gegeneinander schlagen. Langsam öffnete sich das Tor, natürlich nur unter lautem quietschen und ächzen, wie es sich für den Schauplatz eines Gruselmärchens gehörte. Aus dem Wald, in den die Bühne nahtlos über ging, vernahm man leise die Geräusche des Uhus Schuhu.

Nachdem sich das Burgtor wie von Geisterhand geöffnet hatte, drangen unzählige Gestalten auf die Bühne. Sie alle hatten nur darauf gewartet vom Gespenst in die Freiheit entlassen zu werden. Die uralte Ritterrüstung marschierte scheppernd voran, gefolgt von mehreren großen und kleinen Gespenstern, die Dank des Nebels zu schweben schienen. Und dann das, Hassan trat aus dem Tor oder vielmehr schwebte auch er, denn sie konnte nicht sehen, wie seine Füße, die sie deutlich erkennen konnte, den Boden berührten. Da stimmte doch was nicht, dachte sie, was machte der beste Freund von Aladin in ihrem Gespensterstück?
Dazu fiel ihr keine Antwort ein, also musste sie den Umstand seiner Gegenwart akzeptieren. Er wirkte allerdings auch sehr real, na gut, warum also nicht. So langsam begann die Handlung sich zu verselbstständigen, dachte Hannah, tat aber nichts dagegen.
Plötzlich blieb die Ritterrüstung stehen, sie hatte den Marktplatz erreicht. In aller Ruhe fing das alte Eisen an sich aufzulösen. Zurück blieb der blaue Djinn. Eigentlich hatte sich immer gedacht, die Ritterrüstungen wären hohl und in einer gewissen Weise verzaubert, damit sie von alleine Laufen konnten. Wirklich schockiert war sie allerdings nicht und ließ auch die nächste Figur des vergangenen Stückes, den bösen Jaffa, erscheinen ohne ihn daran zu hindern. Hätte wahrscheinlich eh keinen Zweck gehabt, sagte sie sich, schließlich konnte er zaubern.

Jaffa wandte sich an den blauen Djinn: „Hey Du! Kannst du aus mir ein Gespenst machen? Ich möchte auch durch Wände gehen können und den König mit meinen Streichen auf die Palme bringen.“

„Möglich wäre das schon, aber möchtest du tatsächlich deinen letzten Wunsch dafür opfern?“

„Ja, aber warum denn nicht? Es macht mich unsterblich und ich hab schon so viele Ideen, wie ich die Menschen ärgern kann, wenn sie schlafen, hehe! Ich will ihre Schlüssel verstecken, die Zucker- und Salzstreuer vertauschen und und und “

„Also gut. Du hast es nicht anders gewollt.“ Und mit einem Kopfnicken wurde aus Jaffa ein Gespenst das durch die Lüfte flog um die neuen Möglichkeiten der Bewegung auszutesten.

Derweil spielte Hassen vergnügt mit den Gespensterkindern, warf Äpfel durch die gräulichen Körpersubstanzen hindurch. Wow, die Effekte waren dieses Jahr wirklich um einiges besser als letztes, die Äpfel schienen doch tatsächlich durch die Gespensterkinder hindurchzufliegen, aber ihr gesunder Menschenverstand sagte Hannah, dass dem nicht sein konnte. Trotzdem sah sie, was sie sah.

Als das Jaffa-Gespenst mit weit aufgerissenen Augen im Sturzflug auf sie zu steuerte bekam sie es mit der Angst zu tun und begann zu schreien. Doch nichts half gegen den körperlichen Schmerz, ähnlich dem eines Muskelkrampfes am ganzen Körper, während das Gespenst durch sie hindurchflog und sein schaurigstes Lachen lachte.
Hannah versuchte aufzuwachen, doch es gelang ihr nicht. Stattdessen traf sie ein Apfel am Hinterkopf, der sie herumdrehen ließ. Vor ihr stand Joachim, der ihr die Zunge rausstreckte.
„Ach lass mich doch in Frieden“, war alles was sie ihm zu sagen hatte. Doch gerade das stiftete ihn dazu an, sie weiter zu nifteln. Er hatte sich sogar ein Lied ausgedacht, welches er unablässig von sich gab.
„Ich bin so toll, ich bin so klug und niemand kann mir reichen das Wasser!! Selbst Hannah mit dem Kronenabo hat es nicht geschafft. Ihr Stück wird langweilig und blöd, Lalalalaaa! Und ich bekomm’ das Bier, trullalilala!“

Während Joachims Gesang immer leiser wurde, drang ein anderes Geräusch an ihr Ohr. Es wurde lauter bis sie begriff, dass das Telefon läutete. Noch im Halbschlaf hob sie ab: „Ja?“
„Ich bin’s Joachim, wollte nur mal fragen ob du schon angefangen hast, mit der Gespenstergeschichte.“
„Nicht du schon wieder“, murmelte Hannah in den Hörer und legte auf.

Letzte Aktualisierung: 12.11.2007 - 00.48 Uhr
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